20 Jahre ist es her, dass sich Hajduk Split letztmals zum Fußball-Meister Kroatiens küren hat können – da hat Österreichs Bundeskanzler gerade Wolfgang Schüssel geheißen und die katholische Christenheit hat um den wenige Wochen zuvor verstorbenen Papst Johannes Paul II. getrauert. Auch dank Ivan Lučić könnte die Wartezeit in Dalmatien heuer zu Ende gehen, ist man doch auch dank des Wiener Einser-Goalies kurz vor Saisonende voll im Titelrennen ...
Grund genug, in Split vorbeizuschauen und mit dem Ex-Austrianer in Teil 1 des großen krone.at-Interviews über seine wechselvolle Karriere zu plaudern, die ihn u.a. in jungen Jahren auch zum FC Bayern München geführt hat, über das süße Leben an der dalmatinischen Küste, den in unseren Breiten kaum denkbaren Fanatismus der Hajduk-Anhänger, die historische Meisterchance oder auch das „Fremdsein“ sowohl in Österreich als auch in Kroatien, trotz Doppelstaatsbürgerschaft ...
krone.at: Ivan, Du bist gebürtiger Wiener, hast im Laufe Deiner Karriere schon viel gesehen und auch in mal mehr und mal weniger illustren Städten wie Ried, München, Bristol, Aalborg oder Pula wirken dürfen – wie bekommt Dir im Vergleich dazu das Leben hier an der dalmatinischen Küste Kroatiens?
Ivan Lučić: Tja, womit ich auf jeden Fall beginnen muss, das ist das Wetter. Es ist wunderbar, du hast hier ewig lang Sommer, es ist wunderschön. Du hast so viele schöne Städte, es gibt mega-schöne Inseln, wo du schnell hinkommst. Ich muss sagen, vom Lebensstil her ist es wirklich faszinierend, wenn man hier leben darf ...
krone.at: Bei all dem Reiz, den Split ausstrahlt, Du bist hier nicht als Tourist, sondern als aktiver Profi-Fußballer. Was bedeutet es Dir, als Wiener mit kroatischen Wurzeln hier in Kroatien zu leben und noch dazu für eine der größten Nummern zu kicken, die der kroatische Sport zu bieten hat, den noch neunfachen Meister Hajduk Split?
Lučić: Das hat sich vor zweieinhalb Jahren sehr gut ergeben, als Hajduk kurzfristig dringend jemanden gebraucht hat, und ich da in Istra beim NK Pula aktiv gewesen bin ...
krone.at: Du bist zunächst eigentlich nur als Zweiergoalie, als Ersatztormann eingeplant gewesen …
Lučić: Genau! Von Hajduk-Seite hat man mich gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte – und da habe ich mir dann die Situation im Verein angeschaut. Da waren auf der Tormann-Position der Kapitän, der mit einem Kreuzbandriss lange Zeit ausgefallen ist, und ein Junger. Ich habe mir gedacht, dass das eine Mega-Chance für mich ist, um schnell in die Position kommen zu können, zu spielen – was sich nach fünf Spielen auch ergeben hat. Ich glaube, ich habe mein Ding in den folgenden Monaten ganz gut gemacht, so gut, dass der Kapitän, …
krone.at: Um Lovre Kalinić, 19-facher Teamgoalie von Kroatien und Klub-Legende von Hajduk Split, handelt sich da …
Lučić: Genau! Er hat nach seiner Rückkehr von der Verletzung erst einmal kein Spiel mehr gemacht. Im Endeffekt hat sich wirklich alles wie im Idealfall für mich ergeben. Und ja, was es mir bedeutet, für einen Verein wie Hajduk zu spielen … (überlegt kurz) … Split ist eine Stadt von 200.000 oder vielleicht ein bisschen mehr 200.000 Einwohnern, und Hajduk als Verein hat 100.000 Mitglieder! Ich glaube, dass der Verein ein bisschen zu groß für die Stadt ist, was auch seine Nachteile mit sich bringt, wenn es einmal nicht so gut läuft. Aber auf jeden Fall ist es ein Traum, hier spielen zu dürfen!
