Nüßle vor WM-Quali:

„War ein ‘Rotzbua‘, aber es hat sich ausgezahlt“

Sport-Mix
07.04.2025 05:30

Florian Nüßle darf sich – als erster Österreicher – offiziell Snooker-Profi nennen! „Ich war früher ein ‘Rotzbua‘, aber jetzt hat es sich ausgezahlt“, schmunzelt der 23-Jährige im Gespräch mit „Sportkrone.at“, als er über seine Kindheit und seine Anfänge im Snookersport spricht – sowie über die bevorstehende WM-Qualifikation, die Leere nach dem großen Erfolg und seine Erwartungen und Ziele für die kommenden zwei Jahre auf der Profi-Tour.

Um im Konzert der großen Snooker-Stars mitzuspielen, braucht es viel Liebe zum Sport, Fleiß und harte Arbeit. Nüßle hat sich seinen Traum – nach über drei Jahren Kampf bei diversen Q-School-Events – endlich erfüllt. Mehrmals scheiterte er knapp im Finale, doch vor wenigen Wochen gelang dem 23-Jährigen als erstem Österreicher überhaupt der Sprung auf die begehrte Snooker Main Tour - samt Profistatus. Im Finale des Q-Tour-Play-offs in Antalya setzte sich Nüßle souverän mit 10:3 gegen den Esten Andres Petrov durch. Damit darf er sich künftig auf der großen Bühne mit Stars wie Ronnie O’Sullivan, Mark Selby oder Judd Trump messen. Das Ticket für die World Snooker Tour (WST) im Feld der 128 Top-Spieler gilt für die kommenden zwei Spielzeiten 2025/26 und 2026/27.

Für Nüßle, den gebürtigen Grazer, ist das der bislang größte Erfolg seiner Karriere – neben zahlreichen weiteren Highlights wie dem EM-Titel 2024 im 6-Reds-Bewerb, dem U21-Weltmeistertitel von 2021 und insgesamt acht österreichischen Staatsmeistertiteln.

„Sportkrone.at“ erwischt den Wahl-Salzburger beim Training im hauseigenen Trainingsraum. Wie er den Moment erlebt hat, als er die Tour-Card endlich in der Tasche hatte? „Der Moment war surreal. Ich habe es mir anders vorgestellt. Ich dachte, ich würde emotionaler sein, dass Tränen dabei sind – so wie beim Gewinn meines ersten EM-Titels. Aber es war in diesem Fall nicht so. Es war eher, als würde eine riesige Last abfallen, die sich über Jahre aufgebaut hatte“, erinnert sich Nüßle. „Sobald die letzte Kugel gefallen ist, war meine Energie komplett weg. Man arbeitet so lange auf dieses Ziel hin - es war natürlich ein schönes Gefühl.“

Was der 23-Jährige erst einmal zu Hause in Salzburg bei seiner Familie verarbeiten musste. „Es ist bei mir fast schon üblich: Wenn ich etwas Großes geschafft habe oder die Saison vorbei ist, werde ich jedes Mal krank. Ich lag jetzt fünf Tage mit Fieber im Bett – aber mittlerweile bin ich wieder fit.“

Nüßle mit dem Pokal für seinen Sieg im Q-Tour-Play-off-Turnier in Antalya. (Bild: WPBSA/Ryan Watterson)
Nüßle mit dem Pokal für seinen Sieg im Q-Tour-Play-off-Turnier in Antalya.

„Ich war ein „Rotzbua“, was die Schule anging“
In Graz aufgewachsen, traf Nüßle mit zwölf Jahren die Entscheidung, den Snookersport professioneller anzugehen. Fünf Jahre später brach er die Schule ab – eine schwierige Zeit, sowohl für ihn als auch für seine Eltern. „Das war nicht leicht. Ich habe mich dermaßen dagegen gesträubt, die Schule weiterzumachen, weil ich einfach keinen Sinn darin gesehen habe. Ich war ein Teenager – und in dem Sinn auch ein „Rotzbua“ meinen Eltern gegenüber, vor allem, was die Schule anging“, erinnert sich Nüßle. „Trotzdem haben mich meine Eltern immer unterstützt. Ohne ihren Support wäre das alles gar nicht möglich gewesen.“

Heute sieht er manches anders: „Im Nachhinein kann ich sagen, dass es wohl auch mit Schule gegangen wäre – aber nichtsdestotrotz hat es sich jetzt eh ausgezahlt“, schmunzelt er.

