Live in der Stadthalle

Rainhard Fendrich zündet den Jubiläum-Turbo

Musik
26.04.2025 02:29

Zum 70. Geburtstag gab es für Rainhard Fendrich Freitagabend beim mit 10.000 Fans gefüllten Heimspiel der Wiener Stadthalle stehende Ovationen. Angesichts der Tatsache, dass er alle Highlights aus 45 Jahren Geschichte geschickt in ein knapp dreistündiges Korsett zwängte, muss man von Knochenarbeit sprechen. Dass es sich trotzdem so leichtfüßig anfühlte, liegt nicht zuletzt an seinem kompositorischen Genie.

So unterschiedlich wir Menschen auch sein mögen, dem natürlichen Lauf der Zeit kann niemand enteilen. Das weiß auch Austropop-Legende Rainhard Fendrich, der bei seiner opulenten Stippvisite in der Wiener Stadthalle schon früh im Set klar Schiff bekennt: „Irgendwann ist man kein Geburtstagskind mehr, sondern ein Jubilar“. Ende Februar feierte der kommerziell erfolgreichste seines Genres seinen 70. Geburtstag. Nicht zuletzt im großen „Krone“-Interview sprach er offen über Sorgen und Unsicherheiten, die mit der erbarmungslosen Fortdauer des Lebens einhergehen. Doch Rainhard Fendrich bringt das Altern in eine fast schon buddhistische Mitte. Wenn er sich nicht gerade gegen rechtslastige Politik und die zunehmende Spaltung in der Gesellschaft einsetzt, dann hat der Charmeur mit den gut bekömmlichen Hits längst Ruhe und Frieden in und um sich herum gefunden. Fendrich ist aufgeräumt, lebenslustig, spielfreudig und bestens gelaunt – all diese Attribute kommen auch auf der großen Jubiläumstour zum Schlagen.

Die Mitte des Lebens gefunden
Von den 70 Jahren verbringt Fendrich bereits ganze 45 auf den unterschiedlichsten Bühnen dieser Welt. Für die große Karriere-Rückschau hat er sich in der Theorie so viel vorgenommen, dass sich daraus in der Praxis fast dreistündige Konzerte ergeben – nahezu allabendlich. „Mein schönstes Geschenk ist, dass ich hier vor vollem Haus stehen darf. Deshalb schlagen wir einen Bogen von den frühen 80er-Jahren bis in die Gegenwart.“ Nicht weniger als 10.000 Fans sind gekommen, um ihren Raini endlich wieder live zu sehen. Fendrich mag ein Hit-Wurlitzer sein, er ist aber kein Live-Wurlitzer. Das große Austropop-Flaggschiff kreuzt nur alle paar Jahre über die Holzspanweltmeere, die die Welt bedeuten. Dazwischen genießt er das Leben als partieller Künstlerpensionär, lässt sich von der kreativen Muse küssen oder übt sich kommentierender Beobachter des entrückten Weltgeschehens.

(Bild: Andreas Graf)

Wo der heimische Pop-Express Bilderbuch noch am Vorabend mit großem Besteck auffuhr, setzt Fendrich, ganz der alten Schule dienend, auf die Kernelemente einer Konzertveranstaltung. Das gemeinsame Musizieren mit einer vierköpfigen Band, einen erdigen, aber zu keiner Zeit billigen Sound und wohltemperierte Lichteffekte, die nie ins Effekthascherische übergehen. Eröffnet wird der ausladende Abend mit seiner ersten Erfolgssingle, „Zweierbeziehung“, mit „Vogelfrei“, „Es tuat so weh, wenn ma verliert“ und „Vü schöner is des G’fühl“ geht es nahtlos im Takt weiter. Nach nicht einmal 20 Minuten können manche Dinge bereits festgestellt werden: Rainhard Fendrichs komplettes Repertoire besteht ausschließlich aus riesengroßen, großen oder mehr als adäquaten Hits. Seine Stimme ist klar und in den richtigen Momenten rau, insgesamt so gut und pointiert wie seit langer Zeit nicht mehr – und der Schmäh rennt scheinbar mühelos.

