Sophie ist zwölf Jahre alt und hat in ihrem Leben schon mehr Operationen hinter sich bringen müssen, als die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben je haben werden. Das Mädchen leidet nämlich an einer seltenen Erkrankung, dem kaudalen Regressionssyndrom, das es so in dieser Form in Österreich nur einmal gibt.
Bei Sophie tritt zusätzlich das Tethered-Cord-Syndrom, auch TCS genannt, auf. Es fasst neurologische Symptome zusammen, die durch eine Anheftung des kaudalen Rückenmarks am Ende des Spinalkanals entstehen.
Bei Sophie ist diese Fehlbildung angeboren. Entdeckt wurde sie schon in der Schwangerschaft. „Der Arzt hat gesehen, dass mit der Niere etwas nicht stimmt, und so wurde auch TCS entdeckt. Genannt wird es auch gefesseltes Rückenmark“, erzählt Sophies Mama.
Erste Operationen gleich nach der Geburt
Gleich nachdem das kleine Mädchen zur Welt gekommen war, wurde es zum ersten Mal operiert – und dann ein zweites Mal, weil aufgrund der ersten OP der Darm nicht selbstständig funktionierte. Sophie hat auch bis heute einen künstlichen Darmausgang. Drei Monate lag sie auf der Intensivstation, mit vier Monaten ging es dann endlich nach Hause.
Aufatmen für Mama, Papa und Bruder? Nein. Denn die Kleine brauchte Infusionen, die einmal pro Woche aus der Apotheke in Wien geholt werden mussten. „Wir sind eineinhalb Jahre jeden Freitag am späten Nachmittag beim ärgsten Berufsverkehr nach Wien gefahren, bis ihr Darm dann endlich wieder funktioniert hat“, erzählt auch der Papa. Aber für seine Kleine hat er das gerne in Kauf genommen.
Mehr als 100 chirurgische Eingriffe und panische Angst vor Nadeln
Bis dato musste Sophie mehr als 100 Mal in Narkose versetzt werden. Ihre gefährlichste Operation liegt erst wenige Wochen zurück. Dabei wurde das Rückenmark von einem Lipom, an das es angewachsen war, getrennt. „Wir haben lange überlegt, ob wir das überhaupt machen lassen sollen. Wäre das nämlich schiefgegangen, hätte es sein können, dass Sophie im Rollstuhl sitzt“, so die Eltern.
Am 3. Februar gingen Mama und Tochter ins Kinder-OP-Zentrum des AKH Wien. Nach dem Eingriff musste die Zwölfjährige 72 Stunden flach liegen. „Allein das und die Schmerzen waren ein Horror“, schildert die Mama. Jedes Mal, wenn versucht wurde, das Mädchen wieder zu mobilisieren, kamen heftige Kopfschmerzen.
Bis entdeckt wurde, dass die Stelle, wo das Rückenmark ausgetreten ist, wieder aufgerissen war. Hieß: Noch einmal operieren. Wieder Intensivstation, wieder 72 Stunden liegen. „Diesmal war meiner Tochter außerdem schlecht. In der Früh war dann auf einmal das Pflaster der Wunde komplett durchtränkt.“
Man nahm an, die Stelle sei wieder gerissen. Bei der dritten Operation wurden noch mehr Kleber verwendet und eine Faszie vernäht. Wieder musste das Mädchen 72 Stunden liegen. „Wir hatten richtig Panik davor, wenn wir sie aufsetzen“, erzählt die Mama, die ihrer Tochter die ganze Zeit nicht von der Seite wich. Und das Schlimmste passierte: Sophie hatte auch diesmal wieder starke Kopfschmerzen, klagte über Übelkeit. Die vierte OP stand im Raum. Man wollte versuchen, den Riss mit einem Blut-Patch abzudichten. Ein Top-Radiologe untersuchte das Mädchen noch einmal. Dann die gute Nachricht. Die Naht war nicht noch einmal gerissen. Nach Wochen durfte Sophie endlich nach Hause.
Zimmerarrest, weil gehen unmöglich war
Einige Tage musste sie hier in ihrem Zimmer verbringen. Weil das im ersten Stock liegt und sie nicht alleine die Stiegen hinauf- bzw. hinuntergehen konnte, blieb ihr das Erdgeschoß ein paar Tage verwehrt. Mittlerweile kann sie sich mit dem Rollator langsam, aber doch fortbewegen, für ihre Eltern eine Erleichterung.
Nach den vielen Krankenhaus-Erfahrungen hat das Mädchen aber panische Angst vor Nadeln. „Wenn sie einen Zugang gesetzt bekommt, müssen wir sie schlafen schicken“, erzählt die Mama.
Man erlebt arge Sachen, aber immer sind alle bemüht, dass Sophie möglichst normal leben kann.
Sophies Mama
Eine OP am Fuß stünde jetzt auf dem Programm, weil ein Fuß nach einem Unfall im Urlaub verformt ist. Das wollen die Eltern Sophie aber noch nicht antun. „Wir brauchen jetzt Zeit, sie psychisch darauf vorzubereiten“, sind sich die beiden einig. Da sie mehrere seltene Dinge auf sich vereint – sie hat z.B. zwei Gebärmütter, Probleme mit Blase und Darm – muss sie auch immer wieder zu urologischen Untersuchungen. „Unsere Hauptklinik dafür ist in Linz, wir waren aber auch schon in Köln bei einem Top-Chirurgen. Man erlebt immer wieder arge Sachen, auch wenn sich immer alle wahnsinnig lieb bemühen. Die Schwestern unserer Station im Kinder-OP-Zentrum im AKH sind zum Beispiel großartig. Sie kümmern sich so liebevoll und versuchen zu helfen, wo es geht.“ Sophies Mama ist derzeit vom Beruf karenziert. „Sonst könnte ich nicht so viel bei ihr sein“, erzählt sie.
„Leute, seid dankbar, wenn alle gesund sind“
Trotz allem ist Sophie ein glücklicher Mensch. „Es ist großartig, wie sich immer alle bemühen, dass sie ein halbwegs normales Leben führen kann, dafür sind wir sehr dankbar“, meinen die Eltern. Und wundern sich oft über Menschen, die sich über Kleinigkeiten, wie das Essen in der Schule oder im Kindergarten oder schlechtes Wetter aufregen. „Leute, seid doch einfach dankbar, wenn alles okay ist. Manche haben ein viel schwereres Los und beklagen sich nicht darüber.“
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