Michael Max, Rektor der Pilgerinstitution „Anima“ in Rom, über die verloren gegangene Erzählung, die eine Gesellschaft zusammenhält, das Heilige Jahr, Frauen in der Kirche, seinen Glauben und Herausforderungen der Zeit.
„Krone“: Bischof Josef sagte kürzlich: „Die Anima ist der schönste Platz in Rom.“ Dompropst Engelbert Guggenberger, der ja elf Jahre in Rom lebte, verriet bei der Präsentation seines druckfrischen Buches über Rom: „Mein Lieblingsplatz ist die Piazza Navona – und dahinter liegt die Anima.“ Wie erklärten Sie, als Rektor der Santa Maria dell‘ Anima, diese 600 Jahre alte Pilgerinstitution für Deutschsprachige jemandem, der die Anima gar nicht kennt? Was dürfen sich Pilger von der Anima erwarten? Und was ist die Anima für Sie?
Michael Max: Die Anima ist Kloster, Studentenheim, Kirche; seit 650 Jahren Anlaufstelle für Pilger. In der Anima leben immer etwa 20 Theologiestudenten, laufend kommen deutschsprachige Gruppen, feiern in der Kirche und bekommen organisatorische Hilfe für ihren Aufenthalt in Rom. Auch für andere Sprachen gibt es in Rom solche Anlaufstellen, die Anima ist eben für Deutschsprachige da.
Wir befinden uns mitten im Heiligen Jahr. Sie sind Österreichs Nationaldelegierter für das Heilige Jahr. Welche Bedeutung hat es für die Kirche und die Gläubigen? Was soll es konkret bewirken?
Das Heilige Jahr hat eine biblische Grundlage und es erfüllt das Bedürfnis, in schwierigen Zeiten die Botschaft der Hoffnung intensiv zu erfahren.
Das Motto des Heiligen Jahres lautet „Pilger der Hoffnung“. Ist der Glaube vor dem Hintergrund der Kriege und Krisen, der globalen wirtschaftlichen Herausforderungen hilfreich?
Natürlich kann der Glaube helfen. Der Papst hat das Thema gewählt, das den Nerv der Zeit trifft. Wir brauchen wieder Hoffnungsnarrative. Optimismus hilft nur eine Zeit lang, eine Gesellschaft braucht Hoffnung. Vaclav Havel (Anm: der tschechische Schriftsteller und Politiker) sagte: ,Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.’
Glaube und Vernunft, Christentum und Aufklärung gehören zusammen.
Michael Max, Theologe
Im Heiligen Jahr kann ein reuiger Sünder, der beichtet, betet und „Werke der Barmherzigkeit und der Buße“ vollbringt, auf vollkommenen Ablass vertrauen. Das klingt wie ein Überbleibsel aus dem Mittelalter, ein päpstliches Versprechen, das einst Martin Luther kritisierte. Ist das noch zeitgemäß? Wie ist das heute zu verstehen?
Im Deutschen ist das Wort Ablass verbraucht und durch den einstigen Ablasshandel negativ belastet, das italienische indulgenza hingegen meint auch Zuwendung. Wann brauche ich Zuwendung? Wenn ich einen Fehler gemacht habe, das erkenne und um Vergebung bitte; wenn ich den Schmerz über meinen Fehler loslasse. Und die Zuwendung Gottes ist immer größer als mein Schmerz über meinen Fehler. Dazu gibt es im Heiligen Jahr Rituale, wie das Durschreiten einer Kirchenpforte. So verstanden macht Ablass, macht die
Die Zahl der Katholiken wächst weltweit – doch in Europa muss die Kirche Rückgänge verzeichnen. Warum? Ist das Programm der Kirche für Europäer nicht mehr anziehend? Liegt es an Fehlern des geweihten Personals, das ja unter anderem auch in Missbrauchsskandale verwickelt ist?
Es gibt eine Ungleichzeitigkeit in der Weltkirche, wie auch in den jüngsten Synoden klar wurde: Man muss einander zuhören und klären, wie viel Zentrale es braucht, wie viel Kirche vor Ort es braucht. Und natürlich muss das Personal glaubwürdig sein.
Sie haben in der Liturgiewissenschaft zum Doktor promoviert. Sind die Texte und Zeremonien in der Liturgie gerade, weil sie althergebracht sind, Halt gebend oder bedürfen sie einer sanften Reform, um Menschen besser anzusprechen?
