Nach vielen Jahren, in denen seine Karriere ein wenig unstet gewirkt hat, scheint er in Kroatien endlich zur richtigen Zeit am richtigen Platz zu sein – die Chance lebt, dass Ivan Lučić am Ende der laufenden Saison mit Hajduk Split die Trophäe für den Meistertitel in Kroatien in die Luft stemmen könnte. Aber auch in Sachen Nationalteam glaubt der 30 Jahre alte Wiener daran, dass noch nicht aller Tage Abend ist, für welches Nationalteam auch immer ...
In Teil 2 des großen krone.at-Interviews verrät Lučić, dass er überzeugt ist, sich mittlerweile eine Einberufung verdient zu haben, er spricht zudem über seine Zeit als Wandervogel quer durch ganz Europa, das Geheimnis des Sportlandes Kroatien und den sogar für ihn überraschenden Erfolgslauf seines Ex-Klubs FK Austria Wien!
Hier gibt’s das ganze Gespräch – Teil 1 UND Teil 2 – auch zum Nachhören!
krone.at: Ivan, viele Jahre lang hast Du ein bisschen das Leben eines Wandervogels geführt, mit vielen Transfers, aber oft nur wenig Einsatzzeit – bist Du in Kroatien, zunächst beim NK Istra und jetzt bei Hajduk, endlich richtig angekommen?
Ivan Lučić: Ich würde sagen, schon als ich zurück zur Austria gekommen bin, hat das zunächst ganz gut funktioniert. Aber dann ist mein Vertrag ausgelaufen und genau da hat die Corona-Zeit begonnen, die Saison ist abgebrochen worden … (überlegt) Ich bin dann ein freier Spieler gewesen, habe auch zwei Angebote von großen Vereinen gehabt, einer aus Belgien. Aber das habe ich dann abgelehnt, weil ich so eine Entscheidung nicht so schnell fällen wollte. Auch weil ich mir gedacht habe: Da wird schon noch etwas kommen! Aber dann ist gar nichts mehr gekommen. Ich war dann fünf Monate daheim und zu der Zeit ist der Anruf vom Sportdirektor vom NK Istra gekommen, ob ich nicht zu ihnen kommen will. Und ja, in einer Situation wie meiner damals muss man das machen, einfach um wieder zurückkommen. In Istra hat das dann gut funktioniert, Hajduk hat das erkannt und inzwischen habe ich in zweieinhalb Jahren, glaube ich, die meisten Spiele für den Verein gemacht, konstant durchgespielt und bin jetzt – spät, aber doch – irgendwo richtig angekommen.
krone.at: Wenn man sich in eurem Trophäen-Raum so umschaut, erkennt man, dass in jüngerer Zeit nicht viel Silberware dazugekommen ist. Woran liegt’s, dass Hajduk in den vergangenen 20 Jahren „nur“ vier Pokal-Titel hat einfahren können?
Lučić: Was da schief gelaufen ist zu der Zeit, das ist schwer zu sagen … (überlegt und schüttelt den Kopf) …
krone.at: Man muss vielleicht dazu sagen, dass einer der Gegner in Kroatien das Team von Dinamo Zagreb ist, das in den vergangenen 19 Jahren 18-mal Meister geworden ist …
Lučić: Natürlich, die haben sich einen Vorsprung aufgebaut, wo es mittlerweile schwer ist, gegen sie anzukommen, allein wen man daran denkt, dass das Budget von Dinamo doppelt so hoch ist. Da musst du halt eine Saison finden, wo du keinen einzigen Fehler machen darfst, wo alles klappen muss, damit du rankommst ... (zögert) Und ich glaube, dass wir dieses Jahr eine unglaubliche Mannschaft haben, dieses Jahr schaut es gut aus. Es wäre wichtig für den Verein, gerade jetzt, wenn man schon so knapp dran ist, vor allem wegen der Erleichterung, weil die Situation insgesamt sehr angespannt ist. Man merkt, dass alle nervös sind, es gibt Leute, die erinnern sich gar nicht mehr an den letzten Meistertitel!
krone.at: In welchen Tabellen-Regionen würden sich Deiner Meinung nach die kroatischen Klubs in Österreich herumtreiben, vor allem die Spitzenteams wie Hajduk Split, Dinamo Zagreb oder HNK Rijeka?
