Burgtheater-Premiere

Vergiftete Liebschaft auf Höllenfahrt

Kritik
20.04.2025 10:47

Caroline Peters und Martin Wuttke begeistern am Wiener Burgtheater mit dem obszönen Meisterwerk „Gefährliche Liebschaften“: eine szenische Lesung, der nichts fehlt!

Alle Macht dem Text und den Schauspielern. Mit dieser Großen Koalition hat Burgtheaterdirektor Bachmann sein Glück gemacht. Vertriebene Schauspielgrößen wurden zurückgeholt und bedienen ein ebenso attraktives wie budgetfreundliches Modell: Allein mit großer Literatur, lockt man das Publikum in Massen. Die Erleichterung, von Wikipedia-basierter Dramaturgenpädagogik, Videomüll und Geplärr durch Gesichtsmikrofone verschont zu bleiben, ist mit Händen zu greifen.

Und so wurden Caroline Peters und Martin Wuttke trotz des herausfordernden Karsamstagtermins im sehr gut besuchten großen Haus für ein Virtuosenstück erster Ordnung gefeiert. Der französische Offizier Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos hat außer seinem 1782 erschienenen Briefroman nichts Haltbares hinterlassen. Aber dieses Werk, vier Jahre nach dem Tod des Zynikers und Aufklärers Voltaire entstanden, hat es in sich. Zwei Hocharistokraten haben sich von Moral und Gewissen verabschiedet und konzipieren ein Experiment, das auf die Zeitgenossen de Sade und „Così fan tutte“ verweist: Der Vicomte soll im Auftrag der Marquise erst ein Mädchen entjungfern und dann eine tugendhafte ältere Frau sexuell überwältigen. Das gelingt, aber die Täter werden grausam bestraft. Ein moralisches Stück? Mitnichten, der Text funkelt vor Vergnügen über seine Obszönität. Er verhöhnt damit die falsche Moral der höheren Stände ebenso wie deren Zügellosigkeit, die bald zur Revolution führen wird.

Am Burgtheater bleiben die Manuskripte in den Händen (nachvollziehbar für einen Briefroman), und außer einem Podest aus Matratzen und der Untermalung durch die Gitarristin Carolina Bigge bleibt dem grandiosen Darstellerpaar nur das eigene Können. Geführt durch Jan Bosse und kostümiert durch Tabea Braun, gibt Wuttke zunächst einen grellen Wüstling und Peters eine eisige, tödlich erotische Schönheit. Bis man begreift, dass einander da zwei verzweifelt Liebende bis zum Untergang verfallen sind. Mehr als das hier Gebotene braucht Theater nicht.

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