Die Liturgie bewahrt die Aktualität der Botschaft der Hoffnung. Die Formen und Riten müssen verständlich und lebendig bleiben. Reformen sind immer wieder einmal notwendig. Das ist ein lebendiger Prozess. Im besten Fall schaffe nicht ich ein Ritual, sondern das Ritual schafft mich neu. Gesang ist in der Liturgie so wichtig, denn er betrifft den Menschen ganzheitlich. In die Anima kommen so viele Gruppen, die feiern und singen wollen.
Freiheit als oberstes Prinzip ist gut. Freiheit aus der Sklaverei, aus der Unterdrückung. Freiheit von – aber wo ist die Freiheit für? Es gilt, etwas zu finden, wo man seine Mündigkeit und Freiheit einsetzen kann.
Michael Max
Die Diözese Gurk-Klagenfurt hat mit Barbara Velik-Frank Österreichs erste bischöfliche Vikarin – ein Zeichen für mehr Verantwortung von Frauen in der Kirche. Wird das Beispiel Schule machen? Wird die Gleichberechtigung auch die Kirche erreichen?
Das ist nicht homöopathisch, das Beispiel wird Schule machen. Es gibt schon neue Pfarreistrukturen, wo Teams mit einem Priester Pfarrverbände leiten – auch mit Frauen. Ein Umdenken ist notwendig; von der Versorgungskirche zur Glaubenskirche. Wir sind Nahversorger der Hoffnung. Es geht darum, den christlichen Glauben ins Leben zu bringen. Darum geht es in dieser Wendezeit, in der das Hoffnungsnarrativ nicht mehr so stark ist.
Michael Max wurde 1970 in Gmunden in Oberösterreich geboren.
Er verbrachte seine Studienzeit in Rom und Paris.
1996 wurde er zum Priester geweiht.
Es folgten Stationen in österreichischen Pfarren.
2006 promovierte er zum Doktor der Liturgiewissenschaft.
Seit 2020 ist Michael Max Rektor des Päpstlichen Instituts Santa Maria dell’ Anima in Rom, der Pilgerinstitution für deutschsprachige Gläubige. Die Anima ist direkt dem Heiligen Stuhl unterstellt.
Seit 22. Jänner hat Wien keinen Erzbischof. Das Rücktrittsgesuch von Kardinal Christoph Schönborn wurde ja vom Papst angenommen – vor gut zwei Monaten. Warum dauert es so lange, bis ein Nachfolger eingesetzt wird?
Das Thema kann ich nur aus der Entfernung betrachten, aber offensichtlich arbeitet die zuständige Stelle in Rom sehr genau, klärt einiges ab. Allzu lange kann es nun aber nicht mehr dauern.
Sie gelten als ein möglicher Nachfolger.
Ich sehe mich da nicht. – Ich bin sehr gern in der Anima, seit über 30 Jahren, schon beim Studium; ich verdanke der Gemeinschaft in der Anima viel und bin dankbar, ihr etwas zurückgeben zu können.
Am Freitag haben Sie in der Markuskirche in Wolfsberg, eine der Jubiläumskirchen im Heiligen Jahr, bei der Heilig-Haupt-Andacht gepredigt. Was hat der ob seiner Studien in Rom und Paris und seiner Aufgabe als Rektor der direkt dem Heiligen Stuhl unterstellten Anima mehrfach als Welt-Priester bezeichnete Michael Max den Kärntner gesagt?
Ich habe ausgehend vom Bild des Heiligen Hauptes von der Hoffnung als Narrativ, und nicht als billige Antwort gesprochen.
Sie haben Theologie studiert, wurden zum Priester geweiht, haben wichtige Aufgaben in der Kirche. Ist Ihr Glaube immer stark? Kennen Sie Zweifel?
Mich plagen keine großen Zweifel, da kann ich gar nichts dafür. Es ist wohl so, weil ich in einer lebendigen Pfarre aufgewachsen bin, mich auch beim Studium und im Freundeskreis immer getragen fühlte und fühle von der Gemeinschaft.
Wenn Sie jemandem vom katholischen Glauben überzeugen wollten, was würden Sie ihm sagen?
Seit Jahrhunderten hat sich das Hoffnungsnarrativ der Kirche bewährt; es ist kein billiger Aberglaube, sondern tragfähig und einladend, darauf zu vertrauen.
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