krone.at: Guten Tag, Herr de Fondaumiere! Mit "Beyond: Two Souls" haben Sie ja eines der letzten großen Highlights für die PS3 geschaffen. Können Sie uns in aller Kürze erklären, was das Besondere daran ist?
Guillaume de Fondaumiere: "Beyond: Two Souls" ist die Geschichte von Jodie Holmes, die wir im Spiel über 15 Jahre ihres Lebens begleiten – vom achten bis zum 23. Lebensjahr. Ähnlich wie bei unserem Spiel "Heavy Rain" verändert sich dabei laufend die Geschichte, der Spieler darf die Handlung verändern. Jodie hat Bezug zu einem Geist, den sie als Einzige wahrnimmt. Ihr übernatürlicher Begleiter Aiden hat dabei gewisse Begabungen – er kann schweben, fliegen, Objekte bewegen und sogar Charaktere kontrollieren. Der Spieler steuert Jodie und Aiden kooperativ, entdeckt die Geschichte und verändert sie. Es gibt dabei tiefgründige Themen zu entdecken, wie schon bei "Heavy Rain" – Tod, Trauer, Erwachsenwerden. Eine Besonderheit bei der Erstellung des Spiels war die unglaubliche Zusammenarbeit mit Ellen Page und Willem Dafoe, durch die das Spiel besonders emotional geworden ist.
krone.at: Apropos emotional: Man sagt Ihren Spielen nach, sie seien ein bisschen wie interaktive Filme, also besonders dramatisch inszeniert. Aber widerspricht sich das nicht? Filme sind ja statisch, Spiele interaktiv…
De Fondaumiere: So widersprüchlich ist das gar nicht. In unseren Spielen kann man ja tatsächlich mit enorm vielen Dingen interagieren – man kontrolliert die Charaktere und dabei sind die Spieler oft erstaunt über diese Vielfalt an Interaktivität, die wir ihnen bieten. Diese Interaktivität ist sozusagen die Schönheit unserer Games. Alles ist komplett kontrollierbar. Und im Grunde könnte man diese Machart für alle möglichen Thematiken verwenden: Komödien wären machbar, aber auch Liebesgeschichten wären mit unserer Technik erzählbar. Das ist letztlich das, was wir wollen: Geschichten erzählen, und zwar mit vielen Wegen, die zum Ende führen. "Beyond: Two Souls" hat zum Beispiel 23 Enden, die von vielen tiefgründigen, oft sogar moralischen Entscheidungen abhängen. Ich rate den Spielern immer: Spielt es einmal komplett durch, dann wird euch das Spiel auch etwas über euch selbst sagen. Und dann könnt ihr andere Entscheidungen treffen. Im Unterschied zu "Heavy Rain" ist das Spiel ja auch organischer, die Entscheidungen sind vielschichtiger. Der Spieler weiß bei einer Entscheidung nicht sofort, was für eine Auswirkung sie haben wird.
krone.at: Gerade diese Entscheidungsfreiheit macht "Beyond: Two Souls" ja zu etwas Besonderem. Aber sicher auch zu etwas, das unglaublich aufwendig zu produzieren ist, nicht?
De Fondaumiere: Das ist tatsächlich die größte Schwierigkeit gewesen: Eine logische Konsistenz zu wahren. Es gibt ja in diesem Sinne kein "Game Over", die Logik muss aber trotzdem konsequent bis zum Spielende aufrechterhalten werden. Und es muss immer noch interessant sein – auch, wenn der Spieler vermeintlich "schlecht" spielt. Das war auch für die Schauspieler eine große Herausforderung: Ellen Page musste beispielsweise gut 15.000 Worte auswendig lernen, das sind im Spiel rund vier Stunden Dialog. Und dieser Dialog muss im ganzen Spiel konsistent sein. Das macht die Arbeit komplexer als beispielsweise bei einer TV-Serie. Man braucht einen guten Autor, aber auch die Schauspieler sind gefordert. Ellen hat Monate an dem Spiel gearbeitet – und das war nur die Vorbereitung. Aber das braucht man, um für Authentizität zu sorgen. Wir erzählen die Geschichte von Jodie immerhin über 15 Jahre – mit 60 verschiedenen Charaktermodellen und 350 einzigartigen Animationen, die Ellen Page alle via Motion Capturing beisteuern musste.
krone.at: Wie muss man sich die Arbeit der Schauspieler eigentlich vorstellen?
