Geheime Task-Force

Trump bläst zur Jagd auf „Andersdenkende“

Außenpolitik
16.04.2025 18:00

Was als Schutz jüdischer Studierender begann, wird zum Albtraum für akademische Freiheit: zensierte Bücher, gekürzte Gelder, Angst vor Denunziation. Eine geheime Task-Force von Donald Trump führt – ohne parlamentarische Kontrolle – ideologische Säuberungen durch. An Unis, aber auch in der Verwaltung und beim Militär.

Die amerikanischen Elite-Universitäten stehen unter Beschuss. Unter dem Vorwand des Kampfes gegen Antisemitismus entfaltet die Regierung von US-Präsident Donald Trump eine der weitreichendsten ideologischen Kampagnen gegen den Hochschulsektor in der Geschichte des Landes. Im Zentrum dieser Offensive steht eine weitgehend unbekannte, aber mächtige Gruppe, deren Einfluss inzwischen nicht nur Universitäten, sondern auch Ministerien, Staatsbetriebe und ganze Bundesstaaten erreicht.

Der Fall Harvard: Angriff auf die akademische Freiheit
Anfang dieser Woche fror die US-Regierung Bundeszuschüsse und Verträge im Umfang von 2,26 Milliarden US-Dollar für die Harvard University ein. Die Maßnahme war die direkte Antwort auf die Weigerung der Universität, einer Liste von neun Forderungen der Regierung nachzukommen. Darunter: die Abschaffung von Programmen zu Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion (DEI), ein umfassendes Maskenverbot für Demonstrierende, die externe Überprüfung von Meinungsvielfalt unter Mitarbeitenden sowie die Pflicht, ausländische Studierende bei „unamerikanischem Verhalten“ an die Bundesbehörden zu melden.

Harvard-Präsident Alan Garber konterte scharf: „Keine Regierung darf privaten Universitäten vorschreiben, wen sie einstellen, aufnehmen oder was sie lehren.“ Die Harvard-Fakultätsvertretung reichte Klage ein. Die American Association of University Professors sprach von einem „beispiellosen Angriff auf die akademische Freiheit“.

Trump entzog der Harvard Universität Milliarden an Fördergeldern. (Bild: EPA/CJ GUNTHER)
Trump entzog der Harvard Universität Milliarden an Fördergeldern.

Die Columbia University, zuvor ins Visier genommen, hatte nach einer Kürzung von 400 Millionen Dollar schnell eingelenkt. Doch trotz Zugeständnissen wurden keine Mittel wieder ausgezahlt. Die damalige Präsidentin Katrina Armstrong wurde wenige Tage später zum Rücktritt gedrängt und von einem führenden Mitarbeiter der Antisemitismus-Task-Force, Sean Keveney vom Gesundheitsministerium, in einer mehrstündigen Anhörung unter Druck gesetzt. Der Kurs: Wer nicht vollumfänglich kooperiert, verliert.

Die Task-Force: Macht ohne Kontrolle
Die sogenannte Task-Force zur Bekämpfung von Antisemitismus agiert ohne parlamentarische Kontrolle, setzt auf Drohkulissen und nutzt dabei eine Auslegung bestehender Bürgerrechtsgesetze. Geleitet wird sie von Leo Terrell, einem früheren Fox-News-Kommentator, gemeinsam mit Beamten aus dem Justiz-, Bildungs- und Gesundheitsministerium sowie der General Services Administration (GSA).

Die ursprüngliche Idee, die der Task-Force vorausging, war durchaus sinnvoll. Im Zuge des Überfalls der islamistischen Terrormiliz auf Israel mit 1200 ermordeten Israelis und Hunderter verschleppter Geiseln am 7. Oktober 2023 erschütterte eine Welle von Antisemitismus US-amerikanische Unis. Rektoren gingen unter dem Siegel der Meinungsfreiheit nicht dagegen vor, während jüdische Studenten und Studentinnen von ihren Mitstudierenden drangsaliert wurden – als Rache auf das Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen gegen die Terroristen. Eine skurrile Welle der Sympathie für die palästinensischen Terroristen zog sich durch die Unis. Augenscheinlich war dabei die schiere Unwissenheit der US-Studenten über den Nahostkonflikt und gipfelte in gemeinsamen Gebeten mit den muslimischen Mitstudierenden.

Nun aber schiebt man den Kampf gegen den Antisemitismus als Grund vor, um auch gegen grundsätzlich Andersdenkende vorzugehen.

Pro-Palästina-Protest-Camp an der Universität Berkeley in Kalifornien. Die Unwissenheit der Demonstranten über den Nahost-Konflikt war beispiellos. (Bild: Carlos Barria)
Pro-Palästina-Protest-Camp an der Universität Berkeley in Kalifornien. Die Unwissenheit der Demonstranten über den Nahost-Konflikt war beispiellos.

Laut dem „Wall Street Journal“ agiert die Task-Force „von Treffen zu Treffen“, teils auch ohne Abstimmung mit Kabinettsmitgliedern. Bildungsministerin Linda McMahon erfuhr eigenen Angaben zufolge teils erst über Medienberichte von geplanten Sanktionen.

