(Bild: KMM)

„Zeugungs-Prämie“

Diese Royals gewannen das „Baby-Wettrennen“

Die „gutaussehenden Hengste“ des Adelshauses Sachsen-Coburg und Gotha sorgten bei Europas Royals für Blutauffrischung. Historiker Günther Fuhrmann über das legendäre „Baby-Wettrennen“ um den britischen Thron und eine besondere Dynastie, deren Nachkommen heute in Großbritannien und Belgien regieren. 

Es waren einmal drei Brüder, die zogen aus, um Europas Throne zu erklimmen. Sie hießen Ernst, Ferdinand und Leopold. Leopold wurde zum König gewählt, Ferdinand heiratete eine steinreiche Erbin und Ernst fädelte für seinen Sohn eine Ehe mit der mächtigsten Monarchin der Welt ein. Ihre Kinder und Kindeskinder taten es ihnen nach und heirateten in fast alle Königs- und Kaiserhöfe Europas ein. Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute.

Das ist kein Märchen. Diese drei Brüder gab es wirklich, sie waren Prinzen von Sachsen-Coburg und Gotha. Leopold von Sachsen-Coburg und Gotha wurde der erste König der Belgier. Der Sohn von Ernst ehelichte die britische Königin Viktoria. Ferdinand heiratete die steinreiche Erbin Maria Antonia Koharý und ließ sich in Wien nieder. Die Familie dieser drei Brüder herrschte bis 1918 über ein überschaubares Herzogtum, das innerhalb der heutigen deutschen Bundesländer Bayern und Thüringen lag.

Der Historiker und Coburg-Experte Günter Fuhrmann gibt Einblick in die Geschichte dieser legendären Coburger.

„Krone“: Herr Magister Fuhrmann, Sie sind der führende Experte zur Geschichte des Hauses Coburg. Warum schaffte es gerade dieses deutsche Adelsgeschlecht, im 19. Jahrhundert zu Königen aufzusteigen? 
Günther Fuhrmann
: Es ist eine besondere Gemengelage, die hier zusammenkam. Betrachtet man das Herzogtum, dem die Familie entstammt, so war dieses nicht nur territorial klein, sondern auch wirtschaftlich unbedeutend. Sachsen-Coburg bestand aus einigen wenigen Siedlungen rund um die Residenzstadt Coburg. Dennoch, die Herzogsfamilie war souverän, regierte also selbst, und war damit nach den Hausgesetzen der damaligen Zeit jedem Königshaus ebenbürtig. Der Namensbestandteil „Sachsen“ verweist auf die Zugehörigkeit zum sächsischen Herrscherhaus der Wettiner, einer der ältesten und vornehmsten Familien Europas. 

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Das britische Parlament versprach eine Sonderprämie für denjenigen, der ein erbberechtigtes Kind zeugen würde. 

Günther Fuhrmann

Wie kann eine Familie aus der deutschen Provinz in Europas Herrscherhäuser einheiraten?
Ende des 18. Jahrhunderts gab es mehrere Königshäuser, die bewusst Bräute aus solch kleinen, deutschen Fürstenfamilien auswählten. Denn ein tadelloser Stammbaum, aber gerade auch die politische Bedeutungslosigkeit ersparte Scherereien. Großbritannien tat dies, viel mehr aber noch Russland. Als Katharina die Große eine Braut für ihren zweitgeborenen Enkel Konstantin suchte, entschied sie sich für die Coburger Prinzessin Julie. Diese hatte drei Brüder und drei Schwestern und alle diese Fürstenkinder wurden als überdurchschnittlich gutaussehend beschrieben, vor allem die jüngeren Brüder Ferdinand, Georg und Leopold. Letzterer wurde sogar von Napoleon als „schönster Mann, den ich je gesehen habe“ gerühmt.

Die belgische Kronprinzessin Elisabeth vor einem Gemälde ihres Vorfahren. Er war der erste König von Belgien, Leopold I.  (Bild: Thierry Charlier / Camera Press / picturedesk.com)
Die belgische Kronprinzessin Elisabeth vor einem Gemälde ihres Vorfahren. Er war der erste König von Belgien, Leopold I. 

Der deutsche Kanzler Bismarck sprach zynisch von den „gutaussehenden Hengsten“ und „goldenen Bräuten“ der Coburger.
Vor allem der fesche Leopold sollte das Schicksal der Coburger besiegeln. Als jüngerer Bruder war er in die russische Armee eingetreten, seine Schwester Julie hatte ja einen Großfürsten geheiratet, ihr Schwager war Zar Alexander, der Leopold zu seinem Adjutanten machte und 1814 nach England mitnahm. Dort gab es damals eine einzige Thronerbin, Prinzessin Charlotte, die sich Hals über Kopf in Leopold verliebte und die Heirat mit ihm durchsetzte. Doch das junge Glück dauerte nicht lang, die Prinzessin starb 1817 nach nur einem Jahr Ehe im Kindbett, auch das Baby überlebte nicht.

