Querdenker im Visier
Schüler protestiert: „Seid nicht Sophie Scholl!“
Mit nur 16 Jahren stellt sich Max alleine gegen eine Querdenker-Demo in Sachsen-Anhalt – und trifft mitten ins Herz der Szene. Seine mutige Rede geht in sozialen Netzwerken viral und setzt ein starkes Zeichen gegen Hetze, Geschichtsverdrehung und rechte Umtriebe.
„Ihr seid nicht Sophie Scholl!“ Mit diesen Worten wendet sich der 16-jährige Max an die Teilnehmer und Teilnehmerinnen einer Querdenker-Demo in seiner Heimatstadt im ostdeutschen Sachsen-Anhalt. Am „offenen Mikrofon“, das für die von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern geforderte Meinungsfreiheit steht, will der Schüler ein klares Zeichen gegen die Spaltung der Gesellschaft setzen.
„Bin nicht hier, um zu gefallen“
Seit Max das Video seiner Kundgebung Montagnacht teilte, geht das Video in sozialen Netzwerken viral. Bereits seit fünf Jahren würden die Demoteilnehmer an jedem Montag demonstrieren, wie er gegenüber krone.at erzählt. Nicht einmal die Polizei wäre dem neutral gegenübergestanden. Eher hätten sie Witze mit den Demonstrierenden gerissen. Dass die Demos nicht auf Gegenwind stoßen würden, habe ihn gestört – also plante er selbst für seine Meinung einzustehen.
Damals, zu Pandemiebeginn vor fünf Jahren, wären regelmäßig mehrere hundert Demonstrierende in der Kleinstadt zusammengekommen, erzählt der 16-jährige Schüler. Heute sind es nur noch um die 30 Teilnehmer, die Bewohner würden den Querulanten kaum mehr Beachtung schenken. „Ich bin nicht hier, um zu gefallen. Ich habe eine ganz andere Meinung als ihr alle. Ich bin hier, weil ich persönlich – und Achtung, Triggerwort – Antifaschist bin“, beginnt er seine Rede in Richtung der Gruppe.
Am „offenen Mikrofon“ der Demo spricht Max zu den Querdenkern:
Johlendes Gelächter und Zwischenrufe
Als Schüler einer zehnten Klasse habe er gelernt, wie gefährlich es ist, wenn „Geschichte verdreht“ werde. Aber genau das sehe er jeden Tag da draußen. Seine vorbereitete Rede liest er von seinem Handy ab und sieht immer wieder in die Menge. Diese reagiert teils mit johlendem Gelächter und Zwischenrufen. Von außen wirkt Max jedenfalls gelassen: „Ja, andere Meinungen tun weh“, entgegnet er.
Wer einen Pieks mit einem KZ (Konzentrationslager, Anm.) vergleicht, hat auf dem Kopf weniger Schutz als im Gesicht.
Der 16-jährige Max in Richtung Querdenker
Er spricht auch von „Meinungsfreiheit“ – ein Wort, dessen Bedeutung durch die Querdenkerszene eine bedenkliche Verzerrung erfahren habe. Denn dort würde nicht Meinung, sondern „Hetze“ stehen. Er habe genug davon, wie die Demonstrierenden sich als „Freiheitskämpfer“ darstellen, während sie „Seite an Seite“ mit Faschisten marschieren würden, argumentiert er sachlich. Er bedaure ihren Realitätsverlust, denn während Intensivstationen überlaufen gewesen wären, hätten Demoteilnehmer das verpflichtende FFP2-Maskentragen „mit einer Diktatur“ verglichen. „Wer einen Pieks mit einem KZ (Konzentrationslager, Anm.) vergleicht, hat auf dem Kopf weniger Schutz als im Gesicht“, betont er.
Fakten wären das, was die Bewegung „canceln“ würde. Dabei zählt er die Reihe an argumentativen Widersprüchen auf, in jene sich die Querdenker immer wieder verstricken würden. In einem öffentlichen Telegram-Kanal der Region teilen sie ihre Meinung öffentlich – der Channel ist für jede Person frei zugänglich. Max recherchiere dort selbst gelegentlich, was in den „Echokammern“ geteilt werde.
Das Thema greift er auch in seiner Rede auf: „Ihr lehnt westliche Medien ab, aber zitiert russische Propaganda. Nennt euch Friedensfreunde, aber feiert einen Diktator, der ukrainische Wohnhäuser zerbombt“. Und weiter: „Wenn ihr in eurem Weltbild noch tiefer grabt, kommt euch irgendwann Göbbels entgegen und nickt.“
Wenn ihr in eurem Weltbild noch tiefer grabt, kommt euch irgendwann Göbbels entgegen und nickt.
Der junge Aktivist und Schüler Max
Max: Habt „denk“ im „Querdenken“ verloren
Max wisse, dass ihr Gerede nicht harmlos sei. Faschismus fange nicht mit dem ersten Schuss, sondern mit der ersten Verharmlosung an. Er erkenne, wenn Leute anfangen würden, Geschichte umzuschreiben. Neutralität bedeute für ihn, in Zeiten des Hasses an der Seite der Täter zu stehen. Denn: Wenn man in den Reden der Querdenker nicht mehr unterscheiden könne, ob sie von einem Impfgegner oder einem Neonazi stammen, dann hätten sie das „denk“ im „Querdenken“ endgültig verloren.
Bis Mittwochabend wurde das Video allein auf X rund 765.000 Mal aufgerufen und fast 12.000 Mal geliket. Max bleibt nicht nur auf der Straße aktiv – seit zwei Jahren engagiert sich der 16-Jährige auch parteipolitisch. „In Zeiten wie diesen muss man etwas tun“, sagt er gegenüber krone.at. „Die Gesellschaft ist gespalten, das sehe ich hier in der ostdeutschen Kleinstadt, in der 44 Prozent der Menschen die AfD wählen, ganz besonders“, betont er. Seine Rede setzt ein starkes Zeichen – in einer Region, in der die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte AfD zunehmend an Einfluss gewinnt.
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