Der Angeklagte, nicht sehr groß, aber gedrungen, schaut starr und ohne jede Gefühlsregung in der ersten Stunde des Prozesses im Landesgericht Korneuburg vor sich hin. Jeweils 30 Minuten lang erörtern Staatsanwalt und Verteidiger ihre Gründe, warum Michael K. hier sitzt bzw. hier nicht sitzen sollte.
Für Pawle ist klar, dass die "nach außen getragene Sexualität und die Affinität zu jungen, zierlichen, schlanken dunkelhaarigen Frauen" des Angeklagten schuld am Tod Julia Kührers sind. Denn er habe Sex mit ihr gewollt, sie aber nicht mit ihm: "Sie war sein Traumtyp." Pawle präsentiert dann eine "Indizien-Kette", die aus dem Leichenfund im Erdkeller des Angeklagten in Dietmannsdorf, Handydaten, der blauen Decke mit DNA-Spuren und vor allem vielen Zeugenaussagen besteht.
"Will lückenlose Aufklärung dieses Unglücksfalls"
Für Verteidiger Rifaat ist dies alles "löchrig". "Ich will eine lückenlose Aufklärung dieses Unglücksfalls. Ich bin nicht bereit, einer These für einen Mord zu folgen, der so nicht stattgefunden haben kann." Denn für ihn stehe nicht fest, "wo, wie, wann und warum" sein Mandant das Mädchen umgebracht haben soll: "Es war helllichter Tag. Der Hauptplatz, wo seine Videothek ist, war belebt, die Videothek selbst ist eng, es gibt Nachbarn. Ein Lokalaugenschein des Gerichtes in Pulkau erscheint unerlässlich."
"Verschwörungstheorie von Jugendlichen"
Michael K. bekennt sich also nicht schuldig. Für ihn ist das alles eine "Verschwörungstheorie von Jugendlichen", die sich erst Jahre nach dem Verschwinden von Julia Kührer "plötzlich an Sachen erinnern können, obwohl sie schon mehrfach befragt wurden. Die Erinnerung setzte erst ein, als ich verdächtig war."
Schließlich habe es im Jahr 2010 bereits eine Hausdurchsuchung auf seinem Grund gegeben. Sein Anwalt: "Die war angekündigt. Mein Mandant hätte also Zeit gehabt, die Knochen mit einer Schaufel in ein Sackerl zu geben und irgendwohin zu bringen." Auch waren am Tatort Zigarettenstummel mit unbekannter DNA gefunden worden: "Herr K. raucht seit 20 Jahren nicht mehr." Und schließlich habe auch der Ex-Freund Julias, Thomas, einen Schlüssel zum Anwesen gehabt – er habe dort eine Hanfplantage anbauen wollen.
Praktikantin "beim Z'ammwischen zufällig" berührt
Richter Helmut Neumar will sich "ein Bild machen" von dem Angeklagten. Er konfrontiert ihn mit Zeugenaussagen. Skrupellos sei er gewesen, manipulativ, emotional und verbal gewalttätig. "Ah, des war a Narrische!", so der Konter von K. Eine Ex-Freundin von ihm soll er gar mit Waffengewalt entführt haben. Sie meldete sich aufgrund eines TV-Interviews. K.: "Das ist Mediengeilheit. Warum hat sie mich nicht angezeigt, wenn es so gewesen wäre?"
Eine Praktikantin habe es nur eine Woche ausgehalten in der Videothek, er habe sie an der Brust angefasst: "Kann sein, dass ich sie beim Z'ammwischen zufällig berührt hab..." Mit seinem Geschlechtsteil soll er auch mehrfach in seiner Videothek auf das Pult geklopft haben. K.: "Wie soll das gehen? Das Pult war brusthoch."
"Schau, wie traurig und wie schön sie ist"
In Bezug auf Julia Kührer kann er sich nur erinnern, dass er sie "vier, fünf Mal" gesehen hat. Immer mit einem Schwarm Jugendlicher. Ihre Freundin habe er attraktiv gefunden – "A Frau!", nicht aber seinen angeblichen "Traumtyp". Julia, "die war doch a Kind!" Und trotzdem schwärmte er dem neuen Pfarrer vor: "Schau, wie traurig und wie schön sie ist." K. dazu: "Ich hab damals nicht verstanden, dass das niemandem aufgefallen ist, dass die massive Probleme hat."
Angeklagter bestreitet Handel mit Drogen
Er habe nicht nur mit Videos "gedealt", sagt der Staatsanwalt, sondern auch mit der Droge Crystal Meth. Julia sei Kundin gewesen und wollte am Tag ihres Verschwindens bei ihm kaufen. Tatsächlich waren in Videohüllen Spuren der Droge gefunden worden, ebenso wie in der verbliebenen Hirnmasse der Toten. K.: "Was weiß ich, was die Leut mit den DVDs machen, die sie sich ausleihen. Ich habe mit Drogen nichts zu tun." Und die blaue Decke? Vielleicht sei sie beim Nachbarn runtergefallen, und er habe sie weggeräumt. Gekauft hätte er eine so teure Decke "nie".
Der vonseiten des Gerichts erwartete Publikumsandrang zu dem Verfahren trat ein. Zahlreiche Medienvertreter hatten sich akkreditiert. Rund 120 Menschen füllten schließlich den Schwurgerichtssaal. Das Beweisverfahren sieht rund 100 Zeugen und sechs Sachverständigengutachten vor, ehe am 24. September ein Urteil gefällt werden soll.
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