Ich befinde mich beim Frequency-Festival 2013 und werde bei hochsommerlichen Temperaturen zum Interview in den Backstagebereich geführt. Von der Hauptbühne tönen knackige Punk-Rock-Klänge von Pennywise durch die Mauern, drinnen überrascht Casper, leger in Shorts und T-Shirt gekleidet, mit der Eingangsfrage: "Kannst du ein Kunststück?" "Warum? Was meinst du genau damit?", frage ich interessiert zurück. "Naja", entgegnet der Rapper schmunzelnd, "da ich euch immer so schön unterhalte, möchte auch ich mal unterhalten werden." Mit ihm zu sprechen, ist zuweilen bereicherend, aber immer amüsant und angenehm.
Sprachrohr für eine junge Generation
Die sympathische Ausstrahlung und der allgegenwärtige Humor sind symptomatisch für den 31-jährigen Benjamin Griffey alias Casper, der nach langen Jahren in der zweiten Szene-Reihe mit "XOXO" 2011 völlig durch die Decke ging, Platz eins der deutschen Albumcharts eroberte und so nebenbei zum Sprachrohr einer ganzen Generation der deutschsprachigen Jugend wurde. Als ob er es schon damals geahnt hätte, als er auf dem Erfolgsalbum einen Song namens "Der Druck steigt" platzierte.
"Ich mag es, unter Erwartungshaltung ein Album zu machen", antwortet er auf die Frage, wie schwer ihm denn das Songwriting zum neuen Werk "Hinterland" gefallen sei, "wir waren immer in dem Bewusstsein, dass sich Hip-Hop und Pop-Magazine genauso für das Album interessieren wie das Feuilleton oder die Tagespresse. Trotz dieser Nervosität und dem manischen Wahnsinn sind wir nicht vom Weg abgewichen."
Vom Fan zum Mitmusiker
Auf "Hinterland" hat sich Casper auch einen persönlichen Fan-Traum erfüllt und arbeitete am Song "Lux Lisbon" mit Tom Smith, dem Sänger der Editors, zusammen. "Wir sind dadurch wirklich Freunde geworden, schreiben uns dauernd E-Mails oder SMS und treffen uns hie und da in Berlin auf einen Kaffee. Ich kann es noch immer nicht fassen", schwärmt der Rapper.
"Hinterland" klingt im Vergleich zu "XOXO" noch opulenter, noch bombastischer, aber in gewisser Weise auch auf Sicherheit getrimmt. "Ich hatte zwei Möglichkeiten", erklärt Casper ohne sich unnötig zu rechtfertigen, "entweder hätte ich zurückgehen und ein richtiges 'Auf-die-Fresse'-Rap- oder ein reines Singer/Songwriter-Album zu machen, oder eben ein Stadion-Album mit Ansage. Und das ist 'Hinterland' für mich." Den inflationär gebrauchten Begriff "Ausverkauf" kann Casper nichts abgewinnen: "In Deutschland bin ich jetzt ziemlich groß und wenn die neue Platte knallt, kann ich es wirklich nach oben schaffen. Ich finde es immer bescheuert, sich künstlich auf Block-Größe zu halten."
Popstar und kein Block-Artist
Diese Ehrlichkeit und Offenheit brachte Casper vor allem von der sogenannten "Szene-Polizei" immer viel Kritik ein. Die Stimme sei nicht okay, er sei nicht "real" genug oder einfach sowieso zu weich. Der Erfolg straft die Neider Lügen und mit Schubladendenken hat der smarte Jungstar nichts am Hut. "Das Magazin 'Juice' bezeichnet mich als tollen Rapper und das Rock am Ring bucht mich ins Festival-Line-Up - und immer haben gewisse Leute daran was auszusetzen", kommt der Künstler in Redeform, "wir sind zu Rap für Rock und zu Rock für Rap. Dabei mache ich einfach Pop, und Pop ist für mich kein Schimpfwort. Ich will Pop einfach cool machen und wenn du in der Dortmunder Westfalenhalle spielst, brauchst du den Leuten auch nicht mehr zu erzählen, welch cooler Block-Artist du bist. Dann bist du nämlich Pop."
Überhaupt hat Casper nicht immer derart moderne Ansichten, wie man sie von ihm vielleicht erwarten würde. So ist er auch froh, das "Hinterland" wirklich ein physisch zu kaufendes Album mit allem Drum und Dran ist. "Modern Life Is War zählen zu meinen absoluten Lieblingsbands und sie bringen nach acht Jahren wieder ein neues Album raus. Plötzlich fand ich es im Internet vor der Veröffentlichung als Full-Stream - das hat mich erschrocken. Hätte ich das Album vorbestellt, müsste sechs Wochen auf die Post warten, es ansehen, aufmachen und anhören können, wäre das das absolute Erlebnis für mich gewesen. Das war ein Mitgrund, warum wir die Werbeschiene für ,Hinterland' sehr zurückhielten."
Zusammengebauter Klumpen Heimat
Das Cover-Artwork und mitunter auch die Songs versprühen einen amerikanischen Südstaaten-Vibe. "Dort bin ich aufgewachsen, von da komm ich her. Für mich war das Album wie ein Zurückgehen zu den eigenen Wurzeln." So vielseitig und nachdenklich wie seine Musik ist auch Caspers Verhältnis zum Thema Heimat. "Heimat habe ich nie ernsthaft definiert. Ich fühle mich weder in Bösingfeld oder Berlin, noch in Bielefeld oder Mississippi zuhause. Für mich definiert sich Heimat aus Musik. Zum Beispiel Manchester durch die Stone Roses und Oasis oder New Jersey durch Bruce Springsteen oder The Gaslight Anthem. Wenn ich all diese Einflüsse zusammenzähle, dann könnte ich mir einen Klumpen Heimat bauen. Vielleicht bin ich deswegen so gerne auf Tour."
Diese führt in anfangs nur in kleine Klubs, wie etwa am 2. November ins völlig ausverkaufte Wiener Flex. Warum eigentlich so bescheiden? "Das Konzept für die Platte war, einfach alles noch einmal auf Reset zu setzen. Viele glauben, ich kokettiere mit einer gewissen Unsicherheit, das stimmt aber nicht. Ich habe lieber schnell eine ausverkaufte Club-Tour als eine halbvolle Halle. Das ist das traurigste auf Erden."
Da die Karten für die kleinen Konzerte weggehen wie die warmen Semmel, sind auch schon die großen Hallentermine fixiert. Am 8. März 2014 macht Casper im Wiener Gasometer Station, zwei Tage später im Posthof Linz. Tickets erhalten Sie unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop.
Humorige Pattsituation
Und die Geschichte mit dem Interview? Die endete mit einer Pattsituation. "Ich kann kein Kunststück", antworte ich Casper, "aber ich kann dir von jedem deutschen Bundesligaverein ein paar Spieler nennen." "Dann zähle mir welche von meinem Lieblingsklub Arminia Bielefeld auf", fordert mich der Künstler heraus. "Die spielen aber nur in der zweiten Liga", entgegne ich ihm, und ernte ein ironisch-resignierendes "hast ja recht...". Eben amüsant, bereichernd und angenehm - wie auch die Songs auf "Hinterland".
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