Michael Ritsch, Bürgermeister der Landeshauptstadt Bregenz, hofft beim zweigleisigen Bahnausbau Richtung Deutschland auf ein Einsehen des neuen Verkehrsministers. Was plant er in der neuen Regierungsperiode und warum musste seine Stadtplanerin gehen?
„Krone“: Herr Ritsch, warum koalieren Sie nicht mit den Grünen, die Ihnen viel näherstehen würden?
Michael Ritsch: Es gibt ja keine Koalition mit der ÖVP, sondern ein Arbeitsprogramm mit der zweitstärksten Partei. Das entspricht auch dem Wählerwillen, denn SPÖ und ÖVP haben gemeinsam 75 Prozent der Mandate in der Stadtvertretung. Deswegen gibt es eine themenbezogene Vereinbarung, die auch seitens der FPÖ unterzeichnet wurde. Mir war es wichtig, sowohl die ÖVP als auch die FPÖ in den kommenden Jahren an Bord zu haben. Das ist mit den zwei Papieren gelungen. Natürlich wurden auch Gespräche mit den Grünen und den Neos geführt – und die sind bei den überwiegenden Themen, die uns wichtig sind, dabei.
Ihre Vizebürgermeisterin beklagt, nicht wirklich eingebunden worden zu sein und wirkt etwas verstimmt?
Das tut mir auch leid und ich habe ein gewisses Verständnis, denn es ist nicht fein, den Vizebürgermeisterposten zu verlieren. Aber das Wahlergebnis ist, wie es ist und darauf zu spekulieren, dass man als nur mehr viertstärkste Fraktion Teil einer Regierung wird, ist sehr optimistisch gedacht. Zumal es in den vergangenen fünf Jahren auch keine Koalition gab, sondern die besten Ideen für Bregenz im Vordergrund standen.
Warum sind Sie von diesem freien Spiel der Kräfte abgekommen?
Wie gesagt, 75 Prozent der Bregenzer haben mich und Roland Frühstück gewählt – darum sollten die zwei großen Fraktionen eng und gut miteinander arbeiten. Vor fünf Jahren wurde zudem vieles mündlich vereinbart und dann wieder vergessen. Das kann passieren, aber mir war es eine Lehre und deswegen gibt es nun diese unterschriebenen Papiere, in denen die Arbeitsschwerpunkte fixiert sind.
Ein großes Thema in Bregenz ist der neue Bahnhof. Wie sieht es denn der Zeitplan hierfür inzwischen aus?
Alle Eigentümer, ÖBB, Bund und Land haben sich auf diese 4a-Variante geeinigt. Die ÖBB beginnen jetzt mit dem Bau des Ausweichbahnhofs, in der Hoffnung, dass sie noch vor dem Beginn der Festspielsaison mit den Erdgeschossflächen fertig sind. Gleichzeitig werden die Rolltreppen saniert und ein neuer Lift gebaut, weil die Überführung zu den Bahnsteigen ja noch die nächsten vier, fünf Jahren gebraucht werden. Ich hoffe, dass man bis zum Anfang des nächsten Jahrs damit beginnen kann, den alten Bahnhof abzubrechen und dann relativ zeitnah der Bau der Unterführung Richtung See anfängt.
Was ist mit der Verlegung der Landesstraße?
Derzeit wird noch geplant und überlegt, wie viele Fahr- und Abbiegespuren es braucht. Angst, dass das Projekt aus Kostengründen gestrichen wird, habe ich nicht, denn es geht um einen der wichtigsten Mobilitätsknoten in Vorarlberg.
Wann gibt es eine Entscheidung, ob der Bahnausbau Richtung Deutschland ober- oder unterirdisch erfolgen wird?
Es gibt das klare Bekenntnis der 17 Bürgermeister der Region Bodensee, dass es keinen oberirdischen Bahnausbau geben soll. Es gibt einen Landtagsbeschluss. So gesehen sollte man jetzt in die vertiefenden Planungen für einen unterirdischen Bahnausbau gehen.
Sie gehen davon aus, dass die ÖBB die wesentlich teure Variante finanzieren?
Über die Finanzierung entscheiden nicht die ÖBB, sondern der Staat Österreich. Die ÖBB sind kein privater Konzern, sondern gehören zu 100 Prozent dem Volk. Wenn Finanz- und Verkehrsminister sagen, wir machen das, dann wird das Projekt umgesetzt. Die ÖBB investieren österreichweit alle zehn Jahre 20 Milliarden Euro in Gleiseinlagen, in Tunnel, in Unterflurvarianten. Jetzt geht es darum, dass wir in Vorarlberg darum kämpfen, dass 10 Prozent dieser Gelder hier investiert werden. Die ersten Gespräche mit dem neuen Verkehrsminister stehen im Mai an.
Die ÖBB sind kein privater Konzern, sondern gehören zu 100 Prozent dem Volk. Wenn Finanz- und Verkehrsminister sagen, wir machen das, dann wird das Projekt umgesetzt.
Michael Ritsch (SPÖ)
Sie erwarten, dass der rote Verkehrsminister Peter Hanke ein offeneres Ohr für Ihr Anliegen hat?