Florian Nüßle trainiert täglich bis zu acht Stunden am Snookertisch. (Bild: ÖBU/Andreas Kronlachner)
Florian Nüßle trainiert täglich bis zu acht Stunden am Snookertisch.

Der Weg zum Snooker-Profi war für Nüßle ein steiniger. Es gab einen Moment, an dem er sogar ans Aufgeben dachte. „Das war vor zwei Jahren, als ich bei der Q-School mit 3:4 verloren habe. Damals habe ich im Sommer keinen Sinn mehr in dem Ganzen gesehen. Ich habe tief im Inneren gewusst, dass ich gut genug bin – aber ich konnte einfach nicht mehr die nötige Kraft aufbringen. Ich war richtig tief in einem Loch.“

Nüßle weiter: „Im Nachhinein war das wahrscheinlich die lehrreichste Zeit meines Lebens. Ich habe später auch mit meiner Mutter darüber gesprochen – es war auch für sie die härteste Zeit, weil sie mir nicht helfen konnte. Meine Lebensfreude war weg. Ich lag wie ein Häufchen Elend im Bett und wusste nicht, wie es weitergehen soll.“

Einen konkreten Plan B habe es für Nüßle nie gegeben – aber: „Ich habe immer gewusst, dass ich irgendetwas finden werde, das mir auch Spaß macht – auch ohne Schule, Matura oder Studium. Zum Beispiel in der Gastronomie als Kellner. Und vielleicht hätte ich nebenbei Snooker-Coaching gegeben oder so.“

Der nächste Traum von Nüßle: die WM-Teilnahme im Crucible Theatre in Sheffield. (Bild: WPBSA)
Der nächste Traum von Nüßle: die WM-Teilnahme im Crucible Theatre in Sheffield.

Ab heute steht für Nüßle die WM-Qualifikation in Sheffield an, um sich den nächsten Traum zu erfüllen: ein Auftritt im altehrwürdigen und legendären Crucible Theatre, dem Mekka des Snookersports, vor Hunderten Zuschauern vor Ort und Millionen vor den TV-Bildschirmen. Nur die Top 16 der Weltrangliste sind fix für die Snooker-WM qualifiziert, 16 weitere Plätze werden bei der Qualifikation von 7. bis 16. April vergeben. Sowohl bei der WM als auch in der Qualifikation wird im Modus „Best of 19 Frames“ gespielt. Beim Blick auf den Turnierbaum sagt Nüßle: „Es fühlt sich machbar an. Natürlich ist es ein weiter Weg, weil es lange Distanzen sind. Es sind – so gesehen – schon 40 Frames, die ich gewinnen muss“ (vier Quali-Runden; Anm. d. Red.).

Florian Nüßle qualifizierte sich im Februar für die Welsh Open – und spielte dort gegen keinen Geringeren als den dreimaligen Weltmeister und Lokalmatador Mark Williams. (Bild: WPBSA/calf-max co ltd)
Florian Nüßle qualifizierte sich im Februar für die Welsh Open – und spielte dort gegen keinen Geringeren als den dreimaligen Weltmeister und Lokalmatador Mark Williams.

Mit seinem Erstrundengegner Duane Jones (Weltranglisten-90.) am Mittwoch, dem 9. April, hat Nüßle noch eine Rechnung offen: Das bislang einzige Duell verlor er im Halbfinale des Q-Tour-Play-offs im März 2024 mit 3:6. Die weiteren möglichen Gegner auf dem Weg ins Crucible: Ma Hailong (Weltranglisten-74.), Hossein Vafaei (24.) und Robert Milkins (37.). „Es wird natürlich nicht einfach, aber ich hätte es schlimmer erwischen können“, sagt Nüßle, der sich in den kommenden zwei Jahren auf viele Veränderungen auf der Profitour einstellen muss. „Es wird alles neu für mich sein – das Publikum, die großen Arenen, von denen ich immer geträumt habe, dass ich dort einmal spielen kann.“ Beim Aufeinandertreffen mit den großen Stars bleibt er jedoch vorsichtig optimistisch, will nicht zu viel Respekt vor ihnen haben: „Ich will sie trotzdem schlagen – und nicht zu sehr hochhimmeln.“

