Türkis-Grüne hat jahrelang darüber diskutiert, ist aber gescheitert. Nun soll die Dreier-Koalition eine weisungsunabhängige Bundesstaatsanwaltschaft schaffen. Ziel ist da die Entkoppelung der Ermittlungsbehörde von Politik und Justiz. Die neue Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) hat einen baldigen Entwurf in Aussicht gestellt.
Die Diskussion um die Bundesstaatsanwaltschaft gibt es seit dem Österreich-Konvent vor 20 Jahren. Im Regierungsübereinkommen ist für diese Generalstaatsanwaltschaft eine kollegiale Spitze und nicht eine Einzelperson vorgesehen. Die Debatten blieben. Die Staatsanwälte sehen während laufender Ermittlungsverfahren eine Kontrolle durch das Parlament kritisch. Vor allem die WKStA, die viele politische bzw. „clamorose“ Fälle bearbeitet, steht im Fokus der Debatten.
Wer kontrolliert die Bundesstaatsanwaltschaft?
ÖVP-Politiker wie Sebastian Kurz oder Andreas Hanger warfen den Korruptionsermittlern politische Motive vor. Fest steht: An der Weisungsspitze der Staatsanwaltschaften steht nach wie vor der Minister bzw. die Ministerin. Das ist in Europa ziemlich einzigartig und soll geändert werden. Eine Bundesstaatsanwaltschaft soll möglichst unabhängig als höchste Instanz agieren. Doch wer soll sie implementieren und vor allem kontrollieren? Naheliegend: das Parlament.
Politische Kontrolle bleibt wohl erhalten
Michael Rami, Rechtsanwalt und VfGH-Richter, sagt: „Staatsanwaltschaften hatten immer eine eigene Stellung. Die Gerichte waren immer weisungsfrei und unabhängig. Die Staatsanwaltschaft wurde immer behandelt wie ein Verwaltungsorgan und ist weisungsgebunden. Mit gutem Grund. Die Verfassung laut Kelsen definiert, dass die Verwaltungsbehörden hierarchisch angeordnet sind.“ Staatsanwaltschaften begleiten das Verfahren, so Rami. Die Staatsanwaltschaften stellen in Ermittlungsverfahren die Weichen. Sie habe die Macht, Verfahren einzuleiten und einzustellen. Dies sei ein guter Grund für die Weisungsfreiheit. „Andererseits heißt es laut Verfassung, es soll jemand an der Spitze politisch verantwortlich sein. Wenn man das aufgibt, gibt es keinen politisch Verantwortlichen.“
Rami hält fest, dass ein Gremium aus Bundesstaatsanwälten ohnehin auch jetzt parlamentarisch kontrollierbar wäre. Etwa durch Untersuchungsausschüsse. Dazu heißt es auch im Magazin „Juridikum“: „Das Parlament übt seine Kontrolle indirekt über das Interpellations- und Resolutionsrecht, die politische und rechtliche Verantwortlichkeit, Untersuchungssauschüsse und Berichte aus.“ Eine Neugestaltung würde jedenfalls der Kontrolle des Parlaments unterliegen.
Kritische Anwälte: „Keine echte Reform“
Clemens Jabloner ist ehemaliger Höchstrichter und war Übergangs-Justizminister im Experten-Kabinett Bierlein nach Ibiza. Er sagt: „Ich war früher skeptisch, trete aber mittlerweile für das im Justizministerium erarbeitete Modell einer Senatslösung ein. Die zweitbeste Lösung wäre, man macht gar nichts, die schlechteste wäre eine monographische. Dann hat man quasi eine Art Minister neben dem Minister.“
Die Rechtsanwälte sind mit den Plänen der neuen SPÖ-Justizministerin Sporrer semi zufrieden. Präsident Armenak Utudjian zur „Krone“. Es sei noch keine Reform, wenn anstelle der Justizministerin Bundesstaatsanwälte die Weisungsspitze bilden. „Das wäre ein bloßes Parallelverschieben der bisherigen Abläufe. Wenn, dann braucht es eine echte Reform, die auch Berichtspflichten und andere Abläufe beinhalten muss. Um eine objektive Auswahl geeigneter Personen zu gewährleisten, braucht es auch externe Experten aus der Wissenschaft und der Anwaltschaft.“
Das Thema bleibt wohl ein sehr heißes.
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