„Das System hat die Atombombe hervorgeholt und wenn sie eine so mächtige Waffe gegen uns einsetzen, dann weil wir kurz davor sind, die Wahlen zu gewinnen“, tobte die ehemalige Vorsitzende der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National, Marine Le Pen, auch am Tag nach ihrer Verurteilung. Parteichef Jordan Bardella rief unterdessen zu landesweiten Protesten auf.
Richterin Bénédicte de Perthuis sagte bei der Urteilsbegründung am Montag, Le Pen sei im Zentrum eines Systems gestanden, das mehr als vier Millionen Euro an EU-Geldern veruntreut und illegal ihrer Partei zugeleitet habe. Die fehlende Reue der Angeklagten sei einer der Gründe gewesen, warum ihnen mit sofortiger Wirkung die Ausübung öffentlicher Ämter untersagt wurde. Le Pen wurde zudem zu vier Jahren Haft verurteilt, von denen zwei zur Bewährung ausgesetzt und zwei unter Hausarrest verbüßt werden sollen. Zudem muss sie 100.000 Euro Geldstrafe zahlen.
Le Pen: „Ich lasse mich nicht einfach so ausschalten“
Für Le Pen und ihre Parteifreunde handelt es sich um ein „politisches Urteil“. Doch noch gibt sich die 56-Jährige nicht geschlagen. Sie will in Berufung gehen. In einem TV-Interview am Montagabend versprach sie ihren Anhängern: „Ich lasse mich nicht einfach so ausschalten.“ Am Dienstag erklärte sie bei einer Pressekonferenz: Ihre Gegner sähen, dass alle bisherigen Schritte gegen sie nichts gebracht hätten und schalteten deswegen einen Gang höher. „Die Dinge sind sehr klar, wir lassen uns nicht alles gefallen“, sagte die RN-Fraktionschefin. Es gehe auch darum, „die Franzosen zu verteidigen, die das Recht haben, zu wählen, wen sie wollen, und um das Land zu verteidigen, weil das Land heute ins Wanken geraten ist.“ Die gesamte Abfassung des Urteils sei „Wahnsinn“, sagte sie.
RN-Vorsitzender Bardella kündigte an: „Wir werden an diesem Wochenende auf die Straße gehen.“ „Ich glaube, die Franzosen müssen heute empört sein, und ich sage ihnen: Seid empört!“, betonte Bardella im Radio Europe 1 und im Fernsehsender CNews. In zahlreichen Städten verteilen Parteifunktionäre bereits Unterstützungsflugblätter und trommeln für die Proteste am Wochenende Teilnehmer zusammen.
Le Pens Richterin unter Polizeischutz gestellt
Einer der ranghöchsten Justizbeamten Frankreichs hat die Verurteilung von Le Pen zur Nicht-Wählbarkeit verteidigt. „Es ist keine politische Entscheidung, sondern eine juristische, die von drei unabhängigen Richtern getroffen wurde“, sagte Rémy Heitz, Staatsanwalt des Kassationsgerichts, am Dienstag dem Sender RTL. „Das Urteil fiel am Ende eines gerechten Prozesses, nach einer zwei Monate dauernden Verhandlung und jahrelangen Ermittlungen“, ergänzte er.
Die Richter hätten das Gesetz angewendet und gesetzmäßige Strafen verhängt, betonte er. Heitz verurteilte die persönlichen Anfeindungen gegen die mit dem Fall betrauten Richter. Er sei „schockiert“, dass die Vorsitzende Richterin unter Polizeischutz gestellt werden musste. Nach Angaben aus Justizkreisen bewacht eine Polizeistreife derzeit ihr Haus, nachdem sie Drohungen erhalten hatte.
Selbst Premier kritisiert Urteil
Neben Rechtspolitikern in Frankreich und auch in anderen EU-Staaten hat auch der französische Ministerpräsident Francois Bayrou Zweifel am Urteil geäußert – und zwar an der Tatsache, dass das Kandidaturverbot ab sofort gilt. „Es ist wahr, dass es Fragen gibt“, sagte der Zentrumspolitiker im Parlament in Paris. „Nach unserem Rechtsgrundsatz muss gegen jede schwerwiegende Entscheidung in Strafsachen Berufung eingelegt werden können.“ Die vorläufige Vollstreckung einer solchen Strafe führe dazu, dass schwerwiegende Entscheidungen mit möglicherweise irreversiblen Folgen nicht anfechtbar seien, kritisierte Bayrou. „Ich bin der Meinung, dass es diese Möglichkeit geben sollte.“ Es sei Aufgabe des Parlaments, sich darüber Gedanken zu machen.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.