Nüßle weiter: „Es sind auch fix zwei Aufenthalte in Saudi-Arabien – in Riad – dabei. Darauf freue ich mich besonders, weil ich in diesem Teil der Welt noch nie war. Und dann hoffentlich das Crucible – aber dafür muss ich mich erst qualifizieren.“

Nüßle könnte bald unter anderem auf diese Stars treffen: Ronnie O‘Sullivan ... (Bild: AP/Zac Goodwin)
Nüßle könnte bald unter anderem auf diese Stars treffen: Ronnie O‘Sullivan ...
Judd Trump ... (Bild: AP/Richard Sellers)
Judd Trump ...
Mark Williams ... (Bild: AFP/APA/Paul ELLIS)
Mark Williams ...
Mark Selby ... (Bild: AP)
Mark Selby ...
Kyren Wilson ... (Bild: AFP/APA/Oli SCARFF)
Kyren Wilson ...
John Higgins ... (Bild: AFP/James Baylis)
John Higgins ...
Neil Robertson ... (Bild: AFP/ANDREW YATES)
Neil Robertson ...
Shaun Murphy (Bild: GEPA)
Shaun Murphy

Das Ziel, um die Tourkarte zu behalten: die Top 64
Sportlich gesehen ist Nüßles klares Ziel, sich in den kommenden zwei Jahren unter den Top 64 der Weltrangliste zu etablieren, um weiterhin auf der Pro-Tour spielen zu dürfen und die Tourkarte zu behalten. „Was ich mir selbst wünsche – und auch erwarte – ist, dass ich vielleicht ein oder zwei tiefe Runs bei einem Turnier hinlege. Wenn dabei sogar ein Titel herausspringt, umso besser. Aber Minimum ein Viertel- oder Halbfinale würde ich gerne erleben. Am besten bei einem größeren Turnier, wo es auch mehr Preisgeld gibt – das hilft natürlich für meine Position in der Weltrangliste. Es werden auch genug Niederlagen dabei sein, darauf kann ich mich schon einstellen. Von denen muss ich so gut wie möglich lernen und ich darf nie in ein Loch fallen.“

Florian Nüßle möchte sich in den nächsten zwei Jahren als Profi einen Namen machen. (Bild: WPBSA/calf-max co ltd)
Florian Nüßle möchte sich in den nächsten zwei Jahren als Profi einen Namen machen.

Nüßle setzt auf Mentalcoach
Spannend: Der Wahl-Salzburger setzt seit Längerem auf die Unterstützung eines Mentalcoaches – ein möglicherweise entscheidender Faktor, gerade im Einzelsport Snooker, wo der Kopf und die mentale Stärke eine zentrale Rolle spielen. „Er war definitiv ein Faktor, warum es in den letzten zwei Jahren so steil bergauf gegangen ist“, sagt Nüßle. „Zum Beispiel hat er mir Atemübungen gezeigt, die ich wirklich gut anwenden kann. Die haben mir auch beim Play-off-Finale sehr geholfen. Das ist sicher ein großer Baustein in meiner Karriere.“

Florian Nüßle (Bild: WPBSA)
Florian Nüßle

Durch seinen Erfolgsweg ist auch in Österreich die Aufmerksamkeit für Snooker gestiegen. „Mehr Leute wissen jetzt, was Snooker ist und sagen nicht mehr Billard dazu. Vielleicht fangen auch mehr Menschen an, Snooker zu spielen, wenn sie mich öfter im Fernsehen sehen. Das wäre super.“

Wenngleich der Sport – gerade am Anfang – auch „frustrierend“ sein kann, wie Nüßle erzählt. Dann heißt es: dranbleiben. „Ich kann mich erinnern: Als Kind habe ich mich schon gefreut, wenn ich mal drei Kugeln hintereinander reingetroffen habe. Wenn man dann mehrere Bälle locht, fühlt sich das an, als wäre man Gott – ohne Untertreibung. Das ist so ein gutes Gefühl, weil man in einem Fokus drin ist, den nichts stören kann.“

Ob Nüßle in den kommenden Jahren auch einen solchen „Gott-Moment“ erleben wird – etwa, wenn er einen großen Snooker-Star schlägt? Es wäre ihm zu wünschen …

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