"Krone"-Interview

Vera Russwurm: “Ich bin ein Glückskind”

Adabei
08.09.2013 09:00
Seit 35 Jahren ist Vera Russwurm (53) Garant für Top-Quoten im TV. In zwei Wochen kehrt sie mit einer neuen Sendung zurück in den Samstagabend des ORF. Was macht sie erfolgreicher als andere?

Als Papa Georg Russwurm seine Tochter 1978 ohne ihr Wissen per Postkarte als "Tritsch-Tratsch"-Girl beim TV bewarb, oblag die Domäne der televisionären Unterhaltung vornehmlich noch ehrwürdigen ergrauten Herren. Hans Joachim Kulenkampff, Rudi Carrell, Frank Elstner oder Hans Rosenthal waren damals populär. Die Damen fungierten in dieser Ära eher noch als adrette Assistentinnen, Stichwortgeberinnen oder TV-Ansagerinnen. Die Phase auftoupierter Revue-Girls war erst knapp überstanden, als Vera beherzt zum Mikro griff und sich als Joki Kirschners "Tritsch-Tratsch"-Girl vier Minuten lang in V-Pulli und Jeans zu einem Thema ihrer Wahl in Form reden durfte. Russwurm im Rückblick: "Das wäre heute ja unvorstellbar!"

Die studierte Medizinerin schuf damit quasi eine eigene Kategorie in diesem Metier, in der sie in den nächsten Jahrzehnten zu einer konstanten Größe aufsteigen sollte. 

Viele kamen, viele gingen. Nur die Allerwenigsten blieben. Was wurde eigentlich aus der deutschen Talk-Ikone Margarethe Schreinemakers, in den frühen Neunzigern Maß aller Show-Formate, und nur ein Jahr älter als Vera? Zuletzt las man vor Jahren von ihr und einem dramatischen Herzstillstand, den sie beim Joggen erlitt. Und dass sie kurz darauf ihren Retter geehelicht haben soll. Auch um viele andere ist es mittlerweile still geworden. Um viele sehr still. 

ORF-Comeback mit "Vera - bei"
In zwei Wochen kehrt Vera nun mit einer neuen Sendung in den wöchentlichen Samstagabend zurück: "Vera – bei" wird das Format heißen, mit dem die 53-Jährige ab 21. September jeweils ab ca. 22 Uhr Prominente daheim im Freundeskreis besucht und in launigen Gesprächen nach ihrem Erfolgskonzept befragt.

Jetzt aber ist Rollentausch angesagt – wir befragen sie, die nimmermüde Talkqueen, die immer noch glücklich verheiratete Mutter von drei Töchtern - Yara (23), Florentina (21), Anabel (14) - ist. Wir wollen wissen, wie sie es schaffte, über 35 Jahre Flughöhe zu behalten. Und dies ohne dabei die für sie typische Bodenhaftung zu verlieren? 

Vera Russwurm: Eigentlich ist in unserer Branche wirklich ein reges Kommen und Gehen. Ich kann gar nicht sagen, was ich anders mache als die anderen, die es nicht mehr gibt. Ich kann nur sagen, worauf ich immer geachtet habe: Ich hab immer nur Dinge gemacht, von denen ich auch überzeugt war, mit denen ich mich identifizieren konnte. Dschungel-Junk wäre für mich nie in Frage gekommen. Auch nichts, wo Menschen gefährdet, niedergemacht oder vorgeführt werden. Das wollte ich nie! Ich war immer ich. Worauf soll ich mir was einbilden? Darauf, dass mich jobbedingt vielleicht mehr Menschen kennen als andere? Bitte, das wär ja blöd! Ich hab mich immer mit voller Leidenschaft eingebracht. Und ich war fair und dankbar. Weil ich weiß: Gar nichts im Leben ist selbstverständlich. Bei mir hat sich immer alles ergeben. Das war schon zu Beginn meiner Karriere so.

"Krone": Wie damals bei Joki Kirschner als "Tritsch-Tratsch"-Girl. Das war ja auch lustig…
Vera: Das war was! Mein Vater, ein Architekt, hatte mich ohne mein Wissen mit einer Postkarte beworben: "Ich tritsche und tratsche gern", oder irgend so was stand da drauf. Hundert Bewerberinnen wurden eingeladen. Darunter ich. Eigentlich bin ich nur aus Neugier hin, mit dem fixen Gedanken, im Herbst ohnehin mein Medizinstudium zu beginnen. Dann wollten die von mir wissen, was ich da will. "Nix!", hab ich gesagt, und alle haben gelacht. Dann ging es Schlag auf Schlag. Anruf, Castings, Ö3, TV. Bei Joki Kirschner durfte ich regelmäßig vier ganze Minuten über ein Thema meiner Wahl reden. So was wäre heute ja unvorstellbar!

"Krone": Eigentlich bist du fertige Medizinerin. Hast du nie bereut, diesen Beruf nicht ergriffen zu haben?
Vera: Da gab es ein Schlüsselerlebnis beim Praktikum im Spital: Ich sollte einer Dame Blut abnehmen. Die war ganz außer sich vor Freude: "Jö, die Vera! Was machen Sie denn da? Aber das Blut lassen Sie bitte schon lieber die Schwester abnehmen!" Da hab ich gewusst: Beides geht nicht. Das passt nicht zusammen. Obwohl meine Mutter gehofft hatte, dass ich irgendwann ihre Zahnarztpraxis übernehme.

