Ein renommierter Ökonom erhebt schwere Vorwürfe gegen die Handelspolitik der Trump-Regierung. Brent Neiman, Professor an der Universität Chicago und früherer Mitarbeiter des US-Finanzministeriums unter Präsident Biden, wirft dem Weißen Haus vor, seine wissenschaftlichen Erkenntnisse massiv falsch interpretiert zu haben – die weitreichenden Folgen sind bekannt.
In einem Gastbeitrag für die „New York Times“ erklärte Neiman nun, wie seine Forschung fälschlich herangezogen wurde, um die Höhe der von Präsident Donald Trump angekündigten „reziproken Zölle“ zu rechtfertigen. Tatsächlich, so Neiman, seien die berechneten Sätze etwa viermal so hoch, wie es seine Analyse zulässt.
Begründung fußt auf falschem Fundament
Die Trump-Regierung hatte kürzlich neue Zölle angekündigt: pauschal 10 Prozent auf alle Importe in die USA, für manche Länder sogar deutlich mehr – etwa auf italienischen Kaffee, japanischen Whisky oder asiatische Sportbekleidung.
Begründet wurden die Maßnahmen mit dem Prinzip der „Reziprozität“: Länder, die US-Produkte mit Zöllen belegen, sollten künftig selbst stärker zur Kasse gebeten werden.
Doch laut Neiman wurde diese Begründung auf einem falschen Fundament errichtet. In der veröffentlichten Methodik der US-Handelsbehörde (USTR) wird ausgerechnet auf eine Studie Bezug genommen, an der Neiman gemeinsam mit drei weiteren Ökonomen gearbeitet hat. Dabei sei jedoch ein zentraler Kennwert der Studie – der sogenannte „Pass-Through“-Wert – falsch übernommen worden.
Rechenfehler mit großer Wirkung
Konkret geht es um die Frage, wie stark sich ein Zoll auf die Importpreise in den USA auswirkt. In der Studie von Neiman und seinen Co-Autoren wurde etwa bei früheren Zöllen auf chinesische Waren ein Durchschlagseffekt von 95 Prozent festgestellt – das bedeutet: Wenn ein Zoll von 20 Prozent erhoben wird, steigen die Preise im Schnitt um 19 Prozent.
Brent Neiman ist Wirtschaftsprofessor an der Booth School of Business der Universität Chicago. Von 2022 bis Anfang dieses Jahres diente er im US-Finanzministerium unter Joe Biden als Berater des Ministers und stellvertretender Unterstaatssekretär für internationale Finanzen. Die wesentlichen Zoll-Berechnungen von Trumps Regierung basieren auf seiner Studie.
Die Trump-Regierung jedoch rechnete in ihrer Formel mit einem Pass-Through-Wert von nur 25 Prozent, was laut Neiman weder dem Stand der Forschung entspricht, noch mit seiner eigenen Arbeit begründet werden kann. Die Folge: Die berechneten Zollsätze fielen viermal höher aus, als sie laut Neiman sein dürften – selbst unter der Annahme, dass Trumps wirtschaftspolitisches Ziel, bilaterale Handelsdefizite zu beseitigen, überhaupt sinnvoll sei.
Trumps Pläne „ökonomisch unsinnig“
Neiman kritisiert nicht nur die technische Umsetzung der Zollformel, sondern auch das grundlegende Ziel: Die Trump-Regierung wolle mit Zöllen Handelsdefizite mit einzelnen Ländern ausgleichen. Das sei laut Neiman ökonomisch unsinnig. Handelsungleichgewichte entstünden durch viele Faktoren – etwa Ressourcenverteilung, Spezialisierung oder Entwicklungsstand – und nicht zwangsläufig durch unfairen Handel.
Er verweist auf ein berühmtes Zitat des Wirtschaftsnobelpreisträgers Robert Solow: „Ich habe ein chronisches Defizit mit meinem Friseur, der kauft nichts von mir.“ Genauso wie dieses Beispiel nichts über wirtschaftliche Ungleichheit aussage, sage auch ein Handelsdefizit mit Sri Lanka nichts über Handelshemmnisse aus.
Historisch hohe Zölle – mit globalen Folgen
Die nun angekündigten Zölle seien laut Neiman aber nicht nur ökonomisch fragwürdig, sondern auch historisch beispiellos: Die durchschnittlichen US-Zollsätze würden mit der neuen Politik den höchsten Stand seit über 100 Jahren erreichen. Sie treffen nicht nur große Volkswirtschaften wie China oder die EU, sondern auch kleinere Länder wie Jordanien oder Sambia.
Neiman fordert daher: Die gesamte Methodik müsse überarbeitet oder verworfen werden. „Aber falls das nicht geschieht, sollte man wenigstens die Ergebnisse durch vier teilen“, so der Wirtschaftsexperte.
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