Nun setzte das berühmte „Baby-Wettrennen“ um den britischen Thron ein.
Neben dieser persönlichen Tragödie gab es natürlich politische Folgen, denn mit dem Tod von Charlotte stand England ohne Erben da. Die Prinzessin hatte zwar 11 Onkel und Tanten, doch keiner davon hatte legitime Nachkommen gezeugt! Das britische Parlament versprach sogar eine Sonderprämie für denjenigen, der ein erbberechtigtes Kind zeugen würde! Vier der inzwischen 40-jährigen Onkel begaben sich schnell auf Brautschau, einer davon war der Herzog von Kent, der 1818 – ausgerechnet –  die frisch verwitwete Schwester von Leopold heiratete.

Nach dem Tod von Prinzessin Charlotte begann das „Baby-Wettrennen“. (Bild: Bridgeman Art Library / picturedesk.com)
Nach dem Tod von Prinzessin Charlotte begann das „Baby-Wettrennen“.

Gewann diese das „Baby-Wettrennen“?
Ja, Leopolds Schwester brachte ein Mädchen zur Welt, das später als Queen Victoria eine ganze Epoche prägen sollte. Ihr leiblicher Vater starb kurz nach ihrer Geburt, so übernahm Onkel Leopold auch noch die Vaterstelle für das königliche Mädchen. Wegen dieser engen Bindung zu Englands künftiger Herrscherin wählte ihn das 1831 unabhängig gewordene Belgien schließlich zum König, denn man erhoffte sich dadurch die Unterstützung des mächtigen britischen Empire. Zu Recht, denn Leopolds Nachkommen regieren bis heute den belgischen Thron.

Leopolds Bruder erweiterte derweil in Kontinentaleuropa das familiäre Netzwerk, oder? 
Als Leopold in London sein Glück machte, war sein Bruder Ferdinand Georg gerade in Wien. Er war in die österreichische Armee eingetreten. Als hochdekorierter Offizier nahm er im September 1814 am Eröffnungsball des Wiener Kongresses teil. Dort lernte er die 18-jährige Komtess Maria Antonia Koháry kennen, sie war die Alleinerbin eines gewaltigen Vermögens. Die reiche Erbin verliebte sich in den feschen, aber mittellosen Prinzen und verlobte sich mit ihm.

Da Mitglieder von regierenden Häusern, auch wenn sie noch so klein und unbedeutend waren, im 19. Jahrhundert nicht nach „nach unten“ heiraten durften – wie löste man dieses gesellschaftliche Dilemma?
Trotz des gewaltigen Vermögens – das heute Milliarden entsprechen würde –, war eine Komtess einem Prinzen aus regierendem Haus natürlich nicht ebenbürtig. Deshalb wurde der Vater der Braut von Kaiser Franz in den Fürstenstand erhoben, sodass nun auch eine Coburg-Koháry-Ehe geschlossen werden konnte. Das junge Paar ließ sich in Wien nieder und begründete den reichen Koháry-Zweig des Hauses Coburg. Interessantes Detail: Weil das Vermögen der Braut, das in einer Stiftung gebunden war, laut Stiftungsvorgaben nur Katholiken erben durften, wurde das erzprotestantische Haus Sachsen-Coburg in Wien römisch-katholisch.

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Man sagte damals, dass früher oder später auf jedem Coburger-Kopf eine Krone landen würde.

Günther Fuhrmann

Die prestigeträchtigsten Heiratsallianzen der Coburger waren aber zwei königliche Eheschließungen.
Onkel Leopold, nunmehr König der Belgier, wollte den kometenhaften Aufstieg seiner Familie durch Eheschließungen absichern. Der erste Coup gelang in Lissabon: Dort regierte Königin Maria II. das Land und die junge Monarchin brauchte einen Gatten. Leopold arrangierte eine Ehe mit seinem Wiener Neffen Ferdinand, dem 1816 geborenen Sohn seines Bruders Ferdinand Georg und der Koháry-Erbin Maria Antonia. Aus der Ehe mit der Königin entstammte der portugiesische Zweig des Hauses Sachsen-Coburg, der bis 1910 dort regieren sollte.

Dann blickte Leopold nach London, dort gab es eine junge, unverheiratete Königin – die Siegerin des „Baby-Wettrennens“.
Auch für Nichte Victoria suchte Onkel Leopold einen Mann aus seiner Familie aus, es war Prinz Albert, der jüngere Sohn von Herzog Ernst von Sachsen-Coburg, der das Stammland regierte. Ernst war der älteste Bruder von Leopold, durch seine Heirat mit der Erbin von Sachsen-Gotha hatte er den Dynastienamen auf Sachsen-Coburg und Gotha erweitert.