Die Pizza am Wolfgangsee
Vor „Auf und davon“ gibt er freimütig zu, dass er nicht immer gewusst habe, was bei manchen Texten in ihn gefahren sei. „Früher war definitiv nicht alles besser, das ist der Beweis.“ Der fortgeschrittene Rainhard Fendrich hat kein Versteckspiel mehr nötig und erzählt etwa die humorige Anekdote, dass er des Österreichers liebste Urlaubssommerhymne „Strada del sole“ nicht am Strand in Lignano, sondern am Wolfgangsee im Salzkammergut geschrieben habe. „Womöglich habe ich damals eine Pizza gegessen und war davon inspiriert.“ So ungezwungen und leichtfüßig war Fendrich seit seinen Frühzeiten nicht mehr. Danach schlug die Über-Nacht-Karriere wie ein Dampfhammer ein. Dazu gesellten sich private Tragödien, ein lang verborgenes Kokainproblem und die latente Unzufriedenheit mit sich und Teilen seiner Karriere. Fendrich hat sich von all den Missinterpretationen seiner durchaus geistreichen Texte, dem bewussten Hineinschieben in eine seichte Schublade und gegen die unfairen Vergleiche mit den dunkleren Songwritern der Austropop-Vergangenheit emanzipiert.

(Bild: Andreas Graf)

Diese ehrliche Freude vermittelt er zu jeder Zeit seines Auftritts und besonders bei den Nummern, die selbst lange ein rotes Tuch für ihn waren. Etwa der etwas simpel verfasste frühe Hit „Oben ohne“ oder die inoffizielle österreichische Hymne „I Am From Austria“, auch jahrelang zutiefst stiefmütterlich vom Interpreten behandelt. „Heute spiele ich das Lied wieder, weil die Zeit dafür reif ist. Man kann die Heimat lieben, ohne andere zu hassen.“ Humane Botschaften streut der Künstler immer wieder ins Set ein. Vor dem Disco-Hit „Wien bei Nacht“ etwa bricht er eine Lanze für die Vielvölkerstadt Wien. „Das größte Unglück meiner Mutter war mein größtes Glück – ich bin in einer Stadt geboren, die mir alle Chancen gab. Das Völkergemisch macht Wien erst so richtig aus.“ Den Klassiker „Schwarzoderweiß“ leitet er mit dem Satz „Rassismus ist ein gesellschaftliches Problem. Das man sich versteht passiert, wenn man kein Arschloch ist.“

Maskulinitäts-Trilogie
Als sozialpolitisches Gewissen des Austropop hat sich Fendrich in seiner Rolle des Liedermachers in eine neue Karrieredimension gespielt, die zuweilen spaltet, den Künstler aber echt und authentisch in die Öffentlichkeit bringt. Inklusive Pause dauert die Hit-Show an die drei Stunden, es bleibt kein Klassiker ungespielt. In „Zwischen eins und vier“ blickt der Sänger noch einmal auf die Belle Époque des Austropop zurück, der „Tango Korrupti“ ist von zeitloser Aktualität, „Frieda“ entführt in die Vergangenheit, wo man im Kino zarte Liebesbande knüpfte und mit „Schickeria“, „Blond“ und „Macho Macho“ legt er sogar eine Maskulinitäts-Trilogie ein, bevor er mit „Nur ein Wimpernschlag“, dem hervorragenden Titelsong des auf Platz eins gegangenen aktuellen Albums „Wimpernschlag“, ruhige Töne anschlägt und mit Wortwitz, Eleganz und der einen oder anderen Träne im Auge zurückblickt und den schnellen Verlust von Leben und Lebenszeit abhandelt. Abgeschlossen wird die Karriere-Retrospektive mit „Nie wieder Krieg“. Zufriedenheit nach dem Gig herrscht auch beim Ausgang. „Er hat eigentlich olle seine Hadern gespielt. Olle“, zeigt sich ein Besucher im breiten Oststeirisch überrascht und erfreut. Was will man mehr? Oder um es mit Fendrichs Worten zu sagen: „Glücklichsein kann man lernen“ Man merkt dabei genau: Er muss es ja wissen.

(Bild: Andreas Graf)

Weiter live in Österreich
Auf seiner Jubiläumstour ist Rainhard Fendrich weiterhin in Österreich unterwegs. Morgen Abend, am 27. April, spielt er in der Salzburgarena, am 1. Mai in der Halle 11 in Dornbirn, am 5. Mai in der Linzerarena, am 16. Mai noch einmal in einer wohl randvollen Wiener Stadthalle, am 17. Mai ein zweites Mal in der Salzburgarena, am 6. Juli in der Klagenfurter Ostbucht am Wörthersee, am 28. Oktober in der Stadthalle Graz und am 31. Oktober in der Innsbrucker Olympiahalle. Unter www.oeticket.com gibt es noch alle restlichen Karten und weitere Informationen zu den Top-Konzerten.

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