krone.at: Wie wirkt sich dieser Fanatismus der Menschen hier in der Stadt und in der ganzen Region auf den Alltag eines Hajduk-Spielers aus? Einerseits wenn es gut läuft und andererseits wenn es nicht so gut läuft …
Lučić: Es ändert sich von Woche zu Woche, es ist wurscht, ob wir jetzt 10 Punkte vorne sind oder 15 Punkte hinten. Aber wenn es läuft, dann kann es sein, dass du mal einen Monat lang keinen Cent ausgibst. Egal, wo du dann hingehst, ob in die Bäckerei oder ins Restaurant, da heißt es dann: „Hey Legende, wie geht‘s?“ Und wenn’s ans Bezahlen geht: „Na, das passt schon!“ Ja, so läuft das … (denkt kurz nach) Und wenn es mal nicht so gut läuft, dann kriegst du bei jeder Ampel ein paar Mittelfinger gezeigt.
krone.at: Woher kommt der Stellenwert von Hajduk für die Fans speziell hier in der Region? Wieso leben die Menschen hier gar so sehr mit, wenn es um Erfolg und Misserfolg von euch Fußballern geht?
Lučić: Ich würde sagen, dass das damit zusammenhängt, dass der Verein früher auch schon so groß war, etwa zu Jugoslawien-Zeiten. Die sind halt mega-erfolgreich gewesen, auch mit der Teilnahme an der Champions League 1994/95. Und dadurch, dass die Stadt so klein und der Verein so groß geworden ist, dass es hier in der Region von Sportlichem her nur diesen Klub gibt, verfolgt einfach jeder Hajduk, gibt es hier nur Hajduk von klein auf.
krone.at: Das „noch neunfacher Meister“ ist vorhin nicht von ungefähr gekommen, denn nach 30 Runden liegt ihr in der Liga gleichauf mit Rijeka auf Platz 2 und vier Zähler vor Dinamo, die Chance auf den Titel lebt – wie zufrieden bist Du mit der Saison? Aber auch mit Deiner persönlichen Leistung …
Lučić: Ich glaube, dass Hajduk in den vergangenen 20 Jahren noch nie näher an der Meisterschaft dran gewesen ist als jetzt. Die Situation ist angespannt, es ist zum Greifen nahe, dass wir die Mannschaft sein können, die Geschichte schreibt. Wir haben es heuer bisher ganz gut gemacht und ich glaube auch, dass das die stärkste kroatische Liga seit Jahren ist – früher hätte es geheißen: Hajduk fährt zu Istra und hat schon 3:0 gewonnen, Danke und auf Wiedersehen. Das spielt’s nicht mehr. Jetzt müssen wir uns – Entschuldigung! – den Arsch aufreißen, damit wir gewinnen. Die kroatische Liga hat da sehr aufgeholt, was man auch an den Ergebnissen der Großen immer wieder sieht ...
krone.at: Also dass das Leistungsgefälle nicht mehr so stark ist …
Lučić: Ja! Es ist echt schwer, jedes Spiel ist auf des Messers Schneide. Dass wir in der Tabelle da stehen, wo wir sind, das kommt nicht von irgendwo. Wir haben das ganz gut gemacht und zumindest Dinamo schon ein paar Punkte hinter uns gelassen, wenngleich uns deren Doppelbelastung mit der Champions League natürlich auch in die Karten gespielt hat. Jetzt haben wir noch sechs Spiele bis zum Ende ...
krone.at: Unter anderem auch gegen die Titelrivalen HNK Rijeka und Dinamo …
Lučić: Genau! Wobei wir am Papier das beste Restprogramm haben, weil wir die direkten Duelle daheim spielen – und dieses Jahr haben wir daheim noch kein einziges Spiel verloren, was auch eine Meisterleistung ist … (denkt nach) Und ja, meine Leistungen beurteile ich nie gerne selber, aber im Großen und Ganzen hat es ganz gut ausgeschaut (lächelt) ...
krone.at: Ich habe es vorhin in der Einleitung unseres Gesprächs erwähnt, euer letzter Meistertitel liegt sehr lange zurück: Was würde es Dir bedeuten, heuer in die Fußstapfen des legendären Teams von 2004/2005 zu treten?
