Viele wollen sie nicht

Blauer Kreis in WhatsApp: Wie Sie die KI loswerden

Digital
08.05.2025 17:17

Ein kleiner blauer Kreis sorgt für große Irritation unter den fast drei Milliarden Nutzern des beliebten Smartphone-Messengers WhatsApp: Hersteller Meta hat seinen KI-Chatbot Meta AI in den Messenger eingebaut – und zwar äußerst prominent, mit eigenem Symbol, einem blauen Kreis im Hauptfenster. Die Nutzer sollen Mark Zuckerbergs teuer programmierte KI-Spielerei schließlich auch nutzen. Doch viele wollen das gar nicht.

Wer einen Blick in den Google Play Store wirft, stellt fest: In letzter Zeit häufen sich beim beliebtesten Smartphone-Messenger die schlechten Bewertungen, manch einer vergibt nur einen von fünf Sternen. Neben Updates, mit denen die Einstellungen durcheinandergewirbelt wurden, stößt den Nutzern vor allem die „Zwangsbeglückung“ mit dem WhatsApp-KI-Chatbot sauer auf. „Schreiben kann ich auch ohne AI-Unterstützung“, poltert ein Nutzer – und fordert eine Einstellung, um „Meta AI“ wieder aus seinem Messenger zu verbannen. Andere sorgen sich um ihre Privatsphäre: Liest der KI-Chatbot am Ende meine privaten Chats mit und schickt Höchstpersönliches in die USA? Krone+ hat nachgeforscht – und nützliche Tipps für Sie.

WhatsApp-Sprecher reagiert flapsig auf Bedenken
Die schlechte Nachricht zuerst: Im Moment gibt es keine Möglichkeit, den potenziell störenden blauen Kreis aus dem WhatsApp-Hauptfenster zu entfernen. Der Zuckerberg-Konzern, im KI-Wettrüsten mit Google und Microsoft bzw. OpenAI ins Hintertreffen geraten, will seinen KI-Chatbot offenbar mit aller Macht in den Markt drücken. In den USA schon etwas länger, in der EU erst seit einigen Wochen. Vom britischen WhatsApp-Sprecher Joshua Breckman heißt es zu dem „Feature“ gegenüber dem „Evening Standard“ flapsig: „Es gibt eine KI-freie Version von WhatsApp. Wenn man nicht auf den Button drückt.“ Die Verknüpfung, die das Chatfenster mit der Sprach-KI öffnet, in den Optionen entfernen? Das ist seitens des Mutterkonzerns Meta offenkundig nicht vorgesehen.

Zitat Icon

Es gibt eine KI-freie Version von WhatsApp. Wenn man nicht auf den Button drückt.

Meta-Sprecher Breckman reagiert flapsig

Zumindest für den Moment ist man, wenn man WhatsApp benutzen und nicht auf eine Alternative wie etwa den noch besser abgesicherten Signal-Messenger oder das (standardmäßig nicht verschlüsselte) Telegram wechseln möchte, also den Launen der Betreiber ausgeliefert. Was nicht heißt, dass das so bleiben muss: Derartige Praktiken – das ungefragte Vorinstallieren potenziell unerwünschter App- und Software-Dreingaben durch einen marktbeherrschenden IT-Konzern – haben Rivalen wie Google und Microsoft in der EU schon empfindliche Strafzahlungen eingebracht. Und deren offensiv in den Markt gedrückte Apps und Dienste konnte man zumeist deinstallieren – im Gegensatz zur Meta-KI.

