Es ist kein Abend für sensible Gemüter. Die belgische Death-Metal-Institution Aborted und die etwas melodischer angehauchten Kollegen The Black Dahlia Murder aus den USA haben eines gemeinsam: pure Kompromisslosigkeit. In einer gut gefüllten, aber nicht ausverkauften Szene Wien sorgen die beiden Szenevorreiter für einen brachialen Wochenausklang, der die Ohren der Besucher vor dem bevorstehenden Arbeitsantritt noch einmal ordentlich durchspült. Die Spielfreude beider Bands geht mit dem angenehmen Herbstwetter konform, obschon Aborted aufgrund ihrer brutalen Ausrichtung nicht unbedingt auf Friede, Freude, Eierkuchen aus sind.
Ohne Punkt und Beistrich
Einen akustischen Flächenbrand entfacht das relativ neu zusammengestoppelte Quintett ohne Mühe, denn mit "Meticulous Invagination" und dem harschen "Coronary Reconstruction" startet die Truppe ohne Punkt und Komma durch. Rekordverdächtige Doublebass-Orgien, filigran-brutale Gitarrensolos und die kellertiefe Stimme von Frontmann Sven "Svencho" de Caluwé bitten mehrmals zum exaltierten Moshpit und sorgen für einen Temperaturanstieg im Saal und bei den anwesenden Fans.
Besonders druckvoll schallen die Songs des letzten Albums "Global Flatline" (ein Titel, der auch aktuelle gesellschaftspolitische Relevanz hat) aus den Boxen. "Fecal Forgery" und vor allem das viehisch-brutale Geknüppel im Mittelteil von "The Origin Of Disease" zählen zweifellos zu den Filetstücken der europäischen Death-Metal-Szene und hallen zudem mit ordentlichem Wumms durch die Halle. Die von der Fan-Klientel eher zwiespältige aufgenommenen Werke "Slaughter & Apparatus" und "Strychnine.213" lassen Aborted klugerweise beiseite und konzentrieren sich lieber auf memorable Dampfwalzenparts ("The Saw And The Carnage Done") und Headbang-kompatible Riffkanonaden ("Threading On Vermillion Deception"). Dazwischen bleibt sogar Zeit, für 2014 ein neues Studioalbum anzukündigen.
Jack Black des Extrem-Metal
Die darauffolgenden Headliner The Black Dahlia Murder aus Michigan sind in Österreich schon eine Bank. Fast jährlich besuchen die Amerikaner heimische Bühnen und alle Jahre wieder darf man sich über die optischen Veränderungen von Sänger Trevor Strnad freuen, der heuer mit etwas mehr Bauchumfang und neuer Frisur frappant an Jack Black erinnert. Mit dem berühmten Musiker/Schauspieler gemein hat Strnad jedenfalls die Rampensau-Qualitäten, denn der extrovertierte Frontmann legt bei der knapp 75-minütigen Show mehrere Bühnenkilometer zurück und wird nicht müde, das Publikum zu Höchstleistungen zu animieren.
Mit den letzten Alben sind The Black Dahlia Murder sogar in die internationalen Albumcharts gerutscht – eine Sensation wenn man bedenkt, dass der Hochgeschwindigkeits-Death-Metal mit melodischen Einsprengseln und instrumentalen Top-Leistungen normal nur eine Randgruppenerscheinung ist. Bei diesen Jungs herrscht aber Massentauglichkeit, und das erklärt sich vor allem mit den durchdachten und teilweise irrwitzig-schwierigen Kompositionen, die aber nicht ins Mathematische abdriften, sondern schön eingängig durch die Gehörgänge wabern. Dass die Band aus mittlerweile sechs Studioalben zitieren kann, wird auch vollends ausgereizt. Den Fokus setzen sie natürlich auf das aktuelle und erfolgreiche Werk "Everblack", das sich diesen Abend in gleich sieben Songs manifestiert.
Der Fußtritt in die Arbeitswoche
Besonders interessant sind nicht nur durchschlagende Songs wie "Funeral Thirst", "Phantom Limb Masturbation" und das abgefeierte "Map Of Scars", sondern auch die unvergleichlich gekonnte Keif/Grunz-Stimmwandlung von Strnad, die fast durchgehend exerzierten Circle- und Mosh-Pits in den vorderen Zuschauerreihen und das schweißtreibende Bühnengehabe der einzelnen Mitglieder. Zwischen eruptiven Blastbeat-Stakkatos und perfekt abgestimmten Arrangement-Wechseln an den Saiteninstrumenten bleibt nur wenig Zeit zum Durchschnaufen. Aber so wurde man zumindest kräftig in die neue Arbeitswoche getreten.
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