Victoria, die junge britische Königin  (Bild: akg-images / picturedesk.com)
Victoria, die junge britische Königin 

Prinz Albert soll sehr gutaussehend gewesen sein, das half wohl bei der Brautwerbung.
Praktischerweise hatte Prinz Albert das gute Aussehen der Coburger geerbt, Cousine Victoria verliebte sich in den Cousin und heiratete ihn 1840. Aus der Ehe gingen neun Kinder hervor, die später den Ruf von Queen Victoria als „Großmutter Europas“ festigen sollten. So sehr die junge Königin ihren Albert auch liebte, die Engländer lehnten den „Deutschen“ ab und machten sich über seine „arme Herkunft“ lustig.

Lange blieb den Briten der ungeliebte deutsche Prinzgemahl nicht erhalten. 
Prinz Albert starb früh, mit nur 42 Jahren. Erst nach seinem Tod erkannten auch die Briten, welch unermüdlichen Einsatz der Coburger für seine Wahlheimat erbracht hatte. Viele Traditionen, die noch heute mit den britischen Royals in Verbindung gebracht werden, gehen auf Prinz Albert zurück.

Der gutaussehende Albert von Sachsen-Coburg (Bild: Roger Viollet / picturedesk.com)
Der gutaussehende Albert von Sachsen-Coburg

Man hat den Eindruck, dass auch viel gelästert wurde über die erfolgreichen Coburger. Deren Frauen wurden als zu ehrgeizig beschrieben, die Männer als Titeljäger.
Nur zwei Jahrzehnte, nachdem der mittellose Prinz Leopold von Sachsen-Coburg im Gefolge des russischen Zaren nach London gekommen war, saß seine Familie auf drei Königsthronen – über die halbe Coburgerin Victoria und ihren Ehemann Albert auf dem britischen, Leopold selbst auf dem belgischen und der Wiener Coburger Ferdinand auf dem portugiesischen.

Victoria als Herrscherin des Empire (Bild: akg-images / picturedesk.com)
Victoria als Herrscherin des Empire

Wie kamen die Coburger in den inneren Kreis der franzöischen Royals?
Die Coburg-Koháry-Prinzessin Victoire aus Wien heiratete den Herzog von Nemours, einen Sohn des französischen „Bürgerkönigs“ Louis Philippe. Ihr Bruder August wiederum nahm die französische Königstochter Clementine von Orléans zur Frau.

Auch der französische König Louis Philippe wurde zu einem Verwandten der Coburger. (Bild: Roger Viollet / picturedesk.com)
Auch der französische König Louis Philippe wurde zu einem Verwandten der Coburger.

Gab es nie Rückschläge bei diesem royalem Wachstum?
Man sagte damals, dass früher oder später auf jedem Coburger-Kopf eine Krone landen würde, doch so viel Erfolg stieß nicht überall auf Beifall. In Wien gab es allerdings den ersten großen Dämpfer. Man verweigerte Prinz August von Sachsen-Coburg am Kaiserhof die Anrede „Königliche Hoheit“ obwohl sein Bruder König von Portugal, seine Cousine Königin von England und sein Onkel König von Belgien war. Letzterer hatte ihm sogar diesen Rang offiziell verliehen, doch am Wiener Hof galt der neue Ruhm der Coburger noch nichts. Man war nur bereit ihn als „Durchlaucht“, nicht jedoch als „Königliche Hoheit“ zu begrüßen.

Für die damaligen höfischen Verhältnisse kam das wahrscheinlich einer Beleidigung gleich?
Das war ein ziemlicher Affront, der dazu führte, dass August Wien mied und mit seiner französischen Frau Clementine lieber beim Schwiegervater Louis Philippe in Paris blieb. Zumindest bis zur Revolution 1848, die Louis Philippe den Thron kostete.

Was kann man zum Haus Coburg heute sagen?
Das Haus Coburg ist auch heute noch eine regierende Familie und regiert unter dem Dynastienamen in Belgien.

Zur Person
Günther Fuhrmann
(Bild: Starpix / picturedesk.com)

Der Jurist und Historiker arbeitet im Museumsbereich sowie als Ausstellungskurator und Autor. Neben Büchern und Ausstellungen über den Koháry-Zweig des Hauses Sachsen-Coburg erforschte er auch den Exilhof der Bourbonen in Niederösterreich. Er gestaltete zudem zahlreiche historische Dokumentationen. Günter Fuhrmann lebt und arbeitet in Wien und im Weinviertel.

1917 legte das britische Königshaus den Namen Sachsen-Coburg ab und nahm den Namen „Windsor“ an. Grund dafür war der Erste Weltkrieg. Das Haus Sachsen-Coburg existiert heute noch in Deutschland, die Besitzungen des Herzogshauses sind nun in einer Stiftung zusammengefasst, zu der auch die Greinburg an der oberösterreichischen Donau gehört.

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