Robert Schneider:

„Ich und meine sechs Päpste“

Vorarlberg
27.04.2025 06:15

Der Vorarlberger Schriftsteller Robert Schneider lässt einen ganzen Papst-Reigen Revue passieren – bald wird er sich an einen weiteren Heiligen Vater erinnern müssen. 

So richtig ans Herz gewachsen ist er mir, als er bei einem nächtlichen Bad in der Menge auf dem Petersplatz einer aufdringlichen Pilgerin auf die Hand schlug, weil sie die seine an sich gerissen hatte. Mit verärgerter Miene schritt Papst Franziskus weiter, und die asiatische Verehrerin blieb in Schockstarre zurück. „Der Heilige Vater hat mich geschlagen!“ Von dem Zeitpunkt an mochte ich ihn. Man ist eben irrational.

Er hat viele schöne Sätze gesagt. Die meisten trafen den Nagel auf den Kopf, bei einem jedoch hat er geschummelt: „Nein, ich wollte nicht Papst werden. Ein Mensch, der Papst werden will, liebt sich nicht selbst.“ Natürlich wollte er Papst werden, und zwar schon vor Ratzinger, wäre auch um ein Haar gewählt worden, wenn da nicht der dunkle Punkt auf seiner Weste gewesen wäre, der Franz P. Franz Jalics SJ hieß.

Wollte von den Vorgängen nicht gewusst haben
Pater Jalics wurde, gemeinsam mit einem Mitbruder, von der argentinischen Militärjunta verschleppt und fünf Monate mit verbundenen Augen und gefesselt in Haft gehalten, am Ende in einem undurchdringlichen Gelände ausgesetzt. Man hoffte, die beiden Jesuiten würden nicht mehr in die Zivilisation zurückfinden und verhungern oder verdursten. Man hatte sich getäuscht. Jalics fand zurück, und der Provinzial der Jesuiten, der Jorge Mario Bergoglio hieß, wollte von den Vorgängen nichts gewusst haben. Zweifel blieben. In den argentinischen Medien kochte just um die Papstwahl diese Geschichte wieder auf, weshalb das Kardinalskollegium von der Wahl Abstand nahm. Beim zweiten Anlauf, also nach Ratzingers Abdankung, klappte es dann.

Joseph Ratzinger, Benedikt XVI., fanden nicht alle wirklich sympathisch. (Bild: APA/Martin Schutt)
Joseph Ratzinger, Benedikt XVI., fanden nicht alle wirklich sympathisch.

Dennoch mochte ich ihn. „In Rom Reformen zu machen, ist wie die ägyptische Sphinx mit einer Zahnbürste zu putzen“, sagte er im Dezember 2017 in seiner Weihnachtsansprache vor der römischen Kurie. Genau daran scheiterte er auch. In franziskanischer Armut zu leben und keine roten Schuhe mehr zu tragen, war das Eine. Die katholische Kirche jedoch grundlegend zu reformieren, etwa Frauen zum Priesteramt zuzulassen, wäre das Andere gewesen. Dazu fehlte ihm letztlich der Mut. Er hatte Angst vor einer Kirchenspaltung. Die Ratzinger-Fraktion machte ihm das Leben zur Hölle. Also blieb es nur bei symbolischen Gesten.

Ich war immer Päpste-affin. Das hängt natürlich mit meiner katholischen Erziehung zusammen. Ein Papst war etwas ganz Besonderes. Schon von dieser Welt, aber in Wirklichkeit auch wieder nicht. Als ich die Todesnachricht von Papst Franziskus hörte, kam mir sofort der Gedanke: Wie viele Päpste hast du eigentlich schon überlebt? Sechs sind es an der Zahl, wobei ich an Papst Johannes XXIII., der übrigens von Papst Franziskus heiliggesprochen wurde, gar keine Erinnerung habe. Erst viel später lernte ich, dass Johannes XXIII. das Zweite Vatikanum einberufen hatte, um die Kirche auf einen modernen Kurs zu bringen. Mir ist noch schwach in Erinnerung, dass die Kapläne in unserer Gemeinde plötzlich ins Schwimmbad gingen, das Vaterunser auf Deutsch beteten, und wilde, bärtige, links angehauchte Jungs waren. Davon ist aber später nichts geblieben. Die Kirche hat sie in ihren Schoß zurückgeholt. Es wurden brave, bieder Pfarrer aus ihnen, und einige, die sich damals besonders modern geriert hatten, begannen, wieder den römischen Priesterkragen zu tragen.

