Nicht in Favoriten, sondern am Stephansplatz beendete die FPÖ ihren Wahlkampf. Der Ort ist neu, die Inhalte bekannt, die Kirche distanzierte sich, aber das Publikum erschien zahlreich.
Wo sonst Touristen Selfies mit dem Stephansdom knipsen und Fiaker gemächlich ihre Runden ziehen, dominierte am Donnerstagnachmittag Blau: FPÖ-Landeschef Dominik Nepp lud zum großen Wahlkampffinale – und Hunderte folgten seinem Ruf. Im Schatten des Doms, aber ohne seinen Segen, denn die Erzdiözese Wien stellte schon im Vorfeld klar: „Eine Vereinnahmung des Stephansdoms für parteipolitische Zwecke würden wir nicht gutheißen.“ Das Glockenläuten blieb daher betont neutral – liturgisch korrekt, aber politisch unbeteiligt.
Nepp hingegen schlug lautere Töne an. Mit viel Pathos, gewohnt scharfer Rhetorik und einer gehörigen Portion Wut im Bauch, wetterte der FPÖ-Spitzenkandidat gegen das, was er „das unfaire Ludwig-System“ nennt. Die Rollenverteilung war klar: Hier der „Schutzschild“ der kleinen Leute, dort der sozialdemokratische Bürgermeister, der „Pensionisten ausnimmt“ und „kriminelle Asylanten anlockt“.
700 Millionen – Nepps Allzweckwaffe
Wie ein Kaufmann, der seine Rechnungen aufmacht, präsentierte Nepp sein Lieblingsbeispiel: Die behaupteten „700 Asyl-Millionen“ jährlich, die Bürgermeister Ludwig angeblich für Mindestsicherung „an Menschen, die sich nicht integrieren wollen“ verteile. Was man mit dieser Summe alles machen könnte, ließ Nepp das Publikum wissen: Mehr Geld für Pfleger, Polizisten, Sanierungen im Gemeindebau – die Liste schien endlos. Dass diese Zahl von Experten regelmäßig hinterfragt wird, erwähnte er nicht.
icherheit, Schimmel und Stammesfrieden
Die Stadt Wien zeichnete Nepp in düsteren Farben: Messerstechereien, Jugendbanden, überforderte Polizei. Sogar von einem „Friedensvertrag zwischen Afghanen, Syrern und Tschetschenen“ wusste er zu berichten – vermittelt durch die Stadt, wie er süffisant anfügte. Ein Bild, das an Wildwest-Romantik erinnert, nur ohne Happy End.
Auch der Zustand der Gemeindebauten diente als Beweis für das vermeintliche Versagen der SPÖ: Schimmelnde Wände, undichte Fenster und Fundamentprobleme – laut Nepp Symptome einer herzlosen Stadtpolitik. „Herzlos“ war dabei eines seiner Lieblingswörter, ob bei der Kritik an den Pensionskürzungen oder bei den Wohnbedingungen der Wiener.
Von Corona bis Kleingarten-Skandal
Nepp spannte den Bogen weit: Vom „Corona-Untersuchungsausschuss“, den er bei entsprechender Mandatsstärke ankündigte, bis hin zum „roten Kleingarten-Privileg“, das er den Sozialdemokraten gemeinsam mit den NEOS vorwarf. Die politische Konkurrenz fasste er in einem Wort zusammen: „Einheitspartei“. Nur die FPÖ stehe „an der Seite der Wiener“.
Kirche bleibt auf Distanz
Während Nepp seine Anhänger für den Wahlsonntag mobilisierte, blieb der Stephansdom im Hintergrund stumm. Die Erzdiözese betonte, sie habe „kein Einspruchsrecht für Veranstaltungen“ am Platz, stellte aber klar: Parteipolitische Inszenierungen im Schatten des Doms seien unerwünscht.
Finale mit altbekannten Tönen
Zum Schluss rief Nepp zum „Aufstehen“ gegen das „System Ludwig“ auf – ein Appell, der in FPÖ-Reden Tradition hat. Unterstützt von Herbert Kickl und weiteren Kandidaten endete die Veranstaltung, wie sie begonnen hatte: Laut, kämpferisch und mit dem Versprechen, Wien „wieder fair und sicher“ zu machen. Ob der Denkzettel, den Nepp ankündigte, am 27. April tatsächlich ausgestellt wird, entscheiden nicht die Lautstärke am Stephansplatz, sondern die Stimmen in der Wahlurne.
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