Nach einem Gerichtsurteil haben sowohl Opfer als auch Täter häufig Schwierigkeiten, die persönlichen Folgen einer Straftat aufzuarbeiten. Nun erprobt man in Tirol, Salzburg, Kärnten und Wien eine neue Form der Konfliktlösung ...
Peter S. steht sichtlich nervös vor einer verschlossenen Tür. In wenigen Minuten wird er erstmals seiner Ex-Partnerin gegenübersitzen, die er vor vier Monaten bei einem Streit verprügelt hat. Mittlerweile bereut er seinen Fehler sehr. Doch dem Tiroler brennen gleich mehrere Fragen unter den Fingernägeln, die er der Mutter der gemeinsamen Tochter nicht mehr einfach so stellen kann. „Wie hat sie das Ganze erlebt? Was wünscht sie sich von mir, damit sie besser damit abschließen kann? Und vor allem: Wird sie mir irgendwann verzeihen können?“ Gleich hat er die Möglichkeit, diese Fragen zu stellen.
Freiwilliges und kostenloses Angebot
Denn der Bewährungshilfeverein Neustart testet derzeit in Tirol, Salzburg, Kärnten und Wien eine neue Form des Tatausgleichs in der Justiz: den Opfer-Täter-Dialog. „Das Angebot ist freiwillig, kostenlos und wird von eigens ausgebildeten Konfliktreglern begleitet“, sagt Kristin Henning, Leiterin von Neustart in Tirol. Abseits der rechtlichen Aufarbeitung haben die Betroffenen damit die Möglichkeit, vor oder nach einem Gerichtsurteil die persönlichen Folgen einer Straftat untereinander zu klären. „Dabei muss das Opfer nicht unbedingt auf den Täter oder die Täterin treffen“, betont Henning. Botschaften oder Fragen können auch schriftlich übermittelt werden.
Die Teilnahme am Opfer-Täter-Dialog ist freiwillig. Derzeit werden Opfer und Beschuldigte in Briefen über das Angebot informiert.
Kristin Henning, Leiterin vom Neustart in Tirol
Bild: Verein Neustart
Bislang war ein Tatausgleich nur bei einer diversionellen Erledigung einer Straftat möglich. Nun kann es zu einem Opfer-Täter-Dialog aber auch bei Strafverfahren kommen, bei denen aufgrund von einer Vorstrafe des Angeklagten oder der Art des Delikts eine außergerichtliche Einigung verwehrt blieb oder bleibt.
„Oft hilft eine schlichte Entschuldigung“
„Für das Opfer kann eine Auseinandersetzung mit dem Täter wichtig sein, um eine Form von Abschluss zu finden“, weiß Henning. Ein Gerichtsprozess oder ein Urteil schaffen zwar eine juristische Klärung der Tat, eine persönliche Aufarbeitung sei dabei aber oft nicht möglich. „Oft hilft auch eine schlichte Entschuldigung.“ Der Opfer-Täter-Dialog fördere aber auch die Resozialisierung der Täter und wirke präventiv, ist man beim Verein Neustart überzeugt.
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