Der bekannte Kolumnist und Opernball-Experte Karl Hohenlohe stammt aus dem deutschen Fürstenhaus Hohenlohe-Schillingsfürst. Weil einer der Fürstensöhne Kaiser Franz Joseph diente, lebt der Gault Millau-Herausgeber heute in Österreich. Er hütet das Familienarchiv der österreichischen Hohenlohes.
„Krone“: Haben Sie einen Lieblingsahn aus der Reihe der illustren Vorfahren?
Karl Hohenlohe: Es sind zwei: Einmal Marie Hohenlohe, die Frau von Obersthofmeister Konstantin Hohenlohe, der quasi der Generalmanager des Hofes von Kaiser Franz Joseph war. Marie war sehr kunstinteressiert und belesen. Ihre Mutter war ja jahrelang mit dem Komponisten Franz Liszt liiert, die beiden waren auch verlobt, aber die Hochzeit wurde im letzten Moment verhindert – das ist aber eine eigene Geschichte.
Napoleon hat meine Ururgroßmutter adoptiert.
Karl Hohenlohe
Besagte Marie Hohenlohe hat so viele interessante Persönlichkeiten getroffen, etwa den französischen Komponisten Hector Berlioz oder Richard Wagner in Weimar, den Maler Hans Makart, den Architekten Gottfried Semper, den Schriftsteller Ferdinand von Saar. Mit Rainer Maria Rilke war sie eng befreundet.
Wie tat sich eine so interessierte Frau am eher biederen Wiener Hof?
Der österreichische Hof war Marie Hohenlohe am Anfang etwas suspekt, sie war eher intellektuell veranlagt und hat hochgeistige Gespräche bevorzugt. Sie führte einen berühmten Salon im Augarten Palais, wo sie auch wohnte.
Wen mögen Sie noch besonders aus Ihrer Familiengeschichte?
Maries Sohn Konrad, er war ebenfalls Obersthofmeister – aber von Kaiser Karl. Er war – und da fühle ich mich wegen meiner Kolumnen ein wenig verwandt – ein Meister der Kurzform. Konrad war Innenminister, Präsident des Rechnungshofes, Finanzminister und Ministerpräsident, alles aber immer nur ganz kurz. Er hat einmal einen Bergarbeiterstreik geschlichtet und wurde wegen seiner arbeiterfreundlichen Einstellung auch als „roter Prinz“ bezeichnet. Sein Lieblingsposten war „Statthalter der Küstenlande“, wo er in Triest stationiert war. Er war ein enger Freund von Thronfolger Franz Ferdinand. Seine Tochter Franziska, „Fanny“, hat den Bruder von Kaiser Karl geheiratet. Ich kann mich gut an sie erinnern, ihr Spitzname war „Erzfanny“.
Ich habe einfach das Glück, dass ich in eine Familie hineingeboren wurde, die politisch und kulturell in ganz Europa aktiv war.
Karl Hohenlohe
Wie schätzen Sie Obersthofmeister Konstantin Hohenlohes Beziehung zu Kaiser Franz Joseph ein?
Die haben sich gegenseitig sehr geschätzt. Konstantin war ja auch Taufpate von Kaiserin Elisabeths Lieblingstochter Marie Valerie. Konstantin war total diskret und hat niemals getratscht. Darüber hinaus wahrscheinlich auch eher konservativ und Kaiser Franz Joseph sehr ähnlich.
kamen im 19. Jahrhundert aus Franken nach Österreich
sind ein Zweig des alten Hauses Hohenlohe, das zum deutschen Hochadel gehört
besitzen zahlreiche Burgen und Schlösser im deutschsprachigen Gebiet
sind verwandt mit Europas Royals und Aristokratie
Worüber wir natürlich sprechen müssen: Dieser Obersthofmeister wusste alles über die Hintergründe des Geheimnisses von Mayerling. Was findet sich dazu in seinem Nachlass?
Ich glaube, es war er, der dem Kaiser die Botschaft überbracht hat. Sein Job: die Krisenbewältigung nach außen und innen. Obwohl ihm jedes kleinste Detail bekannt war, hat er niemals ein persönliches Wort zu dem Mord und dem Selbstmord fallen lassen, aber ich habe in einer Tagebucheintragung von ihm eine Notiz gefunden, dass es „die schlimmsten Tage“ in seiner Laufbahn waren.
Wie ist es, die persönlichen Familienbriefe aus vergangenen Jahrhunderten zu lesen?
Es gibt so viele Briefe, Tagebücher, Telegramme, ich bin auch Eigentümer des „Hohenlohe-Archiv“ in Österreich. Ich sehe das als großes Privileg, weil man den Alltag im Kaiserreich, die gesellschaftlichen Aktivitäten, die Politik, die Kultur und Diplomatie aus allernächster Nähe beobachten kann.
Erkennt man Gemeinsamkeiten?
Ich weiß nur, dass mein Urgroßvater, der ein großer Menschenfreund war, jegliche Verstellung, Affektiertheit oder Angeberei ganz und gar nicht geschätzt hat und das kann ich recht gut nachvollziehen.
Woher kommt Ihr großes Interesse an Geschichte? Sie haben ja auch zahlreiche historische Dokumentationen gestaltet.
Ich habe einfach das Glück, dass ich in eine Familie hineingeboren wurde, die politisch und kulturell in ganz Europa aktiv war. Napoleon hat meine Ururgroßmutter adoptiert.
Meine Großmutter war die Halbschwester des Fürsten von Monaco. Mein Ururgroßvater war Obersthofmeister, sein Bruder deutscher Reichskanzler, ein weiterer Bruder Kardinal in Rom und auch die Nachfahren waren umtriebig. Eigentlich untypisch für die damaligen Standesherren, aber dafür umso interessanter. Da ist man irgendwie fast automatisch in der Geschichte drinnen, da kann man gar nicht anders.
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