Daniel Aschheim, ein Diplomat aus Israel, hat ein bemerkenswertes Buch über österreichischen Kanzler mit jüdischen Wurzeln geschrieben.
„In den 1970er-Jahren war er der meistgeliebte Politiker in Österreich und der meistgehasste Politiker in Israel“, sagt Daniel Aschheim im Gespräch mit der „Krone“. Die Rede ist von Bruno Kreisky, dem der junge israelische Diplomat seine sehr differenzierte Doktorarbeit gewidmet hat, die jetzt unter dem Titel „Kreisky, Israel und die Juden“ auf Deutsch als Buch erschienen ist.
Einen Kämpfer für den Frieden nennt der Autor den langjährigen österreichischen Kanzler, der fest davon überzeugt war, dass es keinen Frieden in Nahost ohne einen Staat für Israel und einen für Palästina geben könne. Eine Haltung, für die Kreisky Skepsis und Hass erntete – aber auch Bewunderung.
In seinem Buch, das sich nicht als Biografie versteht, beschreibt Aschheim die komplexe und oft auch widersprüchliche Identität Kreiskys als österreichischer Jude und Politiker. So reagierte Kreisky allergisch, wenn israelische Politiker ihn an sein Jüdischsein erinnerten. Für Kreisky spielte das keine Rolle, er sah sich vielmehr als Nachfahre Österreich-Ungarns.
„So sehr ich mich auch bemühe, ich seh nicht, warum mir das Land meiner wirklichen Vorfahren weniger lieb sein sollte als ein Wüstenstreifen, mit dem ich nichts zu tun habe.“ Zionist war er also definitiv nicht, er bezeichnete die Gründung Israels vielmehr als „Experiment“, dem er sich „persönlich nicht verpflichtet fühlt“. Naturgemäß nahmen ihm das viele in Israel sehr übel.
Gleichzeitig, so erzählt Aschheim, lag Kreisky das Wohlergehen Israels am Herzen, und er unterstützte regelmäßig seinen nach Jerusalem ausgewanderten Bruder, der finanziell nie richtig Fuß hatte fassen können, und erzählte Freunden voll des Stolzes, dass sein Neffe in der israelischen Armee diene.
Außerdem war Kreisky damals der einzige Politiker, der es in großem Stil Juden aus der Sowjetunion ermöglichte, nach Israel auszuwandern – über ein eigens eingerichtetes Flüchtlingslager in Bad Schönau. Das führt in der Folge sogar dazu, dass palästinensische Terroristen in Marchegg jüdische Migranten und einen österreichischen Sicherheitsbeamten als Geiseln nahmen.
Kreisky gab den Forderungen der Attentäter nach, schloss das Lager in Bad Schönau und rettete damit die Leben der Geiseln. In Israel wurde er für dieses „Einknicken“ vor dem Terror allerdings massiv kritisiert. Es kam in Kreiskys Villa zum offenen Streit mit der damaligen Regierungschefin Golda Meir, die ihn in der Folge (fälschlicherweise) beschuldigte, ihr nicht einmal ein Glas Wasser angeboten zu haben.
Die Emigration sowjetischer Juden über Österreich nach Israel ging in der Folge ungehindert weiter. Kreisky eröffnete kurzerhand ein neues Transitlager ...
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