Die hochansteckende Maul- und Klauenseuche (MKS) bedroht Österreich. Wie sich das Land rüstet und was eine Impfung bringt. Warum die nächsten Tage entscheidend sind. Und welche Horror-Erinnerungen die Seuche bei älteren Landwirten weckt. Ein Überblick.
Seit einem Monat müssen in Ungarn und der Slowakei Tausende Rinder notgeschlachtet werden, weil eine Infektion mit der Maul- und Klauenseuche binnen kürzester Zeit die gesamte Herde betrifft. Das Virus befällt auch Schweine, Schafe, Ziegen, Büffel, Alpakas und Wild. Dabei bilden die Tiere am Euter, an den Klauen und im Maulbereich Blasen, die zu starken Bewegungsschmerzen, Fressunlust und hohem Fieber führen können.
Weil die Übertragung der Erreger auch über tierische Produkte, kontaminierte Transportfahrzeuge und die Luft erfolgt, wurde in Österreich ein Einfuhrverbot für Lebendtiere empfänglicher Arten sowie für Frischfleisch, Rohmilch, Gülle, Mist, Futtermittel, Jagdtrophäen und Wildfleisch erlassen. Vor einer Woche mussten 24 kleine Grenzübergänge im Burgenland und in Niederösterreich geschlossen und Seuchenteppiche an offenen Kontrollpunkten ausgerollt werden.
Warum eine Impfung nur bedingt hilft
Zudem werden in allen Betrieben in der Überwachungszone und der weiteren Sperrzone Tupferproben aus der Nase und dem Maul der Tiere entnommen und von der AGES ausgewertet. Ob auch eine prophylaktische Impfung, die es bislang in der EU nicht gibt, kommt? „Bis in die frühen 1990er-Jahre war es in vielen europäischen Ländern üblich, Tiere vorsorglich gegen MKS zu impfen. Doch das allein hat sich nicht als geeignet erwiesen, um die Seuche erfolgreich zu bekämpfen“, sagt Florian Fellinger, Seuchen-Experte im Gesundheitsministerium.
„Finanzieller Kraftaufwand mit ungewissem Nutzen“
Zwar könne mit der Impfung das Risiko einer klinischen Erkrankung gesenkt werden – dennoch können geimpfte Tiere Virusträger sein, ohne selbst Symptome zu zeigen. Die „Antigenreserve“ im Körper erschwere die Diagnose, da die Tiere immun erscheinen. Weltweit gibt es sieben verschiedene MKS-Stämme mit rund 80 Subtypen. Eine Impfung schützt nur gegen einen Subtyp – gegen andere Varianten ist sie wirkungslos. „Um in einem Seuchenszenario eine Immunität zu gewährleisten, müssten alle empfänglichen Tiere mehrmals im Jahr gegen unterschiedliche Subtypen geimpft werden – ein logistischer und finanzieller Kraftakt mit ungewissem Nutzen“, erklärt Fellinger.
Bei älteren Bauern sitzt die Angst tief: Sie erlebten 1973 den ersten Ausbruch! „Beinahe in jeder Ortschaft waren bei uns Seuchenteppiche ausgelegt. Sie waren mehrere Meter lang und bestanden eigentlich nur aus Sägespänen, die aber feucht gehalten werden mussten. Sonst hätte das Desinfektionsmittel nicht geholfen“, erinnert sich Franz Fischer, damals Bauernbub und heute Ortschef von Raabs an der Thaya (NÖ).
Die verheerende Seuche war unter anderem im Wald- und Weinviertel – im kalten Winter des Jahres 1973 – ausgebrochen. Für die Landwirte war es der Beginn eines monatelangen Albtraums. Denn keiner von ihnen wusste, welcher Hof als nächster betroffen sein würde. Vor allem der Schock des Keulens hat sich bis heute ins kollektive Gedächtnis der älteren Landbevölkerung eingebrannt. 80.000 Tiere, darunter ein Lama, mussten notgeschlachtet werden. Der Schaden betrug rund 150 Millionen Schilling (inflationsbereinigt rund 54,5 Millionen Euro).
Das passiert, wenn die Seuche tatsächlich ausbricht
Im Ernstfall käme ausschließlich die „Suppressiv-Impfung“ zum Einsatz. Dabei werden nur Tiere in bereits betroffenen Betrieben geimpft, um die Virusausscheidung kurzfristig zu verringern und Zeit für Keulungen, Desinfektionsmaßnahmen und die Kadaverentsorgung zu gewinnen. Die Inkubationszeit beträgt zwischen zwei und 14 Tagen. Laut EU-Recht müssten auch geimpfte Tiere getötet werden, sagt Fellinger.
Österreich ist über die europäische Impfstoffdatenbank abgesichert. Sollte eine Suppressiv-Impfung notwendig werden, kann der Impfstoff rasch über die Europäische Kommission beschafft werden.
Seuchen-Experte Florian Fellinger
Der wirtschaftliche Faktor spielt eine große Rolle: „Die Impfung gilt als unverhältnismäßig teuer, der Status ,MKS-frei ohne Impfung‘ würde verloren gehen. Dieser ist ein wichtiges Kriterium für den Handel mit Tieren und tierischen Produkten.“ Obwohl es bei uns bisher noch keine Fälle gibt, haben Großbritannien, Japan, Kanada, die USA und Bosnien bereits Fleischimporte aus Österreich gestoppt.
In Österreich haben gestern die Osterferien begonnen. Aufgrund der erhöhten Reiseaktivitäten steigt in den nächsten Tagen das Risiko, dass die Maul- und Klauenseuche auch hierzulande eingeschleppt wird. Echtes Gefahrenpotenzial bergen dabei natürlich Rückreisen aus Ungarn und der Slowakei, wo Fälle bereits aufgetreten sind.
Längere Wartezeiten ab Gründonnerstag
Beginnend mit Gründonnerstag wird speziell auf der Weststrecke Richtung Ungarn eine starke Reisewelle erwartet. Der Grund dafür ist, dass der Karfreitag in Deutschland, Tschechien, Slowakei und Ungarn ein Feiertag ist.
Mit intensiven Kontrollen an den Grenzen soll das verhindert werden. Zugleich müssen die Autos über Seuchenteppiche fahren. Am Samstag kam es deshalb im Reiseverkehr zu kleineren Verzögerungen. Autofahrer hätten „vermehrt mit Wartezeit“ zu rechnen gehabt, teilte der ÖAMTC mit.
Auswirken werden sich die intensiven Grenzkontrollen vor allem aber beim Rückreiseverkehr am Ostersonntag und Ostermontag. Längere Wartezeiten an den Grenzübergängen sind vorhersehbar. Die Experten des ÖAMTC rechnen etwa mit mehr als einer Stunde Zeitverlust am Grenzübergang Nickelsdorf (A 4) am Ostermontag.
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