Schauspielhaus Graz

„Immer noch hier“: Treffen sich drei im Altersheim

Steiermark
12.04.2025 13:00

Regisseurin Rebekka David (Jahrgang 1993) gilt als Expertin dafür, Klassiker auf die Bühnen der Gegenwart zu holen. Am Schauspielhaus Graz versetzt sie drei greise Helden der Weltliteratur ins Altersheim: Shakespeares König Lear, Molières Harpagon und Tschechows Wanja. Nur streckenweise ein Erfolg.

Sie keuchen und hüsteln, ihre Knie schlottern, ihre Hände zittern. Der Fernseher hat die Form eines Würfels. Lear, Harpagon und Wanja sind dort gelandet, wo viele nur noch wegschauen: im Altersheim. Oder wie es am Schauspielhaus heißt: am „Institut zur Überwindung der Angst vor dem Alter“, geleitet und vorgestellt von einem perfekt besetzten Dr. Rudi (Widerhofer) im weißen Kittel. Man könne sich als Junger nicht vorstellen, „dass einem das Alter zustoßen könnte“, sagt er. „Wo kommen denn plötzlich diese ganzen Geschlechter her? Und wer ist dieser Seitan?“

Die Verstrickung von Molières, Shakespeares und Tschechows Figuren klingt erst einmal kompliziert, aber Vorwissen ist nicht nötig. Im hässlichen Altersheim (Bühne: Robin Metzer) kommt Wanja mit Glitzer-Gehstock daher, träumt zum Frühstück vom Wodkatrinken und bemitleidet sich selbst. Sarah Sophia Meyer gibt sich klapprig und – wie alle – über alle Maßen übertrieben. Mario Lopattas Harpagon (aus Molières „Der Geizige“) fürchtet, dass ihm Heiratsvermittlerin Frosine (Dominik Puhl) mit Dauerwerbesendungen etwas andrehen könnte. Und der demente König Lear (stark: Simon Kirsch) sucht in der Pflegerin Sonja (Anna Klimovitskaya) seine verlorene Tochter. So geht es hin und her zwischen den bemitleidenswerten Figuren: Sie baden ihre Füße und schnepfen sich gegenseitig Aktivia-Joghurt ins Gesicht. Der Slapstick-Humor wirkt flach. Ja, man spielt mit Klischees, aber was übrig bleibt ist das Gefühl einer Parodie auf Kosten alter Menschen.

Das Ensemble und der tolle Chor der „Expert:innen des Alltags“  (Bild: Joe Ambrosch)
Das Ensemble und der tolle Chor der „Expert:innen des Alltags“ 

„Expert:innen des Alltags“ wirken mit
Das verwundert umso mehr, als nicht nur U-40-Jährige an der Produktion beteiligt waren, sondern auch „Expert:innen des Alltags“, also Altersheim-Bewohner Ü-80. Regisseurin Rebekka David arbeitet partizipativ – auch dafür ist sie bekannt. Doch die Rolle der „echten“ Senioren bleibt weitgehend passiv: Sie sitzen am Bühnenrand und beobachten, legen im Hintergrund Angeln aus. Umso menschlicher ist der Moment, als eine Frau in Dialog mit Wanja tritt, umso famoser das Bild, als alle Sonnenbrillen zücken und der Chor „Forever Young“ singt.

Nach 45 Minuten verschwindet mit dem ersten Bühnenbild auch der flache Humor. Das Ensemble findet sich wieder in einem herbstlichen Garten: Hütte, ein kleiner Teich, eine Bushaltestelle. Es geht bergauf mit dieser Inszenierung, wenn sie sich selbst ernst nimmt: Unter dem herabfallenden rotbraunen Laub gelingen dem Ensemble starke Momente.

Der Trost kommt am Ende
Überalterung, Pflegenotstand, Selbstoptimierungsdruck, das Unsichtbarwerden von Frauen: Alle diese Themen werden angeschnitten, aber nicht auserzählt. David und Ensemble reflektieren dort ein wenig und da ein bisschen. Was fehlt, ist der Fokus, das Ziel vor Augen.

Zum Ende hin ist es Dominik Puhl, der die interessanteste Perspektive dieses Abends ausspricht: „Was soll mir mit meinen hundert Jahren denn noch passieren?“ Wieso nicht in Freiheit leben, wenn es der Körper zulässt? Alle sitzen gemeinsam an einer langen Tafel, als die letzte Kerze ausgeht. „Das Beste kommt am Ende“ – im Leben vielleicht und an diesem Theaterabend eindeutig.

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