Wajdi Mouawads Monumentalkammerspiel „Die Wurzel aus Sein“ beeindruckt in Stefan Bachmanns Inszenierung am Akademietheater.
Der Regisseur Stefan Bachmann hat eine erprobt glückliche Hand für die Gegenwartsdramatik. Eine Wolfgang-Bauer-Uraufführung vor 30 Jahren am Wiener Schauspielhaus ließ ihn zum Begriff werden. Ein Jahrzehnt später konnte er sein Profil als Hausregisseur des Burgtheaters an Elfriede Jelinek und Kathrin Röggla schärfen. 2018 rief er sich dort mit Ferdinand Schmalz’ „Jedermann“-Paraphrase derart nachdrücklich in Erinnerung, dass er heute das Haus leitet. Und vor 18 Jahren brachte er am selben Ort die Familientragödie „Verbrennungen“ des libanesisch-kanadischen Dramatikers Wajdi Mouawad heraus. Nun schließt er mit dem monumentalen Kammerspiel „Die Wurzel aus Sein“ an den Erfolg von damals an.
Das Stück ist sprachmächtig und dialogstark, brillant konstruiert und so kompliziert wie faszinierend: Der Libanese Talyani Waqar Malik reagiert in fünf Lebensvarianten – vom Neurochirurgen in Rom bis zum Insassen einer texanischen Todeszelle – auf die Explosion des Hafens von Beirut im August 2020. Wie Bachmann die sich zusehends abstrahierenden, endlich ineinander verfließenden Ereignisse zu ordnen versteht, ohne dass der Faden verlorengeht, ist beeindruckend. Er hält auch dreieinhalb Stunden die Spannung, zwar manchmal mit letzter Kraft, aber doch so, dass man sich dem Gebotenen nicht entziehen will.
Das Ensemble um den Multi-Protagonisten Thiemo Strutzenberger begeistert durch punkt-, zuletzt sekundengenaue Verwandlungsfähigkeit. Ohne technische Hilfe entwerfen Markus Hering, Melanie Kretschmann, Franziska Hackl, Martin Reinke, Tim Werths und (wirklich) alle anderen auf leerer Bühne zwei Dutzend präziser, fesselnder, im Bedarfsfall rasierklingenscharf überzeichnender Gestalten. Kein einfacher, aber ein erlebenswerter Abend.
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