Lučić: Ich habe mir letztens die Tabelle in Österreich angeschaut, da war ich sehr überrascht, dass meine Austria auf einmal Erster gewesen ist (lacht) … Ich habe zwar immer wieder mal nachgeschaut, aber dass es so gut läuft, wäre mir gar nicht so vorgekommen. Das hat mich dann schon sehr überrascht und auch sehr gefreut … (denkt kurz nach) Wie ich das sehen würde mit den kroatischen Klubs in Österreich: Ich glaube, dass Dinamo und Hajduk ganz oben mitspielen würden, das kann ich garantieren. Und von den kleineren Vereinen her, nehmen wir da einmal Hartberg, die würde ich vergleichen etwa mit Slaven Belupo Koprivnica. Ich glaube, dass es bei diesen Teams auf Fifty-Fifty-Matches hinauslaufen würde.
krone.at: Und andersrum: Wie würden Klubs wie die Wiener Austria, Dein Stammverein, hier in Kroatien abschneiden?
Lučić: Das ist ein bisschen schwer zu sagen, aber ich glaube, dass die Austria, sagen wir, im ersten Jahr Probleme hätte – weil der Fußball einfach komplett anders ist. In Kroatien wird viel schmutziger gespielt als in Österreich. Aber ich gebe ihnen trotzdem auf jeden Fall eine Position in den Top-4.
krone.at: Weil Du es ansprichst, wo siehst Du die größten Unterschiede im Fußball zwischen Österreich und Kroatien?
Lučić: Ich glaube, dass es in Kroatien die besseren Einzelspieler gibt, die Teams oft über Einzelspieler kommen, die eine Mega-Qualität haben. Das sieht man hierzulande auch an vielen Transfers, wo auf einmal 16-, 17-, 18-Jährige für 10 Millionen, 15 Millionen Euro wechseln. Wenn ich mich jetzt nicht täusche, kommt das in Österreich eher selten vor, ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass jemand aus Österreich in so jungen Jahren einen so großen Transfer gemacht hat. Bei Hajduk haben wir letztes Jahr einen Innenverteidiger, der fünf Spiele für uns gemacht, für knapp über 10 Millionen Euro an Tottenham verkaufen können. Das geht in Kroatien schon sehr schnell. Ich glaube, in Österreich bremsen die Vereine bei jungen Spielern eher. Da könnte man schon ein bisschen mehr Risiko nehmen, mehr Mut aufbringen könnte …
krone.at: Kroatien ist ein Land mit nicht einmal 4 Millionen Einwohnern – und doch blickt man seit 1991 bei Fußball-Weltmeisterschaften auf drei Top-3-Plätze zurück. Was tun die hier ins Wasser, dass der Sportsgeist so gedeiht?
Lučić: Naja, ich würde sagen, dass das einfach wirklich ander Mentalität liegt, dass du in jungen Jahren freier bist. Ich kann mich erinnern, als Jugendlicher oder als Kind in Wien, da hat es geheißen: „Du musst um 8 Uhr abends daheim sein, wenn die Lichter draußen angehen!“ Hier in Split komme ich ab und zu um 11 Uhr am Abend vom Abendessen nach Hause und da laufen vor meiner Garage 40 Kinder herum und schießen mit den Bällen. Ich glaube, dass die Spieler in der Nationalmannschaft alle schon mit 18 Jahren begonnen haben als Profi in einer ersten Liga Fußball zu spielen. Das sind alles Mega-Talente und der Trainer hat es eben geschafft, aus ihnen ein richtig cooles Team zu bilden – und dann wird man halt auch Vizemeister bei einer Weltmeisterschaft.
krone.at: Kommen wir zu einem kleinen Makel in deinem Fußballer-Leben – Deinen null Länderspielen. Glaubst Du noch, dass Du jemals ein Team-Dress überstreifen wirst?
