Die österreichische Bundesregierung plant eine Kehrtwende bei militärischen Beschaffungen: Künftig sollen Gegengeschäfte – offiziell als „industrielle Kooperationen“ bezeichnet – wieder forciert werden. Es sei eine „Frage des Hausverstands“, so Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP).
Der Minister erklärte im Ö1-„Mittagsjournal“, es sei eine „Frage des Hausverstands“, dass auch die heimische Industrie profitiere, wenn Milliarden in die Verteidigung investiert würden. Andere Länder wie die Niederlande machten es regelmäßig vor, so der Minister.
Verteidigungsministerin zurückhaltender
Auch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) äußert sich grundsätzlich positiv, aber zurückhaltender. Gegenüber dem „Kurier“ betonte sie, man achte auf dem Weg zu einer modernen Armee darauf, möglichst viele Aufträge in die österreichische Wirtschaft zu lenken – soweit es rechtlich möglich sei.
Ein drastisches Beispiel für den bisherigen Verzicht auf Gegengeschäfte liefert der Rüstungsdeal aus dem Jahr 2024: Österreich bestellte gemeinsam mit den Niederlanden neun Embraer-Transportflugzeuge des Typs C-390M. Anders als die Niederlande, die Produktionsaufträge auch für die österreichischen Maschinen lukrierten, ging die heimische Industrie dabei leer aus.
„Gegengeschäfte“ in Österreich vorbelastet
Ein Grund für die langjährige Zurückhaltung: Der Begriff „Gegengeschäft“ ist in Österreich seit dem Eurofighter-Skandal belastet. Der Kauf der Abfangjäger vor zwei Jahrzehnten führte zu einem Untersuchungsausschuss, offene Strafverfahren bestehen bis heute. 2017 wurden Gegengeschäfte vom damaligen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) sogar explizit verboten.
Neuausrichtung vorsichtig formuliert
Um Korruptionsrisiken künftig auszuschließen, soll laut Hattmannsdorfer eine staatliche Rüstungsagentur die Abwicklung und Überwachung übernehmen. Zusätzlich verweist das Verteidigungsministerium auf eine unabhängige Beschaffungsprüfungskommission, die laufend Aufträge kontrolliere.
Im aktuellen Koalitionsprogramm ist die geplante Neuausrichtung vorsichtig formuliert: Von „international üblichen Industrie-Kooperationen“ ist die Rede. Insider sehen darin eine klare Rückkehr zur Praxis von Gegengeschäften – unter neuem Namen und mit strengeren Regeln.
Auch positive Beispiele vorhanden
Beispiele für erfolgreiche Einbindung heimischer Unternehmen existieren bereits. So wurden bei der Modernisierung von Kasernen über 90 Prozent der Aufträge an regionale Betriebe vergeben. Bei der Beschaffung von über 200 Pandur-Radpanzern waren mehr als 200 österreichische Unternehmen beteiligt, mit einer Wertschöpfung von über 70 Prozent im Inland.
Details zu weiteren geplanten Beschaffungen stehen noch aus. Im Verteidigungsministerium verweist man auf laufende Budgetverhandlungen. In dieser Legislaturperiode steht jedenfalls noch eine Entscheidung über den Eurofighter-Nachfolger an.
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