100 Tage Trump

Chaos-Zölle als schräge Liebesgrüße aus Washington

Außenpolitik
24.04.2025 06:37

US-Präsident Donald Trump liebt Zölle. Das Wort sei „das schönste“ im Wörterbuch, schwärmt er. In seinen ersten 100 Tagen als 47. US-Präsident konnte Trump das auch glaubhaft vermitteln. Er überzog die Weltwirtschaft mit zusätzlichen Zöllen auf Einfuhren in die USA, schickte die Börsen damit weltweit auf Talfahrt, um die Zölle später zumindest teilweise wieder abzuschwächen.

Beobachter lässt die oftmals als „erratisch“ bezeichnete Zollpolitik Trumps ratlos zurück. Die Liebe zu Zöllen ist bei Trump allerdings nichts Neues. Noch lange bevor der ehemalige Immobilienmogul zum US-Präsidenten gewählt wurde, wetterte er gegen die seiner Ansicht nach zu niedrigen US-Zölle auf chinesische Waren. Als US-Präsident sitzt er nun an den Hebeln der Macht; er ist überzeugt, die USA würden im Welthandel unfair behandelt werden. Die Handelsdefizite bei Waren – allen voran mit China (Handelsüberschuss 2024: 295,5 Mrd. US-Dollar) und der Europäischen Union (198,2 Mrd. Euro)- sind Trump ein Dorn im Auge.

Die Zollkeule
Die im Wahlkampf mehrmals angekündigte Erhöhung der US-Zölle wird umgehend nach dem Wiedereinzug ins Weiße Haus zur Realität. Zölle auf Waren aus China, Mexiko und Kanada werden beispielsweise im März empfindlich erhöht. Trump begründet sein Vorgehen mit der Drogenpolitik. Alle drei Länder hätten nicht genug getan, um den Zustrom des tödlichen Fentanyl-Opioids und seiner Vorläuferchemikalien in die USA einzudämmen. Später nimmt er die Zölle teilweise wieder zurück. Außerdem verhängt er Strafabgaben auf alle Aluminium- und Stahlimporte und brachte Zölle in Höhe von 25 Prozent auf importierte Autos und Autoteile auf den Weg.

Am 2. April kommt die Zollkeule für „die ganze Welt“ oder – wie Trump es nennt – „der Befreiungstag“: Der US-Präsident präsentiert eine Tafel mit Ländern und Zolltarifen. Die EU wird etwa mit Aufschlägen von 20 Prozent belegt, Indien mit 26 Prozent, Südkorea mit 25 Prozent und Japan mit 24 Prozent. Staaten wie Russland und Belarus sind ausgenommen. Ein paar Tage später verschiebt Trump die Einführung der sogenannten reziproken Zölle auf 90 Tage für alle gelisteten Länder und setzt den Zollsatz bei vorübergehend 10 Prozent – abgesehen von den 25 Prozent auf Stahl, Aluminium und Autos – fest, mit einer Ausnahme: China.

China soll laut ursprünglicher Liste gar 34 Prozent bekommen. Der Handelsstreit eskaliert. Peking legt nach, Washington legt nach. Schlussendlich liegen die Einfuhrabgaben beider Seiten jenseits der 100 Prozent. Nach Angaben aus dem Weißen Haus drohen China sogar auf bestimmte Waren 245 Prozent. Peking erklärt kurz darauf, auf ein „Zahlenspiel mit Zöllen“ nicht zu reagieren und warnte andere Länder vor Handelsabkommen mit den USA „auf Kosten“ von China. Trump schlägt mittlerweile versöhnliche Töne gegenüber Peking an.

Die Basis
Trump beruft sich auf ein Gesetz aus dem Jahr 1977, den International Emergency Economic Powers Act (IEEPA). Damit werden ihm weitreichende Befugnisse zur Krisenbekämpfung eingeräumt. Trump rief im Rahmen dieses Gesetzes den nationalen Notstand aus, da das Defizit der USA im internationalen Warenhandel „groß und anhaltend“ sei. Es stieg 2024 auf 1,2 Bio. Dollar (1,11 Bio. Euro). Die industrielle Produktion müsse in die USA zurückgeholt und neue Arbeitsplätze geschaffen werden, argumentiert der Republikaner. 

Aber eigentlich ist die Wirtschaft in Übersee recht gesund. 2024 dürfte die US-Wirtschaft Schätzungen zufolge um 2,8 Prozent gewachsen sein. „Die USA hatte im vergangenen Jahr ein höheres Wachstum als Europa“, stellt der Außenhandels-Ökonom und WU-Universitätsprofessor Harald Oberhofer im Gespräch mit der APA fest. Auch die Arbeitslosenquote (um die vier Prozent) und die Inflationsrate (unter drei Prozent) sind moderat. Experten zufolge ist das ökonomische Umfeld ideal für Arbeitnehmer, Unternehmer und Anleger.