(Bild: Reuter)

Starke Erinnerungen habe ich an Paul VI., der von 1963 bis 1978 Papst war. Meine Großmutter verehrte Giovanni Battista Enrico Antonio Maria Montini. Sie konnte wirklich alle seine Vornamen frei daher sagen, war sogar einmal in Rom gewesen und soll ihn leibhaftig gesehen haben – ein winziges, weißes Pünktchen auf der Benediktionsloggia. Wie habe ich meine Großmutter beneidet! Sie hat tatsächlich einen Papst gesehen, sozusagen aus nächster Nähe. Wir hatten damals einen Schwarz-weiß-Fernseher der Marke Hornyphon. Ein Ungetüm von einem Kasten, an dem man sich die Finger verbrannte, wenn man einen ganzen Film angeschaut hatte. Weder meine Großmutter noch mein Vater ließen eine Weihnachts- oder Osterbotschaft ungesehen verstreichen. Die ganze Familie saß vor dem Fernseher. Beim „Urbi et Orbi“-Segen mussten wir Kinder vor dem Fernseher hinknien und das Kreuzzeichen machen. Ich spürte die Wirkung des päpstlichen Segens sofort. Es fiel überhaupt nicht mehr schwer, ein besserer Mensch zu werden. Sofort verzieh ich meinem Bruder alle Ungerechtigkeiten.

Einer zog ganz spurlos vorbei
Der 33-Tage-Papst Johannes Paul I., der „Papst des Lächelns“, zog recht spurlos an mir vorbei. Ich war damals unsterblich in ein Mädchen verliebt und hatte weiß Gott andere Sorgen. Ich erinnere mich nur, dass ich mich der Verschwörungstheorie in David Yallops Buch „Im Namen Gottes?“ anschloss, wonach Albino Luciano durch dunkel bebrillte Mafiosi in der Vatikanbank, der Banco Ambrosiano, um die Ecke gebracht worden war. Er hatte einfach zu viel gewusst. Das überlebt nicht einmal der Papst.

Johannes XXIII. mit Queen Elizabeth und Prinz Philipp. (Bild: AP/AP ( via APA) Austria Presse Agentur)
Johannes XXIII. mit Queen Elizabeth und Prinz Philipp.
Paul VI.: An diese beiden Päpste kann sich Robert Schneider besonders gut erinnern. (Bild: AP/MARIO TORRISI)
Paul VI.: An diese beiden Päpste kann sich Robert Schneider besonders gut erinnern.

Das Pontifikat des Karol Wojtyla interessierte mich schon erheblich weniger. Vielleicht, weil ich während des Studiums in Wien in eher linkes Fahrwasser driftete, vielleicht auch aus Protest meinem Vater gegenüber, der immer noch beim „Urbi et Orbi“ vor dem Fernseher kniete, der jetzt die Marke Grundig war und in Farbe sendete.

Über Joseph Ratzinger, Benedikt XVI., weiß ich gar nichts Mitfühlendes zu berichten. Er war mir keine Inspiration. Ich fand die Idee mit „Wir sind Papst!“ lächerlich. Außerdem mochte ich sein Gesicht nicht, das auf mich immer irgendwie verdruckt und verschlagen wirkte. Für mich strahlte er nichts Gewinnendes aus. Ein Mensch mit kühlem Kalkül, der die längst nötigen Reformen in der katholischen Kirche auf Eis legte. Sicher bin ich ungerecht.

Als Papst Franziskus am vergangenen Ostermontag starb, dachte ich, egoistisch, wie ich bin: Auf zum siebten Papst! Irgendwie begleiten einen die „Heiligen Väter“ doch durch ein Leben, ob man nun will oder nicht.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

Vorarlberg Wetter
7° / 13°
Symbol bedeckt
9° / 16°
Symbol bedeckt
9° / 17°
Symbol bedeckt
9° / 17°
Symbol bedeckt
Kostenlose Spiele
Vorteilswelt