Ich gehe zumindest mal davon aus, dass der Herr Verkehrsminister weiß, dass Vorarlberg eine Region ist, die davon lebt, dass sie wirtschaftlich sehr stark ist. Der zweigleisige Ausbau ist wichtig für die Vorarlberger Industrie. Und ich glaube, dass dem Minister, der einmal Finanzstadtrat in Wien war, bewusst ist, welche Bedeutung der Ausbau für die Wirtschaft und die hier lebenden Menschen hat. Es geht auch um eine volkswirtschaftliche Entscheidung, die getroffen werden muss.
Sie haben unlängst Ihre Stadtplanerin Andrea Krupski von Mansberg vor die Tür gesetzt. Ist das Projekt Bregenz Mitte damit gestorben?
Alle Grundeigentümer rundum den Bregenzer Bahnhof haben sich zu dieser 4a-Variante bekannt, die ja auch die Seestadt und das Seequartier umfasst. Es gab in der Vergangenheit ein wenig Reibungsverluste, weil die Agenden in Sachen „Bregenz Mitte“ auf zwei Abteilungen verteilt waren. Das war die Abteilung Bauservice und Infrastruktur sowie die Abteilung Zukunftsservice und Stadtentwicklung. Es war eine politische Entscheidung, diese beiden Abteilungen zusammenzulegen. Zugleich war es auch ein großer Wunsch der Eigentümer dieser Grundstücke, die langen Wege zu verkürzen. Und durch diese Änderung haben wir auch das Dienstverhältnis mit Andrea Krupski von Mansberg beendet.
So ganz reibungslos scheint die Kündigung aber nicht über die Bühne gegangen zu sein?
Über Personelles und persönlichen Dinge rede ich grundsätzlich nicht öffentlich. Zudem geht es auch um Datenschutzgeschichten. Ich kann also nur wiederholen, dass es uns wichtig war, dass die Agenden in einer Abteilung zusammenfließen.
Wird es weitere Zusammenlegungen oder Kürzungen beim Personal geben?
Schon vor der Wahl war klar, dass es eine klare Strukturreform geben wird. Es wird aber nicht um irgendwelche Kündigungen gehen, vielmehr liegt der Fokus darauf, die Verwaltung schlanker zu machen. Wir schauen, wo Pensionierungen nicht mehr nachbesetzt werden müssen, wo es parallele Zuständigkeiten gibt und welche Bereiche nicht unbedingt seitens der Stadt erledigt werden müssen. Menschen, die einen guten Job machen, sollen weiterhin hier arbeiten. Allein diesen Monat haben wir 20 Stellen ausgeschrieben, denn wir brauchen dringend Kindergartenpädagogen, Kleinkinderbetreuerinnen, Leute im Bauhof, in der Gärtnerei oder für die Polizei.
Ein letzter Blick auf die Finanzen: Wo werden die Bregenzer künftig Abstriche machen müssen?
Es gibt vier Haushaltsstellen, die ungefähr zwei Drittel des Budgets ausmachen. Das ist zum einen das Personal – das können wir beeinflussen. Zum anderen handelt es sich um die Landesumlage, den Sozial- und den Spitalsfonds – darauf haben wir keinen Einfluss. Das restliche Drittel, diese hunderten Buchungen, haben wir uns wirklich detailliert angeschaut, überlegt, wo wir reduzieren oder mehr Einnahmen lukrieren können. Da ist einfach nicht mehr viel Spielraum.
Auf Gelder von Land und Bund können Sie nicht hoffen?
Richtig. Gemäß Finanzplanung des Bundes von 2020 müssten wir eigentlich über 8 Millionen mehr an Ertragsanteilen verfügen können. Diese 8 Millionen haben wir aber nicht, weil die wirtschaftliche Situation in Österreich so ist, wie sie ist. Und weil die Grunderwerbsteuer komplett weggebrochen ist, die zu 96 Prozent an die Gemeinden geflossen ist.
Allein durch Sparen werden Budgets nicht zu retten sein?
Nein, am Ende sind wir immer abhängig von den Ertragsanteilen des Bundes. Ich plädiere, wie ich es schon vor Jahren im Landtag gefordert haben, für eine Aufgabenentflechtung. Die Kleinkindbetreuung und der Kindergartenbereich beispielsweise ist eine Bildungsaufgabe, für die das Land zu 100 Prozent zuständig sein sollte. Im Gegenzug könnten die Kommunen 100 Prozent Verantwortung bei der Pflege der älteren Menschen übernehmen. Diese Doppelfinanzierungen und Gegenverrechnungen müssen endlich aufhören. Derjenige, der zuständig ist, soll 100 Prozent zahlen. Ich bin überzeugt, dass sich durch die Aufgabenentflechtung auch in der Verwaltung einiges einsparen ließe. Ich gebe der Direktorin des Vorarlberger Landesrechnungshofs recht, die unlängst gesagt hat, dass eine Krise durchaus auch eine Chance sein kann, das eine oder andere zu verbessern.
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