Umstrittenes Urteil

Darum bleibt der Tod einer Ärztin ungesühnt

Oberösterreich
09.04.2025 20:00

Er schrieb die Drohmails, gab es offen zu. Doch für den Tod von Lisa-Maria Kellermayr wird Roman M. (61) nicht zur Verantwortung gezogen. Und das, obwohl er sogar im Abschiedsbrief erwähnt wurde. Die Richterin nahm sich ausführlich Zeit, um den – noch nicht rechtskräftigen – Freispruch zu begründen.

Im Zweifel wurde der Bayer freigesprochen, obwohl er zugab, die Mails geschrieben zu haben, in denen er unter anderem drohte, dass „Kreaturen“ wie Lisa-Maria Kellermayr vor ein noch einzurichtendes „Volkstribunal“ gestellt würden. Diese Nachrichten und andere Drohmails eines noch nicht gefundenen Claas, in denen ihr ein qualvoller Tod in Aussicht gestellt wurde, sollen die Ärztin so in Angst und Schrecken verletzt haben, dass sie schlussendlich Suizid beging.

Daher war, abgesegnet vom Oberlandesgericht Linz, der 61-Jährige wegen „gefährlicher Drohung mit Todesfolge“ angeklagt. Und hier beginnen die juristischen Spitzfindigkeiten.

Denn nur wenn man dem Angeklagten eine Mitschuld am Suizid nachweisen kann, gibt es eine Möglichkeit zum Schuldspruch. Da nämlich die Drohungen in Deutschland verfasst und verschickt wurden, ist das österreichische Gericht nicht für die Verfolgung der „normalen“ gefährlichen Drohung zuständig.

Ungerührt hatte der angeklagte Roman M. (61) den Prozess am Welser Landesgericht verfolgt, brach erst am letzten Tag sein Schweigen.  (Bild: Wenzel Markus)
Ungerührt hatte der angeklagte Roman M. (61) den Prozess am Welser Landesgericht verfolgt, brach erst am letzten Tag sein Schweigen. 

Was konnte der Angeklagte wissen?
„Was konnte der Angeklagte wissen?“, war der Satz, um den sich alles drehte. Wusste er bei seinen ersten vier Nachrichten im Februar und März 2022, dass Lisa-Maria Kellermayr noch weitere Drohungen, auch mit Mord, erhalten hatte? Wusste er, dass sie wegen ihrer psychischen Vorbelastung besonders anfällig für diese Nachrichten war? Dies verneinte der Schöffensenat, denn die Morddrohungen waren nicht öffentlich bekannt.

Außerdem habe die Seewalchener Ärztin „resolut“ auf die Nachrichten geantwortet und habe daher nicht den Eindruck der Verunsicherung gemacht. „Damit gab es keine Vorhersehbarkeit des Suizids“, begründete die Richterin, warum die ersten Nachrichten nicht relevant waren. Denn die Vorhersehbarkeit war eines von zwei Kriterien für eine Verurteilung.

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Was konnte er zu diesem Zeitpunkt wissen? War die psychische Angeschlagenheit für ihn erkennbar? Wir haben dafür keine schlagenden Anhaltspunkte gefunden.

Richterin in der Urteilsbegründung

Die letzten drei Nachrichten
Das zweite Kriterium war der „Kausalzusammenhang“, also dass die Nachrichten unmittelbar mit dem Suizid in Zusammenhang zu bringen sind. Dazu waren drei weitere Nachrichten zu werten, geschickt am 24. Juli 2022, also fünf Tage vor dem Suizid von Lisa-Maria Kellermayr. Diese waren eine Antwort auf die Veröffentlichung der Kommunikation vom Februar und März, und der Angeklagte habe klarstellen wollen, dass er nicht „Claas der Killer“ war, und damit auch sein ursprüngliches Posting wieder gezeigt. 

Doch zu diesem Zeitpunkt gab es nachweislich schon Suizid-Pläne der Medizinerin, die diese auch verschriftlicht hatte. Und „es war nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen“, ob und welchen Einfluss die Nachrichten von Roman M. noch auf den „Suizidentschluss“ hatten. Und damit sei die „Mitkausalität zu verneinen“, erklärte die Richterin.

Die Stategie des Verteidigertrios Jessica Hamed, Martin Feigl und Sonja Fasthuber (v. li.) war erfolgreich. (Bild: Wenzel Markus)
Die Stategie des Verteidigertrios Jessica Hamed, Martin Feigl und Sonja Fasthuber (v. li.) war erfolgreich.

„Wir haben Zweifel“
Dass Roman M. namentlich im Abschiedsbrief an die Polizei genannt wurde, wurde vom Gericht nicht als entscheidend gewertet. Denn dieser Brief sei eine „Generalabrechnung“ mit allen, von denen sich Lisa-Maria Kellermayr bedroht oder schlecht behandelt fühlte – darunter Polizei, Staatsanwaltschaft oder Ärztekammer. Da darin einige Tatsachen, vor allem die erhaltene Hilfe, nicht korrekt dargestellt wurden, muss das ganze Schreiben vorsichtig gelesen werden. „Hat sie den Angeklagten im Abschiedsbrief namentlich erwähnt, weil er wirklich ein Mitgrund für ihren Suizidentschluss war? Wir haben Zweifel“, sagte die Richterin. 

Zurück nach München
Die Staatsanwälte müssen bis Montag entscheiden, ob sie gegen das Urteil berufen. Falls nicht, wird es rechtskräftig und die Verfolgung der gefährlichen Drohung wird zurück an die Münchner Justiz gegeben. Da in Bayern aber schon entschieden wurde, dass es „keinen Anfangsverdacht“ gibt, werde die „Volkstribunal“-Drohung für Roman M. vermutlich ohne rechtliche Folgen bleiben. Bleibt auch ein gewisser „Claas“, der konkrete Morddrohungen schrieb, im Darknet unerkannt, wird der Tod von Lisa-Maria Kellermayr ohne juristische Folgen bleiben.

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