Nach Lampedusa-Drama
EU-Länder streiten um Aufteilung von Flüchtlingen
Seit am vergangenen Donnerstag kurz vor der Küste der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa ein Schiff mit mehr als 500 afrikanischen Flüchtlingen an Bord kenterte - bisher wurden die Leichen von rund 250 Menschen geborgen -, wird in der EU heftig über die europäische Flüchtlingspolitik diskutiert. Diese wird seit Langem als ungerecht und unzureichend kritisiert. Südeuropäische Länder wie Italien beklagen eine Überlastung.
Österreich und Deutschland gegen zusätzliche Flüchtlinge
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner lehnte eine Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge aber am Dienstag vor dem Treffen der EU-Innenminister, auf dessen Tagesordnung kurzfristig die Debatte um die EU-Flüchtlingspolitik gesetzt worden war, erneut ab. Auch der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich lehnte Änderungen bei der Aufnahme von Flüchtlingen ab. Auf Deutschland kämen auf eine Million Einwohner etwa 950 Asylbewerber, in Italien hingegen knapp 260, sagte der CSU-Politiker. "Das zeigt, dass die Erzählungen, dass Italien überlastet ist mit Flüchtlingen, nicht stimmen."
Schwedens Innenminister Tobias Billström unterstützte Friedrich und forderte mehr Anstrengungen aller Mitgliedstaaten. Deutschland und Schweden allein hätten bisher zwei Drittel der syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge in der EU aufgenommen. Alle Mitgliedstaaten müssten ihr "Äußerstes" bei der Aufnahme von Flüchtlingen tun, forderte Malmström. "Denn heute gibt es sechs, sieben Länder, die die gesamte Verantwortung übernehmen, und wir sind 28 Mitgliedstaaten." Auch Mikl-Leitner nahm die anderen Staaten in die Pflicht: "Wir wissen, dass die Verteilung in ganz Europa nicht gerecht ist." Es gebe EU-Staaten, die weniger Verantwortung übernehmen.
Malmström will "große Frontex-Aktion"
"Ich werde nach der politischen Unterstützung und den notwendigen Mitteln dafür fragen, um mehr Menschenleben zu retten", kündigte unterdessen Innenkommissarin Malmström bei den Beratungen in Luxemburg an. Konkret will sie den Mitgliedstaaten "eine große Frontex-Operation im gesamten Mittelmeer von Zypern bis Spanien" vorschlagen. Für so eine Operation sei aber die politische und finanzielle Unterstützung der Mitgliedstaaten notwendig, so die EU-Kommissarin.
Die Schwedin erwartet nicht, dass die EU-Länder zu einer Änderung des Systems zur Aufnahme von Flüchtlingen bereit seien. Nach den EU-Regeln ist jenes Land für die Aufnahme von Flüchtlingen und die Bearbeitung ihrer Asylanträge zuständig, in dem Ankömmlinge zuerst die Europäische Union erreichen.
Italiens Innenminister bittet "starke Hand der EU" um Hilfe
Italiens Innenminister Angelino Alfano forderte beim Treffen mit seinen EU-Kollegen einen Aktionsplan: "Wir verlangen einen konkreten Hilfsplan, um Italien bei der Aufnahme von Flüchtlingen nach ihrer Rettung zu helfen." Rom wünscht sich zudem Unterstützung bei der Kontrolle der Grenzen. Europa stehe dabei in der Verantwortung, weil die italienische Grenze zugleich eine Außengrenze der EU sei. "Wir verlangen, dass Europa uns eine starke Hand reicht, um Menschenleben zu retten", so Alfano. Italien habe in den vergangenen Jahren seine Rolle erfüllt und Tausende Schiffsflüchtlinge gerettet. Außerdem solle sich Europa auch finanziell solidarisch zeigen.
EU-Grundrechteagentur will Helfer entkriminalisieren
Auch die EU-Grundrechtsagentur (FRA) rief die Mitgliedstaaten auf, ihre Flüchtlingspolitik nach der Tragödie von Lampedusa zu ändern. "Wir müssen jetzt handeln, um ein Gleichgewicht zu finden zwischen unseren Grenzkontrollrechten und den Bedürfnissen und Rechten der Migranten", betonte FRA-Direktor Morten Kjaerum. Konkret forderte er, dass Fischer künftig nicht mehr bestraft werden sollen, wenn sie in Seenot geratene Migranten retten. Viele Fischer würden Migrantenbooten ausweichen und ihnen nicht helfen, um sich bürokratische Verwicklungen zu ersparen, gibt die Agentur zu bedenken.
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und Malmström wollen sich am Mittwoch auf Lampedusa direkt an Ort und Stelle ein Bild von der Situation machen.
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