Lučić: Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich nicht schon daran gedacht hätte, wie schön das wäre. Ich kann mir das gar nicht richtig vorstellen, was hier los wäre in der Stadt und in der Umgebung. Ich glaube, das wäre auf jeden Fall einmal ein neuer Feiertag …
krone.at: „Wenn wir die Meisterschaft holen, dann brennt die Stadt sieben Tage lang“ – das hat unser beider Landsmann Lukas Grgić vor zwei Jahren im Gespräch mit mir an gleicher Stelle gesagt. Könnte das zutreffen?
Lučić: Ich glaube, dass sieben Tage sogar untertrieben wären, ich würde das auf einen knappen Monat verlängern! Es wäre verrückt, was hier abgehen würde, Videos davon würden um die Welt gehen. Das wäre sicher … (überlegt kurz) … in den Top-2, was ich in meiner Karriere erlebt habe, wenn wir das packen würden.
krone.at: Und was ist das zweite Erlebnis von den Top-2?
Lučić: Das war der Sprung aus der Regionalliga zu Bayern München.
krone.at: Das ist ein gutes Stichwort: Du hast ja eine Medaille für den Gewinn der deutschen Meisterschaft 2014/15 als Dreier-Goalie mit den Bayern daheim liegen. Wie ist es zu diesem Wechsel nach München gekommen?
Lučić: Ganz kurze Geschichte: Ich war in der Regionalliga bei Union St. Florian und ich glaube, dass ich damals meine Sache dort sehr, sehr gut gemacht habe. Irgendwann hat ein Scout vorbeigeschaut und dann wurde ich für eine Woche zum Probetraining bei der zweiten Mannschaft eingeladen. Das ist zwar ganz gut gelaufen, ich bin im Anschluss aber zunächst nach St. Florian zurückgekehrt. Dann ist der nächste Anruf gekommen, dass ich nochmal eine Woche zum Probetraining soll, dieses Mal aber zur ersten Mannschaft. Aus der Kabine von St. Florian in die Kabine der damaligen Ultra-Bayern, das war dann schon ein bisschen komisch …
krone.at: Ist man da als junger Spieler sehr beeindruckt, wenn man dann auf einmal dort unter diesen Stars aufschlägt?
Lučić: Ich hatte gar keine Zeit, beeindruckt zu sein – ich war einfach nervös und wollte niemanden anschauen … (grinst verschämt) … Du schaust einfach in den Boden und hoffst, dass dich keiner anschaut … (zögert) … Aber am Ende ist auch diese Woche gutgegangen und bald darauf ist der Anruf gekommen, ob ich das machen will. Und ja, die Entscheidung war dann ganz schnell da!
krone.at: Zum Abschluss noch ein Themenwechsel: Wie ist das, wenn man als gebürtiger Wiener mit kroatischen Wurzeln nach Kroatien kommt und Fußball spielt – ist man da eigentlich Legionär, hat man da ein Legionärs-Feeling, etwa so wie zu der Zeit, als Du in Bristol oder in Aalborg engagiert gewesen bist, oder ist das hier wie „daheim sein“?
Lučić: Das ist eine interessante Frage! Ich habe einmal einen Trainer gehabt, bei dem es witzige Spiele im Training gegeben hat, wie etwa Kroaten gegen Ausländer – und dann stehe ich dazwischen und keiner weiß, wo man mich hinschieben soll und ich weiß auch nicht wohin. Es ist schwer zu sagen, also. Ich glaube, dass ich in Wien ein Ausländer bin und hier bin ich irgendwie auch ein Ausländer …
krone.at: Es ist also echt kompliziert …
Lučić: Jeder zweite hier im Stadion nennt mich – natürlich im Spaß – „Schwabo“ und in Wien bin ich ein „Jugo“. Also es ist auf jeden Fall ein bisschen komplizierter …
krone.at: Wenngleich wahrscheinlich nicht wirklich böse gemeint …
Lučić: Nein, nein, auf gar keinen Fall! Im Fußball gibt es sehr wenig böses Blut im eigenen Team – und vor allem in dem jetzigen Team, das wir haben, ist jeder Tag einfach nur eine Gaudi. Ich glaube, das ist auch sehr wichtig, weil wenn das zu ernst wird, das ist nicht so mein Ding.
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