Demenz einfach zu ignorieren, kränkt Betroffene. Und fast so schlimm wie die Diagnose selbst ist die Ratlosigkeit, wie man darauf reagieren soll. Das zählt zu den überraschenden Ergebnissen einer großen Wiener Studie zum Thema, bei der Betroffene und ihre Angehörigen eingehend befragt wurden.
Wer glaubt, dass er dementen Personen und ihren Angehörigen etwas Gutes tut, wenn er im Umgang mit ihnen an der Krankheit „höflich vorbeischaut“, der irrt. Das verstärkt nur Gefühle des allein und ausgegrenzt Seins. Diese Gefühle sind ohnehin eines der größten Probleme abseits der eigentlichen Krankheit: Viele Erkrankte ziehen sich zurück, weil die Herausforderungen des Alltags für sie zu groß werden – und auch, weil sie niemandem „zur Last fallen“ wollen.
Kranke und ihre Angehörigen, aber auch Gesunde befragt
Der Einblick in die Wünsche, Anliegen und Sorgen von Erkrankten und ihren Angehörigen kommt aus einer großen Studie über Demenz durch den Fonds Soziales Wien (FSW). Befragt wurden Betroffene, aber auch ein allgemeiner, mit 1000 Befragten, repräsentativer Querschnitt durch die Bevölkerung. Und gerade dieser Teil der Studie zeigt: Wer nicht tagtäglich mit Demenz konfrontiert ist, sieht die Krankheit wohl zu optimistisch. Ein Drittel der Bevölkerung musste sich überhaupt noch nie damit auseinandersetzen.
Wichtig ist eine Sensibilisierung der Gesellschaft im Umgang mit an Demenz erkrankten Menschen. Information und Bewusstseinsbildung helfen auch bei der Entstigmatisierung.
Sabine Hofer-Gruber, Seniorenbeauftragte der Stadt Wien
Bild: FSW / Gregor Mohar
84 Prozent der erwachsenen Wiener glauben demnach, dass man es zu einem Gutteil selbst in der Hand hat, ob man an Demenz erkrankt oder nicht, weil man dem durch den eigenen Lebenswandel vorbeugen könne. 88 Prozent hoffen, dass sich die Auswirkungen der Krankheit zu einem Gutteil durch Medikamente lindern lassen können. Zugleich geben 46 Prozent zu, dass sie zu wenig über Demenz wissen. Sie wollen Informationen zu Vorsorge, Diagnose und Therapie, aber auch Tipps zum Umgang mit Kranken.
Erkrankung oft nur zufällig erkannt
Erwartbar war an der Studie vor allem, dass Erkrankte so lange wie möglich daheim leben wollen. Ein Warnsignal an die Gesundheitspolitik ist jedoch, dass die Diagnose bei vielen nur ein Zufallsfund war, und dass dann zum Schock auch noch organisatorische Überforderung folgt. Bei Angehörigen kommen oft noch Gewissensbisse dazu: Ihnen macht zu schaffen, dass sie die Symptome vor der Diagnose falsch gedeutet hätten und deshalb mit den Erkrankten falsch umgegangen wären.
Dass die Stadt genau zuhört, wenn es um die Anliegen von Demenzkranken geht, hat seinen Grund: Heute müssen rund 30.000 Menschen in der Stadt mit der Bürde leben. Das Altern der Gesellschaft wird diese Zahl schon in 25 Jahren auf 60.000 steigen lassen. Auch Gesundheitsstadtrat Peter Hacker macht klar: „Demenz gehört zur Lebensrealität vieler Menschen dazu, Tendenz steigend. Umso wichtiger ist, dass wir an allen Punkten im Sozialsystem ansetzen, um ein gutes Leben mit Demenz in Wien zu ermöglichen.“
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.