De Fondaumiere: Man muss da zwischen der technischen und der künstlerischen Seite unterscheiden. Technisch ist es natürlich aufwendig. Man braucht spezielle Kameras, Tools und ein Team, das dann alles zusammenbringt. Digitalisiert man beispielsweise ein Gesicht, ist das zuerst eine Pixelwolke – die auf ein dreidimensionales Gesicht zu bringen, ist extrem schwierig. Damit es lebensecht wirkt, braucht man ja Knochen und Muskeln. Wir haben Technik, die uns das ermöglicht und fast mit hundert Prozent Präzision arbeitet. Und dann ist da eben noch die künstlerische Seite. Für die Schauspieler ist es nämlich sehr schwierig, sich das Endprodukt vorzustellen. Die haben 88 Marker im Gesicht und müssen dann spielen. Da dauert es eine Weile, bis der Schauspieler das vergessen hat und wirklich seine Rolle spielt – meist geht das erst nach zwei bis drei Stunden los. Die sehen dann auf einer großen Leinwand, wie es genau läuft. Alles in allem hatten wir 174 Tage Dreharbeiten, also massenhaft Material. Zum Vergleich: Bei "Avatar" dauerte das Motion Capturing allein vier bis fünf Wochen, bei uns 72 Tage. Da entsteht ein enormer Umfang – wir hatten am Ende rund 18.000 Animationen…
krone.at: Die Arbeit mit echten Schauspielern ist demnach ziemlich aufwendig – und wahrscheinlich auch teuer. Wie klappt das, als Spieleentwickler das Geld für so ein Mammutprojekt aufzutreiben?
De Fondaumiere: Leicht ist es nicht – aber nach "Heavy Rain" und "Fahrenheit" hatten wir bereits etwas Erfahrung darin. "Fahrenheit" hat sechs Millionen, "Heavy Rain" 16 Millionen gekostet. "Beyond: Two Souls" ist eine 20-Millionen-Produktion, da hat man als Entwickler nicht die Gelder dafür. Und einen Partner zu finden, ist oft schwierig. Glücklicherweise finanziert Sony immer wieder talentierte Studios – und weil wir bereits Erfolge vorzeigen konnten, war es dann möglich. Aber ohne "Heavy Rain" wäre es vermutlich schwer machbar gewesen. Dann hätten wir auch die Schauspieler nicht so leicht für unsere Arbeit gewinnen können…
krone.at: Wo wir gerade bei den Schauspielern sind: Spielen Ellen Page und Willem Dafoe eigentlich privat auch Computer- und Videospiele?
De Fondaumiere: Ellen Page spielt tatsächlich auch selber. Bei "Beyond: Two Souls" wollte sie beispielsweise von uns nicht "gespoilert" werden, damit sie das Spiel selber ohne zu viel Vorwissen erleben kann. Willem spielt hingegen nicht, wollte aber Pionierarbeit leisten. Für ihn war es eine Herausforderung, eine interaktive Story darzustellen. Und es hat ihm Spaß gemacht.
krone.at: Ein anderes Thema: "Beyond: Two Souls" macht ja schon auf der PS3 einen imposanten Eindruck – was kann man da erst von der PS4 erwarten? Wie profitiert man da als Entwickler?
De Fondaumiere: Wir arbeiten ja schon seit zwei Jahren auf der PS4 – und da ist vor allem grafisch einiges zu erwarten. Unser "Dark Sorcerer" zeigt zum Beispiel schon im Ansatz, was man erwarten kann. Die Konsole hat immerhin zehn- bis zwölfmal mehr Power als die PS3 – das bedeutet, wir werden bessere Optik sehen und Spiele werden immer realer und grundsätzlich innovativer. Eines der interessanteren Dinge ist dann noch der soziale Bereich der PS4, da sind ganz neue Spielarten möglich. Mehr dazu wird man in ein paar Jahren von uns sehen.
krone.at: Was darf man da erwarten? Wäre es für Sie womöglich auch denkbar, einen bekannten Film in ein Spiel zu verwandeln?
De Fondaumiere: Vielleicht werden wir wirklich mal irgendetwas adaptieren, wenn es vom Konzept her passt. Aber ich könnte da jetzt spontan eine Liste mit 15 Filmen nennen, die grundsätzlich interessant wären. Ich sehe da keine Grenzen. Wie gesagt: Im Grunde könnte man aus so gut wie jedem Genre ein Spiel machen. Aber grundsätzlich möchten wir schon lieber neue Ideen entwickeln, statt Blockbuster zu adaptieren.
krone.at: Herzlichen Dank für das Gespräch!
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