Seit dem Zollhammer von US-Präsident Donald Trump am „Liberation Day“ letzten Mittwoch brechen die Börsen ein – und zwar weltweit. Die Kursgewinne eines ganzen Jahres sind praktisch zunichtegemacht. Wie weit gehen die Aktien noch in die Knie? RBI-Chefvolkswirt Gunter Deuber warnt: „Es kann alles noch schlimmer kommen.“
Deuber hat bereits im Spätherbst empfohlen, eher aus Aktien in andere Anlageklassen wie z.B. Staatsanleihen umzuschichten. Seine damalige Einschätzung kann man also als prophetisch bezeichnen. Und jetzt? Deuber: „Wir haben es aktuell mit Marktbewegungen wie bei Ausbruch der Covid-Pandemie oder in der globalen Finanzkrise zu tun. Damals sind die Schocks an den Börsen nur durch eine internationale Politik-Koordination gestoppt worden, etwa indem die Zentralbanken sich weltweit abgestimmt haben. Ich sehe aber nicht, dass es in den kommenden Tagen eine sinnvolle politische Koordination mit den USA geben wird! Und solange es kein Zeichen einer Koordination gibt, sehe ich auch kein Zeichen für eine Erholung der Börsenmärkte.“
Es gibt weiteres Abwärtspotenzial
Dazu kommt: „Die Bewertung der US-Aktien mit Blick auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis ist immer noch hoch, höher als vor der Covid-Krise. Bei den Bewertungsniveaus gibt also noch mehr Abwärtspotenzial.“ Zwischendurch könnten die Kurse als Korrektur auch wieder leicht steigen, aber wenn die Gewinnaussichten der Unternehmen sinken, erneut fallen.
Die einzige Lösung wäre, „dass sich Trump auf sinnvolle Verhandlungen mit Europa und China einlässt und die Zölle einmal für 60 oder 90 Tage aussetzt. Es bringt nichts, wenn er mit kleinen Ländern einen Deal macht, auch wenn ihn das freut. Die Lösung liegt am Tisch: Eine Person könnte zurückrudern“, sagt Deuber.
In der Zwischenzeit dürfte der Handelskrieg aber noch weiter eskalieren: China scheine bereit, gegenüber den USA Härte zu zeigen. Deuber: „Mit Gegenzöllen, Ausfuhrbeschränkungen für seltene Erden, die die US-Wirtschaft dringend braucht, und durch Ausschluss von US-Unternehmen aus Kooperationen mit chinesischen Firmen. China hat abseits von Zöllen noch viele weitere Möglichkeiten der Gegenreaktion.“ Außerdem sei China eine staatlich gelenkte und gut gemanagte Volkswirtschaft, „die hart bleiben wird“. Und solange es keine Anzeichen der Koordination gebe, „bleiben die Sorgen an den Börsen groß“.
Doch ist der Crash der Börsen nicht auch etwas überschießend? Immerhin gehen nur drei Prozent der EU-Produktion in die USA und auch die größten börsennotierten chinesischen Konzerne machen nur zwei Prozent der Umsätze mit den USA. Deuber sieht sehr wohl logische Gründe für den Crash: „Erstens steht Amerika noch immer für fast den gleichen Anteil am Welthandel wie China und die EU ist sehr wichtig. Außerdem geht es nicht nur um direkte Exporte der einzelnen Länder in die USA, sondern es werden komplette Liefer- und Wertschöpfungsketten infrage gestellt. Und das betrifft natürlich vor allem die großen börsennotierten Unternehmen, die beim weltweiten Handel sehr exponiert sind. Somit ist die Reaktion an den Börsen rational.“
Keine Koordination der Notenbanken
Deuber glaubt auch nicht, dass diesmal die Notenbanken der Welt koordiniert zusammenarbeiten werden. Denn warum sollte die europäische EZB reagieren, wenn es in Amerika zu einer Rezession kommt.
Und so eine Rezession zeichnet sich jetzt tatsächlich ab. Die Folgen für die Aktienmärkte? Deuber: „Es könnte auch zu einem Bärenmarkt kommen, bei dem die Kurse auf niedrigerem Niveau sechs bis neun Monate lang seitwärts gehen.“
Auch in Europa kommen die Gewinne der Unternehmen unter Druck: „Es wird jetzt jedes Unternehmen jene Produkte, die es in den USA nicht mehr absetzen kann, versuchen, im Rest der Welt abzusetzen. Die Folge wäre ein Preiswettbewerb – und sinkende Gewinne der Unternehmen.“
All das werde, glaubt Deuber, Trump kaum beeindrucken. Eventuell könnten zuletzt auch viele Personen im Umfeld des US-Präsidenten vom Börsencrash profitiert haben. Deuber: „Ich würde nicht ausschließen, dass jemand aus seinem privaten Umfeld, etwa im Familien- und Bekanntenkreis, auf Kursverluste spekuliert hat.“
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