EU-Kommission eingeschaltet: Ist das überhaupt legal?
Im EU-Parlament bereitet man sich bereits auf eine Auseinandersetzung vor: Die Abgeordnete Veronika Cifrová Ostrihoňová hat die EU-Kommission auf die Vorgehensweise des WhatsApp-Mutterkonzerns Meta aufmerksam gemacht. Sie habe den blauen Kreis bei einem Treffen des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz direkt bei Kommissions-Vizepräsidentin Henna Virkkunen aus Finnland angesprochen und gefragt, ob die Kommission von der Neuerung weiß - und ob diese überhaupt legal sei. Immerhin ist die Meta AI aus Datenschutzperspektive ein starkes Stückl: Wer weiß, welche Chat-Inhalte die KI für die Erzeugung von Textbausteinen ausleitet? Wer weiß, wie sich der KI-Bot auf die Verschlüsselung der Chat-Inhalte auswirkt? Und wie will man ausschließen, dass das Tool Einfallstor für Hacker wird?

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und sein mittlerweile in Meta umgetaufter Social-Media-Konzern, zu dem auch WhatsApp, Instagram und Threads gehören, haben bereits viele Datenskandale hinter sich.
Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und sein mittlerweile in Meta umgetaufter Social-Media-Konzern, zu dem auch WhatsApp, Instagram und Threads gehören, haben bereits viele Datenskandale hinter sich.(Bild: AP/Jeff Chiu)

Was Sie mit Meta AI chatten, landet auf Facebook-Servern
Nervös macht Experten, dass die Kommunikation zwischen dem Nutzer und dem Chatbot unverschlüsselt abläuft: Alles, was Sie bei einer „Unterhaltung“ mit Meta AI in das Chat-Fenster schreiben, wird unverschlüsselt in die Rechenzentren des Herstellers geschickt, um dort die passende Antwort erzeugen zu lassen. Dabei gelten zwar die Datenschutzbestimmungen, die man für die Nutzung des Messengers akzeptieren muss. Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, die bei Konversationen mit echten Menschen den Nachrichteninhalt schützt, ist aber deaktiviert. Wer zur Erzeugung einer Antwort eine Chat-Nachricht eines Kontakts in das KI-Chat-Fenster kopiert, schickt also Privates an den Zuckerberg-Konzern Meta. Und der hat in der Vergangenheit oft genug bewiesen, wie vertrauenswürdig er ist.

Datenskandale haben bei Meta gewissermaßen Tradition
Man denke an den Cambridge-Analytica-Skandal, via Instagram verbreitete Bodyshaming-Inhalte, die Jugendliche in Depression und Magersucht treiben, an die Nutzung der Facebook-Plattform für politische Hetzkampagnen - das Firmenimage war 2021 derart ramponiert, dass der Firmengründer Mark Zuckerberg sein Heil in der Umbenennung des Konzerns in Meta suchte. Die von „Yahoo Finance“ ausgerichtete Wahl zur „schlimmsten Firma des Jahres“ gewann man am Ende trotzdem. Zuletzt machte Meta ausgerechnet mit jener KI Schlagzeilen, die uns nun in WhatsApp zwangsweise untergejubelt wurde: Für deren Training setzte man im ganz großen Stil auf schwarzkopierte Bücher, ohne in irgendeiner Weise deren Autoren zu entschädigen. „MZ“ habe die Erlaubnis gegeben, das Trainingsmaterial über Torrent-Downloads zu beschaffen, hieß es in einem Enthüllungsbericht.

(Noch) Keine KI in WhatsApp Web

  • Wenn Sie „Meta AI“ aus dem Weg gehen wollen, gibt es am PC die Möglichkeit, WhatsApp über den Browser oder – nach der Installation – als Windows-Anwendung zu nutzen.
  • Im Krone+-Lokalaugenschein enthielten diese Versionen von WhatsApp bislang keinen blauen KI-Kreis – von der Meta AI fehlt hier jede Spur.
  • Bedenkt man, wie aggressiv Meta im Wettrüsten mit Google und OpenAI/Microsoft sein KI-Tool in den Markt drückt, ist es aber wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch Web- und Windows-Version mit der Zwangs-KI angereichert werden.

