„Es stehen Mord, Folter und andere Verbrechen an der Tagesordnung“, so der Staatsanwalt zu dem tobenden Clan-Krieg, der auch in Wien geführt wird. Ein geplanter Mordanschlag wird nun im Landesgericht verhandelt. Das Opfer des Komplotts zeigt sich unbeeindruckt, der angeklagte 29-Jährige schweigt. Trotzdem sprechen ihn die Geschworenen vom Hauptvorwurf nicht rechtskräftig frei.
Sechs schwer bewaffnete Justizwachbeamte bringen den 29-Jährigen in den Verhandlungssaal 303 im Wiener Landl. Warum die Sicherheitsmaßnahmen? „Wir haben hier einen akribisch geplanten Mordversuch“, erklärt der Staatsanwalt. Und zwar im Mafia-Milieu. „Leider handelt es sich nicht um Fiktion, sondern die bittere Realität“, setzt er zu seinem Anklagevortrag an.
„Mord und Folter an der Tagesordnung“
Seit 2014 rivalisieren zwei montenegrinische Gruppierungen – der Skaljari-Clan und der Kavac-Clan. „Es stehen Morde, Folter und andere Gewaltverbrechen an der Tagesordnung. Man kann schon fast von einem kleinen Krieg sprechen.“ Eine der „Schlachten“ wird nun in Wien verhandelt. Es geht um einen geplanten Mordanschlag auf zwei vermeintliche Mitglieder des Kavac-Clans. Zuerst versuchte man es mit einer Autobombe, die wegen schwacher Batterieleistung nicht zündete, danach soll Stefan K. ins Spiel gekommen sein.
Angeklagter fungierte als „Observator“
Er sitzt vor den Geschworenen und schweigt eisern zu den schwerwiegenden Vorwürfen – wie es in solchen Prozessen üblich ist. Das 29-jährige Mitglied des Skaljari-Clans soll die zwei Zielpersonen beobachtet und den Zeitpunkt für den Anschlag durch zwei kolumbianische Auftragskiller ausgewählt haben. „Der Angeklagte reiste alleine aus diesem Grund aus Montenegro an“, so der Staatsanwalt. Die Opfer würden nur noch leben, weil es Kommunikationsprobleme zwischen den zwei Köpfen der Operation Risto M. und David B., den Kolumbianern und ihrem Übersetzer in Ecuador gab – der Schütze kam zu spät zum Tatort in der Koppstraße in Wien-Ottakring.
Im Zeugenstand wird eines der Opfer mit den Mordplänen konfrontiert. Wenig beeindruckt meint der 57-Jährige nur: „Ich weiß nicht, warum mich jemand umbringen will.“ Mit der montenegrinischen Mafia habe er überhaupt nichts am Hut: „Ich bin Vater mit sechs Kindern. Ich hab‘ nie irgendwas mit einer kriminellen Organisation zu tun gehabt.“ Warum er in den entschlüsselten Krypto-Chats auftauchte, kann er sich auch nicht erklären.
Die ewige Diskussion um Krypto-Chats
Und genau an denen stößt sich die Verteidigung und führt die stetige Diskussion über die Verwertung dieser Beweismittel ins Treffen. „Die Anklage stützt sich nur auf diese Chats“, so Anwalt Dominik Wild. Erlangt hätten die Ermittler diese von den französischen Behörden, denn in Österreich ist die Überwachung von verschlüsselten Handys nicht erlaubt. Das Thema beschäftigt mehrere europäische Höchstgerichte. Eine eindeutige Entscheidung gäbe es nicht, kritisiert Wild. „Nur, weil wir großartige Ermittlungsergebnisse erzielen konnten, heißt das nicht, dass das legal ist.“
Ebenfalls ein schlagendes Argument sei, dass der Mordauftrag zwar in Planung war, er aber noch nicht das rechtliche Stadium des Versuchs erreicht hätte. „Es war nicht so, dass sie sich nur um eine Sekunde verpasst hätten“, erklärt Dominik Wild. Sein Mandant hätte deswegen keinen Beitrag zu einem allfälligen Mordversuch leisten können – auch, wenn die Chats als Beweismittel zugelassen werden.
Lebenslange Haft wegen Krypto-Chats
Bereits im Dezember 2023 waren solche Krypto-Chats im Prozess gegen den Mafia-Boss „Dexter“ das Rückgrat der Anklage. Hier bestätigte jedoch der Oberste Gerichtshof im März die lebenslange Haft wegen Suchtgift-Deals – die Beweismittelverwertung der entschlüsselten Nachrichten war somit rechtens.
Und auch in diesem Fall werden sie als Beweise zugelassen. Dennoch folgen die Geschworenen der Argumentation des Verteidigers und sprechen den 29-Jährigen vom Vorwürfen, ein Beitragstäter gewesen zu sein, nicht rechtskräftig frei – der Anschlag hätte noch nicht das Versuchsstadium erreicht gehabt, der Plan würde hierfür nicht reichen. Wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung wird er jedoch zu drei Jahren Haft verurteilt.
Die mutmaßlichen Bestimmungstäter Risto M. und David B. wurden noch Ende 2020 in Montenegro bzw. der Türkei ermordet. Der kolumbianische Auftragskiller starb laut Berichten an einer Pestizidvergiftung ...
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