Lučić: Ja, natürlich glaube ich daran! Ich glaube, dass ich mir das mittlerweile auch verdient habe. Es liegt zwar nicht in meiner Hand, aber ob ich daran glaube, dass es passieren kann, ja!
krone.at: Vor nicht allzu langer Zeit hat man auch vom Interesse des Verbands von Kroatien gehört, Dich als Alternative auf der Torhüter-Position in Betracht zu ziehen. Wie schaut’s dahingehend aus?
Lučić: Also ich persönlich habe eigentlich gar nichts davon gehört, mich hat keiner kontaktiert. Im Verein habe ich allerdings gehört, dass sie (vom Fußball-Verband Kroatiens, Anm.) einmal Informationen über mich gesammelt haben. Hier in Kroatien haben wir einen Teamchef, dem viele Aspekte wichtig sind, etwa von der Persönlichkeit her. Aber in den vergangenen Monaten ist jetzt nichts mehr gekommen.
krone.at: In Österreichs Nationalteam haben wir aktuell mit Alex Schlager und Patrick Pentz zwei Torleute, die von Teamchef Ralf Rangnick offenbar als relativ gleichwertig angesehen werden, eine absolute Nummer 1 scheint es nicht zu geben. Was spricht dagegen, dass das ein Job für Dich sein könnte
Lučić: Dagegen spricht nicht viel! Ich weiß halt nicht, wie die Saison von den beiden läuft und wie ihre Leistungen sind. Ich bin jetzt nicht unbedingt ein Salzburg- oder Bröndby-Fan, habe kein einziges Spiel von ihnen gesehen derweil. Ich bin aber auf jeden Fall bereit – und mehr liegt auf jeden Fall nicht in meinen Händen.
krone.at: Als im Herbst Kroatiens Teamgoalie Dominik Livaković für ein Spiel aussetzen hat müssen, hat eine der meistgelesenen Zeitungen Kroatiens angedeutet, dass Teamchef Zlatko Dalić keinen Fehler begehen würde, wenn er Dich beruft. Hättest Du gedacht, so nah dran an Kroatiens Team zu sein?
Lučić: Ja, ich habe schon dran geglaubt! Ich glaube bei jeder Team-Nominierung, dass es jetzt so weit sein könnte. Ich habe viel mit unserem Ex-Präsidenten darüber geredet und der hat auch gemeint: „Jetzt ist es, glaube ich, so weit!“ Der hat so geredet, als hätte er mehr Information, als wüsste er mehr. Aber im Endeffekt, wie gesagt, ist nicht viel passiert.
krone.at: Hast du überhaupt den kroatischen Pass?
Lučić: Ich habe keinen Pass, aber ich habe …
krone.at: Aber die Staatsbürgerschaft?
Lučić: Die Staatsbürgerschaft habe ich auf jeden Fall, ja! Aber den Pass habe ich jetzt seit Jahren nicht beantragt …
krone.at: Den österreichischen Pass hast Du, Du bist Doppelstaatsbürger?
Lučić: Den österreichischen benutze ich regelmäßig!
krone.at: Auch wenn wir aktuell fern Deiner Wiener Heimat sind, für einen kurzen Blick auf die Austria, den Klub, bei dem Du Deine ersten Schritte im Profi-Fußball gemacht hast, für den haben wir noch Zeit. Was sagst Du zum Erfolgslauf Deiner Violetten, die erst zuletzt außer Tritt gekommen sind?
Lučić: Ich glaube, die Austria ist in genau so einer Situation wie wir. Wenn einem vor der Saison die jetzige Situation angeboten worden wäre, da hätten sie und wir sofort unterschrieben. Umso mehr würde es mich mega freuen, wenn sie es dann „out of nowhere“ packen. Kein einziger Mensch in Österreich hätte gedacht, dass die Austria vielleicht Meister wird.
krone.at: Hast Du noch Kontakt zu irgendjemandem bei der Austria?
Lučić: Einen direkten Kontakt habe ich jetzt nicht wirklich zu jemanden. Mirko Kos habe ich zufällig letztens in Wien getroffen, beim Shoppen, ganz zufällig – und mit dem Fitzi habe ich kurz einmal geschrieben, aber nichts besonderes. Tin Plavotic kenne ich gut, der hat mit mir in Bristol gespielt. Aber sonst? (denkt kurz nach) Nicht wirklich …
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