Eine gewisse Skepsis gegenüber dem Chatbot erscheint also angemessen. Der Hersteller versucht indes, die Datenschutzbedenken zu zerstreuen – in Gruppen-Chats beispielsweise nutze man nur jene Inhalte für die Sprach-KI, die aktiv an diese gesendet würden, der Rest bleibe verschlüsselt. So richtig nachvollziehbar ist all das für den Nutzer aber nicht - zumal in der WhatsApp-Anwendung bisher eine Möglichkeit fehlt, den KI-Assistenten einzustellen. Man kann den blauen Kreis nicht ausblenden, erfährt wenig über die Nutzung der gesammelten Daten – und hat am Ende vielleicht ein schlechtes Gefühl, wenn man private Dinge mit Bekannten über WhatsApp bespricht.

Verbraucherschützer raten bei Bedenken zu Verzicht
Verbraucherschützer wissen das – und raten angesichts Metas Unwillen, den Nutzern die Hoheit über den KI-Bot in ihrem Messenger zurückzugeben, von der Nutzung von WhatsApp für persönliche oder gar sensible Konversationen ab. Wem die KI-Spielereien und die Aussicht, mit seiner persönlichen Kommunikation das Sprachmodell eines US-Konzerns zu trainieren, suspekt sind, der könne auch ganz auf die Chat-App aus der Facebook-Welt verzichten, erklärt Christine Steffen von der Verbraucherzentrale NRW gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Sender ARD. Dass Meta seine KI mit Postings seiner Nutzer trainierte, ist dokumentiert – nur in der EU passte man die Vorgehensweise an den hiesigen Datenschutz an und ließ sich mit der Einführung der KI-Spielereien länger Zeit.

Weniger KI-Tricks in der EU, laufende Updates
Es handelt sich übrigens auch bei dem KI-Tool, das Sie über den blauen Kreis in WhatsApp erreichen, in der EU (vorerst noch) um eine angepasste Version: Die Fähigkeit, Bilder zu generieren, die es in der US-Version schon gibt, fehlt hierzulande beispielsweise noch. Überhaupt handelt es sich beim Start des Meta-Chatbots in Europa um einen laufenden Prozess – mit der Zeit dürften Funktionen hinzukommen. Eine davon soll, wenn wir den blauen Kreis schon nicht entfernen dürfen, immerhin dafür sorgen, dass einzelne Chats und Kontakte vor dem KI-Zugriff geschützt werden.

Verspricht Abhilfe, allerdings noch nicht breit ausgerollt: WhatsApp bekommt einen „erweiterten Chat-Datenschutz“, der die KI aussperrt.
Verspricht Abhilfe, allerdings noch nicht breit ausgerollt: WhatsApp bekommt einen „erweiterten Chat-Datenschutz“, der die KI aussperrt.(Bild: Meta)

KI-Sperre für Chats kommt – die Frage ist, wann?
Die Rede ist von der Funktion „Erweiterte Privatsphäre aktivieren“, die allerdings bislang noch nicht bei allen Nutzern verfügbar ist und erst nach und nach per Update ausgerollt wird. Sie ermöglicht es, für einzelne Kontakte oder Gruppen-Chats einen erweiterten Datenschutz zu aktivieren, der verhindert, dass der Inhalt eines Chat-Fensters vom KI-Assistenten genutzt wird. Um die Funktion zu aktivieren, müssen Sie in einem offenen Chat-Fenster oben links auf Foto und Namen Ihres Gegenübers klicken, ein Stück weit nach unten scrollen und dort „Erweiterter Chat-Datenschutz“ aktivieren. Im Krone-Plus-Selbstversuch auf einem Smartphone mit aktueller Android-Version stand die bereits vor zwei Wochen angekündigte und ob der Zwangsbeglückung mit Meta AI durchaus dringliche Funktion allerdings noch nicht zur Verfügung. „Die neue Einstellung wird für alle Benutzer mit der neuesten Version von WhatsApp bereitgestellt“, blieb Meta bei der Ankündigung unkonkret.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

(Bild: krone.at)
(Bild: krone.at)
Kostenlose Spiele
Vorteilswelt