Der Mai steht verstärkt im Zeichen des Gedenkens an 80 Jahre Kriegsende. „Uns war wichtig, das auch im Spielplan des Landestheaters vorkommen zu lassen“, sagt Schauspieldirektor David Bösch. Er inszeniert das Stück „Die Flucht“, das auf den Erlebnissen des österreichischen Publikumslieblings Ernst Waldbrunn in der NS-Zeit basiert. Die Premiere ist am 10. Mai.
In den 1960er- und 1970er Jahren gehörten zwei Komiker zum Hauptabendprogramm in Österreich: Ernst Waldbrunn (1907-1977), übrigens gebürtiger Krumauer, und sein hervorragender Partner Karl Farkas (1893-1971).
Basierend auf der Lebensgeschichte des Publikumslieblings und (halbjüdischen) KZ-Überlebenden Waldbrunn verfasste Autorin Lida Winiewic das Stück „Die Flucht“. Waldbrunn spielte sich selbst bei der Premiere 1965 in der Wiener Josefstadt. Damals bejubelt, wurde es später rasch vergessen.
Nun bringt es Regisseur David Bösch, Schauspieldirektor am Linzer Landestheater, endlich wieder auf die Bühne: „Eine Entdeckung, wir machen eine Mischung aus den zwei Fassungen, die es gibt.“
Für Bösch ist der Stoff sehr komplex
Es geht um ein jüdisches Künstlerschicksal während der NS-Zeit. Der Kern sind die Erinnerungen der Figur Anton Winter, Alter Ego von Waldbrunn. Und es geht um einen Gauleiter, der Kriegsverbrecher und Retter zugleich ist. Der Text ist vielfältig und wird in der Inszenierung auch „unterschiedliche Arten der Erinnerungskultur“ widerspiegeln. Und: „Es wird ein musikalischer Abend mit Wiener Liedern von Georg Kreisler“, denn eines soll nicht passieren: „In den Betroffenheitsmodus zu verfallen, sondern wir wollen gegenwärtiges Theater machen.“
Erinnerungskultur und aktuelle Themen
Vom Menschlichen her geht es um topaktuelle Themen: „Man sieht jemanden, der plötzlich in Schutt und Asche steht, die Leiche des Mutigen wird verscharrt und man nimmt sich auch noch den Mantel, weil es soll warm sein – es geht letztlich um Humanismus und Empathie.“
Publikum wird schon vorher angesprochen
„Wir öffnen den Probenprozess für Schulklassen“, sagt Bösch. Bei den kommenden fünf Proben wird das junge Publikum erleben können, wie der Regisseur arbeitet, wie Schauspieler an ihren Rollen feilen. „Das ist eine andere Offenheit, die Kommunikation mit dem Publikum ist nicht mehr auf die Vorstellung beschränkt.“
Theater setzt Gegen-Trend
„Es ist nicht TikTok mit ein paar Sekunden, sondern man sitzt 90 Minuten gemeinsam in einem Raum, der eine geballte Konzentration ermöglicht, sodass sowohl Lachen als auch stille Emotionen gemeinsam erlebt werden können.“ Und wohl auch „durchlebt“ werden müssen.
Christian Higer wird die Hauptrolle spielen, Christian Taubenheim den Gauleiter. Die Premiere findet am Samstag, 10. Mai, in den Linzer Kammerspielen statt.
Begleitprogramm im Mai
Neu ist ein umfangreiches Begleitprogramm zum Stück, das auch dem Gedenken geschuldet ist. So bietet man bereits am Sonntag, 4. Mai, eine musikalische Matinee. Die Ausstellung „darüber sprechen“ des Netzwerks erinnern.at wird im Foyer gezeigt; das Gastspiel „Die singenden Pferde von Buchenwald“ der Anton Bruckner Uni lässt am 11. Mai Musik aus dem KZ, u.a. aus der Repertoireliste des Frauenorchesters Auschwitz-Birkenau erklingen. Am 20. Mai findet das Podiumsgespräch „Wege des Erinnerns“ statt.