Der politische Plan: Hochschulen ideologisch „zurückerobern“
Trump selbst hatte bereits 2023 erklärt, man werde die Förderung für Schulen streichen, „die den marxistischen Angriff auf unser Erbe unterstützen“. Hinter dem Vorgehen seiner Helfer steht ein strategisches Ziel: die „Rückeroberung“ der Hochschulen von der „radikalen Linken“. Der konservative Aktivist Christopher Rufo brachte es auf den Punkt: Man müsse „eine dieser Universitäten metaphorisch zerstückeln“, um ein Exempel zu statuieren.

Die Task-Force nutzt dafür ein starkes Druckmittel: Bundeszuschüsse für Forschung, Lehre und Studienkredite machen einen erheblichen Teil der Budgets aus. Selbst wohlhabende Universitäten wie Harvard oder Columbia können langfristig nicht auf sie verzichten. Der Schritt, diese Mittel gezielt zu entziehen, gilt unter Experten als juristisch riskant, aber politisch effektiv.

Ausweitung auf Ministerien und Bundesstaaten
Was an Elite-Unis begann, weitet sich aus. Laut „Wall Street Journal“ und „The Atlantic“ prüft die Task-Force inzwischen auch kommunale Einrichtungen und Staatsbetriebe. In Florida, einem politisch konservativen Vorreiterstaat, wurden bereits DEI-Programme an Hochschulen gesetzlich abgeschafft. An der University of Florida wurden 28 Stellen gestrichen, Inhalte zensiert, und Lehrende berichten von Selbstzensur und Angst vor Repressalien.

Das Modell dürfte Schule machen: Die Task-Force soll Gespräche mit Verwaltungen in Boston, Chicago, Los Angeles und New York angekündigt haben. Auch der Einsatz von Bundesvergabe-Richtlinien zur Einflussnahme auf kommunale Einrichtungen ist laut Insidern im Gespräch. Es zeichnet sich ab, dass die Maßnahmen nicht auf Universitäten beschränkt bleiben sollen.

In den USA geht die Angst vor einer Diktatur um. (Bild: AP/Godofredo A. Vásquez)
In den USA geht die Angst vor einer Diktatur um.

Bücherverbannung an der US Naval Academy
Um angehende Kadetten der Marine vor unerwünschtem Gedankengut zu schützen, wurden vom Pentagon jetzt knapp 400 Bücher als verbotene „DEI“-Propaganda aus der Bibliothek entfernt. Darunter befinden sich unter anderen George Orwells „1984“ oder Werke der schwarzen Dichterin Maya Angelou. Für den demokratischen Abgeordneten Adam Smith ist der Bücherbann ein „unverhohlener Angriff auf die akademische Freiheit“. Er verlangt in einem offenen Brief von den Verantwortlichen zu erfahren, „welche rationale Begründung diese unglaubliche Zensur und Beschneidung der Meinungsfreiheit“ habe. Er verweist darauf, dass Adolf Hitlers „Mein Kampf“ nach wie vor im Bücherregal der US Naval Academy zu finden ist.

Kritiker in der Presse sollen mundtot gemacht werden
Jegliche Kritik an seinem politischen und ideologischen Kurs will Trump unterbinden, in dem er die „feindlichen Medien“ ins Fadenkreuz seiner Regierung nimmt. Denn nachdem die republikanische Mehrheit ihn unterwürfig gewähren lässt und auch der Oberste Gerichtshof mit seiner konservativen Mehrheit ihn kaum beschneidet, ist allein die Presse als „Vierte Gewalt“ noch im Weg. Die Nachrichtenagentur AP wurde bereits aus dem Oval Office und der Air Force One verbannt und die unerschrockene CNN-Reporterin Kaitlan Collins wurde gerade vor aller Welt von Trump persönlich als Beispiel für „Fake News“ niedergemacht.

Am Sonntag hatte der Präsident zudem eine Schimpftirade gegen den Sender CBS vom Stapel gelassen, weil dieser Interviews mit kritischen Stimmen zu seiner Politik gesendet hatte. Unter anderem interviewte die Sendung „60 Minutes“ Ukraines Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der seine Befürchtung äußerte, dass die „russische Sichtweise in den USA die Oberhand gewonnen“ habe. Trump verlangte daraufhin von seinem Vorsitzenden der Nationalen Kommunikationskommission FCC, Brendan Carr, CBS wegen „der ständigen Lügen“ die Sendelizenz zu entziehen.

Internationale Folgen: „Brain Drain“ Richtung Europa
Die Folgen der Trump-Politik gehen über die USA hinaus. Internationale Studierende werden mit Visaentzug bedroht, bei kleinsten Vergehen abgeschoben. Laut der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung wurden bereits Hunderte Visa widerrufen. Einige Universitäten warnten Studierende davor, das Land zu verlassen – eine Wiedereinreise sei nicht gewährleistet.

Europa profitiert: Deutsche und niederländische Hochschulen verzeichnen steigende Bewerberzahlen aus den USA. Forschungsministerien in Österreich und Deutschland sprechen offen von „Zuflucht“ für verunsicherte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Was als Reaktion auf antisemitische Vorfälle begann, hat sich zu einer umfassenden politischen Kampagne entwickelt. Die Trump-Regierung nutzt ihre Macht, um Hochschulen zu Gleichschritt und Gehorsam zu zwingen. Kritik daran kommt nicht nur von Universitäten, sondern auch von Juristen und bürgerrechtlichen Organisationen. Doch solange Trumps Kurs in der Öffentlichkeit Zustimmung erhält, dürfte die „Jagd auf Andersdenkende“ weitergehen.

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