Christian Thielemann

„Sagen Sie niemals Maestro zu ihm!“

Bühne
09.04.2025 08:52

Christian Thielemann steht zurzeit für einige Konzerte in Wien am Pult der Wiener Philharmoniker. Ab 13. April dirigiert er an der Staatsoper eine „Arabella“-Serie, am 27. April startet eine „Lohengrin“-Serie unter seiner Leitung: Jendrik Springer beschreibt die einzigartige musikalische Arbeit des Stardirigenten!

Der deutsche Stardirigent Christian Thielemann gastiert wieder einmal für eine Reihe von Konzerten und Opernaufführungen in Wien.

Einer, der den deutschen Stardirigenten besonders gut kennt, ist Jendrik Springer, musikalischer Assistent des Musikdirektors der Wiener Staatsoper, der viel mit Thielemann zusammenarbeitet und im „Staatsopernmagazin“ die musikalische Arbeit Thielemanns folgendermaßen beschreibt:

Zuallererst – sag nie Maestro zu ihm! Das rate ich allen Sängerinnen und Sängern, die zum ersten Mal mit Christian Thielemann zusammenarbeiten, gleich zu Beginn. Denn als „Maestro“ sieht er sich absolut nicht, lieber ist ihm „Kapellmeister“. Darunter versammeln sich für Thielemann zahlreiche Tugenden, die mit Professionalität, Handwerk und einer großen Ernsthaftigkeit zu tun haben. Das zeigt sich in vielen Aspekten seiner Arbeit. 

Er kann die Stücke buchstäblich auswendig
Ich kenne nicht viele Dirigenten, die schon bei Probenbeginn eine Partitur so gut studiert haben wie er. Bei ihm gilt tatsächlich der berühmte Satz: Besser die Partitur im Kopf als den Kopf in der Partitur. Er kann die Stücke buchstäblich auswendig. Nicht fotografisch auswendig, wie man es beispielsweise Daniel Barenboim nachsagt, aber in einer enormen Detailtiefe. So kann er bei Proben mitten in einer Tutti-Passage etwa ein drittes Fagott auf einen Flüchtigkeitsfehler an einer musikalisch gar nicht einmal exponierten Stelle aufmerksam machen. Wie er das macht? Er weiß es einfach!

Ein schönes Bild für diese akribische Kenntnis ist für mich die „Tristan und Isolde“-Premiere hier im Jahr 2003. Die Partitur lag vor ihm, jedoch blätterte er im Laufe des langen Abends nicht ein einziges Mal um – und beim Schlussakkord war sie immer noch auf Seite eins aufgeschlagen.

Intensiver Blickkontakt: Christian Thielemann  (Bild: Matthias Creutziger)
Intensiver Blickkontakt: Christian Thielemann 

Was er nicht macht, ist, am Anfang der Probenarbeit so etwas wie eine allgemeine Ansprache zu halten, in der er das Werk und seine Sicht darauf erläutert. Er ist absolut der Meinung, dass man einem Opernhaus bzw. Orchester mit entsprechendem internationalen Ruf Beethoven oder Strauss nicht zu erklären brauche.

Thielemann hat seine Augen überall 
Ein weiterer zentraler Aspekt seiner Arbeit ist der Blickkontakt. Thielemann legt größten Wert darauf, dass alle, vor allem auch die Sängerinnen und Sänger, ihn die ganze Zeit anschauen. Auch er schaut alle an, und zwar buchstäblich. Er hat seine Augen überall und schafft es, dass sich jeder Beteiligte persönlich und laufend angeschaut fühlt.

Dieser intensive Blickkontakt sorgt für eine ungemein organische Wiedergabe, die von den Musikern und Sängern immer wieder bestätigt wird. Es entsteht eine musikalische Einzigartigkeit und Geschlossenheit, die das Publikum ebenso wie die Mitwirkenden in den Bann zieht.

Ein zentrales Thema für Thielemann ist die Lautstärke. Für ihn geht es nicht darum, lautstark durch den Abend zu gehen. Er signalisiert oft mit seiner linken Hand ein „Weniger“, um die Musiker dazu zu bringen, differenziert zu spielen. Auch bei einem Fortissimo achtet er darauf, dass dieses nur dann zum Einsatz kommt, wenn es wirklich nötig ist.

Sein Motto ist: „Eigentlich sollte man nicht mehr als eine Stelle pro Akt haben, an der man es richtig krachen lässt.“ Und wenn er es dann krachen lässt, dann wird es auf eine ungemein effektvolle Weise getan, die die Spannung eines ganzen Aktes kulminieren lässt.

Ein weiteres wichtiges Element für Thielemann ist die genaue Diktion der Sänger. Er kann fast schon lästig auf einer gut verständlichen Aussprache beharren. Doch dies führt zu einer Wortgenauigkeit, die immer wieder aufs Neue fasziniert und die Aufführungen auf ein hohes künstlerisches Niveau hebt.

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