"Krone": Bei der Sendung "OK" hast du dann deinen Mann Peter Hofbauer kennengelernt. Du warst Moderatorin, er Produzent.
Vera: Er war ein überzeugter Junggeselle. Peter sagt, ich hätte ihn zur Ehe konvertiert. Es ist so ein Segen, dass wir einander gefunden haben, weil wir so gut zueinander passen. Wenn ich streiten will, bringt er mich zum Lachen. Manchmal zieht er mich auf: "Ich bin ja heute noch nicht bekeppelt worden!" Er ist unglaublich tolerant und gibt mir enorm viel Kraft. Krisen haben wir schon gehabt. Aber maximal wegen Erziehungsfragen. Anderweitig verliebt in all den Jahren? Wenn es so wäre, würde es keiner erfahren (lacht). Wir führen eine wirklich gute Ehe, keine Haushaltsgemeinschaft.

"Krone": Hatte Peter nie ein Problem mit deinem Erfolg?
Vera: Geh bitte, er war Unterhaltungschef, als er freiwillig aus dem ORF ausgeschieden ist, um das Metropol zu übernehmen, weil Theater immer schon seine Leidenschaft war. Und dieses führt er mit ungeheurem Erfolg. Im Übrigen ist er selbstbewusst genug, eine erfolgreiche Frau auszuhalten.

"Krone": Du wirst Anfang November 54 und schaust total jung aus. Im Gegensatz zu vielen anderen hast du aber noch Mimik und kannst auch noch richtig lachen. Hast du nie daran gedacht, es mit Botox zu versuchen oder sonst was machen zu lassen, wie viele deiner Kolleginnen?
Vera: Wirklich nie! Mit 40 hatte ich sowieso meinen beruflichen Höhepunkt mit "Vera", mit 50 mit "Vera exklusiv". Ich hätte gar keine Zeit gehabt, mir darüber Gedanken zu machen. Im Übrigen schauen geliftete Frauen ja auch nicht jünger aus, sondern nur anders. Schon als junge Moderatorin hab ich zur Visagistin gesagt: "Nix da! Mein Muttermal bleibt! Das wird nicht überschminkt!" Na ja, meine Nase. Als ich mich das erste Mal im Profil gesehen hab, bin ich schon kurz erschrocken. Aber was soll's? Es ist, wie es ist. Ich hab auch das Glück, nicht wirklich auf meine Figur achten oder mich kasteien zu müssen. Ich mach Sport. Aber weil er mir Spaß macht!

"Krone": Wie war es eigentlich für dich, als du letztes Jahr erfahren hast, dass "Vera exklusiv" trotz toller Quoten eingestellt wird? Ein Schock?
Vera: Enttäuscht war ich schon. Nach dem Erfolg, der Kraft und der Energie. Das Problem: Die Sendung war von Intendant Wolfgang Lorenz bewusst exklusiv angelegt worden. Das war Kathi Zechner, seiner Nachfolgerin, aber zu teuer für diesen Sendeplatz. Den Hauptabend wollte sie damit aber nicht, weil sie – natürlich – etwas Neues, etwas Eigenes haben wollte. 

"Krone": Hattest du mit 50+ im Showgeschäft dann keine Sorge: So, das war's jetzt?
Vera: Eigentlich nicht. Ich hab mich mit neuen Ideen hingesetzt. Außerdem haben mir Alexander Wrabetz und Kathi Zechner immer wieder versichert, mit mir weitermachen zu wollen. Darauf hab ich mich verlassen. Und sie haben Wort gehalten. Ich hatte nie das Gefühl, in der Luft zu hängen. Wenngleich es sich phasenweise mehr gezogen hat, als es meinem Naturell entsprochen hätte. Sorgenvolle Gedanken vertreibe ich sowieso von Natur aus. Die lasse ich nach Möglichkeit gar nicht erst zu! Ich vertraue immer darauf, dass am Ende alles gut wird. Und letztlich hab ich die vergangenen acht Monate unglaublich genossen. Erstmals hatte ich auch Zeit, mal in Ruhe Bücher zu lesen und nicht nur quer die Meldungen des Tages. Es war auch eine interessante Erfahrung für mich, nicht unter Dauer-Termindruck zu stehen. Aber jetzt freue ich mich schon sehr auf das Neue. Das wird wirklich toll.

"Krone": Nach außen wirkst du wie ein Glückskind. Fühlst du dich auch wie eines?
Vera: Ich trau es mich fast gar nicht zu sagen, aber eigentlich bin ich schon ein Glückskind! Ich biuch noch beide Eltern. All das ist nicht selbstverständlich. So eine richtig heftige Krise hatte ich Gott sei Dank nie. 

"Krone": 2007 hattest du von der ÖVP das Angebot, Gesundheitsministerin zu werden. Damals hast du – wie du sagst – schweren Herzens abgesagt. Würde es dich noch immer reizen? Frank Stronach sucht ja noch eine Vizekanzlerin…
Vera: (Lacht) Ich weiß gar nicht, was er wirklich will. Fairness, Wahrheit und Transparenz. Das ist okay. Aber was heißt das in der politischen Realität? In der Politik müsste sich ganz grundsätzlich etwas ändern – hin zu mehr Sachlichkeit, damit ein Engagement für mich reizvoll wird.

"Krone": Hast du noch Träume?
Vera: Ja, ich möchte mit einem Rucksack durch die Welt. Dafür hatte ich nie Zeit.

"Krone": Und ORF-Chefin?
Vera: Nein! Sicher nicht. Das wär, wie wenn man ein Rennpferd in die Box stellt, statt laufen zu lassen.

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(Bild: kmm)



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