Nach dem tragischen Tod eines 15-jährigen Tschetschenen in Traun wächst die Kritik an der ortsansässigen Polizei. Eine Anrainerin beklagt fehlende Präsenz und mangelnde Kontrollen zu den entscheidenden Abendstunden. Jedes Wochenende würden in der Umgebung illegale Rennen stattfinden – selbst nach dem tödlichen Unfall heulten die Motoren offenbar wieder auf.
Die Tragödie um den tödlichen Unfall eines 15-jährigen Tschetschenen in St. Martin in Traun sorgt für Schock und Empörung unter den Anrainern. Denn dass die Region häufiger Schauplatz von illegalen Rasertreffs ist, sei weithin bekannt. Die Anrainerin und Buchautorin Daniela Brodesser schildert gegenüber krone.at, dass es jedes einzelne Wochenende zu illegalen Straßenrennen komme – und das schon seit Jahren. „Alle wissen es“, erzählt die 50-Jährige, die seit zwei Jahren in unmittelbarer Nähe zum Unfallort wohnt.
Tumultartige Szenen am Unfallort
Am Donnerstagabend gegen 20.50 Uhr endete das riskante Überholmanöver des 15-Jährigen auf der B1 tragisch: Der weiße BMW raste mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit nach der Trauner Kreuzung an einem anderen Fahrzeug vorbei. Der 15-jährige Bursch verlor die Kontrolle und überschlug sich. Der Jugendliche starb noch am Unfallort, während seine beiden Mitfahrer (17 und 19 Jahre alt) schwer verletzt wurden.
Am Unfallort kam es daraufhin zu tumultartigen Szenen: Zahlreiche Freunde und Bekannte aus der Tuning- und Raserszene sollen sich versammelt haben, machten Handyfotos und Videos und behinderten Einsatzkräfte bei ihrer Arbeit.
Anrainer kennen geheime Treffpunkte der Raserszene
Unter den Bewohnern in Traun sei laut Brodesser längst bekannt, wo sich die Treffpunkte der Tuning- und Raserszene befinden. Eine Tankstelle und ein Parkplatz nahe der Trauner Kreuzung wären der Start der illegalen Rennen. Ab einer gewissen Uhrzeit würde man die Straße lieber meiden, berichtet die Anrainerin von der prekären Lage.
Kindern werde geraten, Umwege zu fahren, um den gefährlichen Strecken auszuweichen. Auf dem Fußgängerüberweg schaue man schon fünfmal, ob nicht doch ein Raser aufscheint. Schon im Wohnzimmer höre man abends, wenn die Rennen wieder beginnen würden. Im Supermarkt oder in der Trafik würde man sich zu Wochenbeginn unterhalten, wie „schlimm“ es denn am Wochenende wieder war.
Alle wissen, wo die Treffpunkte sind. Abends hörst du selbst im Wohnzimmer, wenn die Rennen losgehen. Was fehlt, sind regelmäßige Kontrollen an den Abenden. Ich lebe seit zwei Jahren hier und es ist nichts zu unserem Schutz passiert.
Die Anrainerin Daniela Brodesser
Bild: Christopher Glanzl
Brodesser beklagt, dass es kaum Schwerpunktkontrollen zu den kritischen Zeiten gebe. Zwar finde tagsüber vereinzelt Polizeikontrollen statt, doch am Abend, wenn die Rennen starten, fehle oft jede Spur von Präsenz, so die Kritik. „Warum zur Hölle gibt’s nicht endlich drei Wochenenden hintereinander jeden Abend Polizeipräsenz?“, fragt sie empört. Sie selbst sei abends öfter an jener Treffpunkttankstelle gewesen – Polizeibeamte waren dort nie anzutreffen.
„Für Fußball genug Polizei, für Rasertreffen nicht?“
Zu wenig Personal könne man als Ausrede nicht gelten lassen, meint die Anrainerin. Bei Fußballspielen, etwa auf der Linzer Gugl, stehe schließlich auch ausreichend Polizeipersonal bereit. „Hier geht’s ja nur um Autorennen. Geht ja nur darum, dass andere massivst gefährdet werden von diesen Rasern! Geht nur um uns und unsere Kinder, die jederzeit von so einem abgeschossen werden können“, so Brodesser, die selbst vierfache Mutter ist.
Die Anrainerin weist zudem darauf hin, dass die Raser regelmäßig Kennzeichen stehlen, um sie für ihre Rennen zu verwenden – eine Tatsache, die „alle hier wissen“. Es gebe regelmäßige Warnungen, die eigenen Kennzeichen vor der Fahrt zu überprüfen. Sie selbst habe schon zweimal bei der Polizei angerufen, um die illegalen Autotreffen zu melden. Zwar sei daraufhin eine Streife gerufen worden, doch sie bezweifle, dass das Thema ernsthaft angegangen werde. Die von der Politik geplante Section Control, ein System zur Geschwindigkeitsüberwachung, bezeichnet Brodesser als „reine Showpolitik“.
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Forderung nach stärkeren Kontrollen
Die Region verzeichnet mit dem Tod des 15-Jährigen den ersten Todesfall aus der Raser- und Tuningszene, wie die oberösterreichische Polizei gegenüber krone.at bestätigt. Unfälle habe es bereits zahlreiche gegeben, genaue Zahlen müssten jedoch erst erhoben werden.
Nach dem tödlichen Unfall fordert Daniela Brodesser ein deutlich schärferes Vorgehen gegen Raser und ihre Szenetreffs. Es könne nicht sein, dass Raser, die andere Menschen bewusst gefährden, mit bloßen Führerscheinentzügen davonkommen.
Brodessers Tochter hat kürzlich den Moped-Führerschein absolviert – die Sorge, dass sie in einen Unfall verwickelt werden könnte, sei bei der Mutter groß, weswegen sie das ausspricht, was viele Bewohner denken: „Muss immer erst etwas Schlimmes passieren, dass eine Problematik ernsthaft angegangen wird?“ Die Angst sitzt tief – und sie scheint nicht unbegründet: Denn nur eine Stunde nach dem tragischen Unfall, so Brodesser, sei bereits das nächste Rennen gestartet worden.
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