Nach jahrelanger Wohnungslosigkeit erlebt Herr V. seine kleine Wohnung in Wien-Favoriten als Glück, das ihm seine Würde zurückgibt. Der „Krone“ erzählte er von seinem Abrutschen in die Obdachlosigkeit, seinem Weg zurück und was ihn von denen unterscheidet, die er hinter sich ließ.
Eine kärglich eingerichtete Einzimmerwohnung in Favoriten. Für Mietek V. ist sie das Höchste. Denn das ist seine erste eigene Wohnung nach sieben Jahren Obdachlosigkeit.
„Krone“: Herr V., wie wurden Sie obdachlos?
Mietek V.: Mich hat es aus Polen über Deutschland nach Österreich auf die Suche nach Arbeit verschlagen und ich konnte nichts anderes finden als Schwarzarbeit. Dann hatte ich einen schweren Unfall. Ich wurde von einem Auto angefahren. Schulter kaputt, Knie kaputt, alles kaputt. Ich konnte nicht mehr arbeiten und mir meinen Platz in einer Wohnung in der Leopoldstadt nicht mehr leisten, die wir uns zu mehrt geteilt haben. Dann bin ich kurz zu meinem Bruder übersiedelt. Aber ich wollte ihm nicht zur Last fallen. Also bin ich ins Nordlicht gegangen (Obdachloseneinrichtung der Volkshilfe Wien, Anm.).
Wie lange ist das her?
Das war vor acht Jahren. Insgesamt sieben Jahre war ich dort und in anderen Heimen. Manchmal hatte ich ein bisschen Arbeit, dann wieder nicht. Ich wollte immer arbeiten, aber es ist ein Teufelskreis: Ohne eigene Adresse und eigenes Konto keine Anstellung, und ohne Anstellung kein Geld für eine eigene Wohnung.
Und wie sind Sie zu dieser Wohnung gekommen?
Die Volkshilfe hat mir mit Beratung geholfen und ist mit mir zu den richtigen Behörden gegangen. Sonst findest du keinen Weg aus diesem Teufelskreis. Aber ich habe mir auch selbst immer das Ziel gesetzt, da wieder rauszukommen. Da bin ich vielleicht anders als andere. Wenn ich nichts anderes arbeiten konnte, habe ich mich im Nordlicht in die Küche gestellt und Gemüse geschnitten. Einmal habe ich Eierspeise für alle gemacht – aus 160 Eiern! (lacht) Und seit vier Jahren rühre ich keinen Alkohol mehr an. Irgendwann bin ich einmal am Praterstern vorbeigegangen und habe beschlossen: Trinken und stinken – das will ich nie sein.
Das Schönste ist das Wissen, dass ich etwas habe, das nur für mich da ist. Egal, ob ich gerade daheim bin oder nicht.
Mietek V.
Bild: Volkshilfe Wien / John Kücükcay
Wie war das, wieder ein Zuhause zu haben?
Eine Wohnung und ein Zuhause zu haben, das sind zwei verschiedene Dinge, habe ich herausgefunden. Am Anfang hat es sich so angefühlt, als würde ich nicht hierhergehören.
Aber inzwischen fühlen Sie sich hier daheim?
(strahlt) O ja!
Was war das Schönste daran, wieder eine eigene Wohnung zu haben?
Dass den Sessel hier und das Bild dort ich allein aussuchen habe können, und zwar deswegen, weil sie mir gefallen. Und das Wissen, dass ich etwas habe, das nur für mich da ist. Egal, ob ich gerade daheim bin oder nicht.
Gar nicht, dass Sie nun die Türe hinter sich zumachen können und hier allein bestimmen können?
Daran muss ich mich erst gewöhnen. Ich habe sieben Jahre lang jeden Tag mit 100 Leuten geteilt. Das ist auch eine Art Entwöhnung, die es dann braucht.
Was wollen oder brauchen Sie noch für Ihre Wohnung?
Gar nichts. Ich habe alles, was ich will.
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