Die Unsicherheit
Nichtsdestotrotz ist Trump nahezu besessen von Handelsdefiziten und der Idee, die industrielle Produktion in den sogenannten Rostgürtel der USA zurückzuholen. Der „rust belt“ umfasst US-Staaten mit Städten wie Detroit oder Cleveland im Nordosten und Mittleren Westen des Landes, die früher insbesondere von Stahl-, Kohle- und Automobilproduktion geprägt waren. Mit der Globalisierung wanderte die Industrieproduktion jedoch vor allem nach China ab – ebenso die Arbeitsplätze. Trumps Versprechen kam im Wahlkampf in dieser Region also gut an und wurde entsprechend mit Wählerstimmen honoriert.

Das Problem ist nur: „Investitionen werden nicht von heute auf morgen schlagend“, erklärt Oberhofer. Erreichen könne Trump das nur durch „protektionistische Maßnahmen“ und das könne nur dann funktionieren, wenn „man das dauerhaft tut, also auch über seine Amtszeit hinaus“, ergänzt der Wifo-Ökonom. „Seine erratische Politik sorgt eher für sehr viel Unsicherheit, die ökonomische Unsicherheit in den USA war noch nie so hoch wie heute, auch gemessen anhand von einem Index, da ist die Covid-Pandemie verhältnismäßig unbedeutend.“ Und: „Unsicherheit ist für Investitionen niemals gut“, betont Oberhofer.

Das Feuerwerk
Oberhofer spricht von einem „Feuerwerk an Ankündigungen und Rücknahmen“ in den ersten 100 Tagen Trumps zweiter Amtszeit. „Insgesamt sind es drei Monate Unsicherheit und im Wesentlichen ein handelspolitischer Konflikt, den Donald Trump mit dem Rest der Welt angefangen hat.“ Der US-Präsident habe dem „regelbasierten Welthandelssystem einen schweren Schlag versetzt, es ist eine Politik, wo er Stärke und Größe zu seinem Vorteil ausnützt und sich nicht an internationale Spielregeln halten möchte“, sagt der Ökonom. Das könnten sich andere Volkswirtschaften zum Vorbild nehmen, gibt Oberhofer zu Bedenken.

Die Trump-Administration macht es sich auch einfach. Bei der Berechnung der reziproken Zölle habe Washington nur das „relative Handelsbilanzdefizit gemessen an den Importen eines Handelspartnerlands berücksichtigt“, erklärt Oberhofer. Aus der Forschung wisse man, dass dies nur auf 13 Prozent der tatsächlichen Handelsbarrieren zurückzuführen sei. Außerdem sei in der gesamten Berechnung der Dienstleistungshandel nicht miteinbezogen worden. Das Handelsdefizit bei Waren mit der EU ist zwar negativ, bei Dienstleistungen schaut es jedoch anders aus. Hier ist die EU vor allem von den US-Techkonzernen abhängig, sodass das Handelsdefizit der EU gegenüber dem der USA im Jahr 2023 rund 109 Mrd. Euro betrug.

Die Verhandlungen
Im Gegensatz zu China setzt der Rest der Welt auf Geduld. Die EU-Kommission, die im Namen ihrer Mitgliedsländer verhandelt, verschiebt ihre angekündigte Antwort auf die US-Zölle auf Stahl und Aluminium. Es laufen Gespräche mit Vertretern der US-Regierung. Trump zeigt sich überzeugt, „100 Prozent“ eine Lösung in dem Zoll-Konflikt mit der EU zu finden. Oberhofer ist sich da nicht sicher, zumindest was den Zeithorizont betrifft: „Das ist eine relativ große administrative Aufgabe für die USA, mit allen Handelspartnern der Welt zu verhandeln, das ist nicht zu unterschätzen, ob man in 90 Tagen Abkommen schafft, ist unklar.“

Klar ist hingegen, dass die USA aktuell laut Oberhofer ein „machtbasiertes anstelle eines regelbasierten Handelssystems“ vertritt. Die EU fühle sich aber nach wie vor verpflichtet, sich an Regeln zu halten, sonst würde sie die Politik Trumps unterstützen – und zwar, „Regeln vollkommen ignorieren und zerstören“, sagt der Ökonom. Das könne langfristig nicht das Ziel der EU sein, vor allem für Volkswirtschaften, die an guten Beziehungen mit der Welt interessiert seien.

Die Folgen
Eins steht auf jeden Fall fest: Die Trump‘sche Zollpolitik wird herbe Konsequenzen für die Weltwirtschaft nach sich ziehen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet mit einer globalen Wachstumsflaute. Die globale Wirtschaft soll mit 2,8 Prozent deutlich langsamer wachsen als noch im Jänner prognostiziert (minus 0,5 Prozentpunkte). Das Wirtschaftswachstum im Euro-Raum soll bei gerade einmal 0,8 Prozent liegen. Die Österreich-Prognose für heuer geht gar von einem Wirtschaftsrückgang um 0,3 Prozent aus.

Auch der Handelskrieg zwischen China und den USA könnte tiefe Spuren in Europa hinterlassen. Die hohen Zölle dürften den Handel zwischen den beiden Großmächten für bestimmte Güter nahezu zum Erliegen bringen. Die Folge: China überschwemmt den EU-Markt mit seinen Produkten. „Das ist etwas, dass wir aus der Forschung wissen, dass das tatsächlich passiert, dass es zu Handelsumlenkungen kommt“, erklärt der Oberhofer. „Es ist ein Konflikt, den Donald Trump mit der ganzen Welt ausficht.“

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