Osterfestspiele

Salzburg sucht seine Größe in Mussorgskis Moskau

Kritik
13.04.2025 13:22

Die großartige Historien-Oper „Chowantschina“ bleibt bei den Osterfestspielen in Salzburg weitgehend hinter den Erwartungen zurück. In durchwachsener Besetzung lassen sowohl die Inszenierung von Simon McBurney als auch das Dirigat von Esa-Pekka Salonen zu viele Wünsche offen.

Großes Historienpanorama. Großes Festspielhaus. Große Osterpremiere. Doch all diese Größe wurde diesmal nur bedingt erreicht. Aus mehrerlei Gründen. Mussorgskis Musikdrama verlangt Stimmen, große, strahlende, mächtige. Das funktioniert in Salzburg wunderbar beim Titelhelden. Der Ukrainer Vitalij Kowaljow lässt seinen prächtigen Bass viril und kraftvoll tönen und gibt dem brutalen Machtmenschen Fürst Iwan Chowanskij damit das zwingendste Profil des Abends. Da muss sich der bestens erprobte Dosifej von Ain Anger doch hinter ihm einreihen. Der dritte Bass in der Runde, Schaklowityi, steht gänzlich auf verlorenem Posten. Daniel Okulitch singt und spielt ihn kultiviert, oberflächlich wohlig und brav – und ist damit keine Sekunde ein tödlich gefährlicher, hinterhältiger Intrigant.

In der Tenorliga kann zumindest Thomas Atkins als Andrej Chowanskij lyrisch etwas mehr punkten als Matthew White, dessen Golizyn sogar in den diesmal nicht gerade übermächtigen Orchesterklängen untergeht. Die Marfa hat in Nadezhda Karyazina eine starke Darstellerin, deren hübscher, etwas flirrend flackriger Mezzosopran dann doch zu leicht ist, um dieser mächtigen weiblichen Zentralfigur die rechte Statur zu geben.

So wie sie sucht auch „Chowantschina“-Volk sein Format. Slowakischer Philharmonischer Chor und Bachchor Salzburg sind ordentlich einstudiert und doch hat man gerade die Chorstellen, die hier die vielleicht wichtigste Funktion besitzen, schon deutlich eindrücklicher erlebt.

Aber vielleicht liegt es auch an der Inszenierung. Nachdem es sich um eine Koproduktion mit der New Yorker Metropolitan Opera handelt, musste wohl auf deren Bühnen-Dimensionen Rücksicht genommen werden. Das Cinemascope der Festspielhausbühne, das ein großes Asset für die breit angelegte Erzählung hätte sein können, wurde in der praktikablen uninspirierten Bühne von Rebecca Ringst auf halbe Größe verengt. Und hat so wohl auch die Fantasien von Regisseur Simon McBurney eingedämmt. Er verlegt das Drama um Umsturz, Intrige, Mord und Massen-Exodus der Altgläubigen zwar brav ins Heute, lässt auch ein bisschen live filmen, enttäuscht aber mit weitgehend fader Personenführung und konventionellen Arrangements.

Größe fehlt dann genauso dem wenig inspirierten Dirigat von Esa-Pekka Salonen am Pult des Finish Radio Symphony Orchestra, das in seinem braven Spiel über einen weniger tragfähigen Allerweltsklang nicht hinauskommt. Da hilft dann weder eine wiedergefundene Manuskriptseite der unvollendeten Oper, noch eine Neuinstrumentierung, um die Orchestrierungen von Schostakowitsch mit dem leise verklingenden Schluss von Strawinsky schlüssig(er) zu verbinden.

Der Vergleich macht sicher: Mit dem legendären Wiener Dirigat von Claudio Abbado 1989, der das kurz davor wiedergefundene Strawinsky-Finale auf Schostakowitsch folgen ließ, oder auch damit, wie Semyon Bychkov bei der letzten Wiener Neuproduktion 2014 in der Schostakowitsch-Fassung Großes gelang.

Dunkel raunende oder mit Naturlauten spielende Sounddesigns von Tuomas Norvio sorgen jetzt in Salzburg sogar für zusätzliche Zäsuren, die das vorgeblich enger Zusammengeführte doch wieder zerfransen und ausbremsen. So wie Fürst Chowanskij kurz vor seinem Tod Russland wieder groß machen möchte, muss man also auch im Oster-Salzburg auf die Wiederkehr der Berliner Philharmoniker unter Kirill Petrenko im nächsten Jahr hoffen.

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