In Fukushima-Ruine

Brennstäbe werden “mit höchster Vorsicht” geborgen

Ausland
18.11.2013 11:22
In der Atomruine Fukushima hat am Montag die Bergung von über 1.500 Brennstäben eines beschädigten Reaktorgebäudes begonnen. Die in einem Becken in rund 30 Metern Höhe von kleinen Trümmerteilen umgebenen Brennstäbe gelten - neben den täglich zunehmenden Massen verseuchten Wassers - als eine der größten Gefahrenquellen auf dem Gelände des havarierten Atomkraftwerks. Die Bergung gilt vor allem bei Umweltschützern als Drahtseilakt erster Güte.

Die voraussichtlich ein Jahr lang dauernde Bergung der Brennstäbe aus dem Reaktorgebäude müsse mit "höchster Vorsicht" erfolgen, erklärte der Chef der Atomaufsichtsbehörde, Shunichi Tanaka. Das Gebäude des Reaktors 4 war bei einer Wasserstoffexplosion infolge des Erdbebens und des Tsunamis vom März 2011 beschädigt worden. Das Dach über dem im obersten Stockwerk gelegenen Abklingbecken wurde damals zerstört.

Mehr als 1.500 Brennstäbe werden umgelagert
Arbeitskräfte sollen nun die 1.331 abgebrannten sowie 202 unbenutzten Brennstäbe einen nach dem anderen mit einer Spezialvorrichtung aus dem Becken in einen castorähnlichen Behälter hieven (Castor ist die markenrechtlich geschützte Abkürzung für "cask for storage and transport of radioactive material", deutsch: "Behälter zur Aufbewahrung und zum Transport radioaktiven Materials"). Dieser Vorgang geschieht in dem Becken unter Wasser.

(Bild: AP)
(Bild: AP)
(Bild: AFP)

Sobald der Container mit 22 der 4,5 Meter langen Brennstäbe gefüllt ist, wird er mit einer Kranvorrichtung auf einen Lkw gehoben. Dieser bringt ihn dann zu einem anderen Gebäude in rund 100 Metern Entfernung, wo die Brennstäbe laut Angaben der Betreiberfirma Tepco sicherer als bisher gelagert werden können. Vom Energiekonzern am Montag veröffentlichte Aufnahmen zeigen einen vor Kurzem absolvierten Testlauf der Bergungsarbeiten (Bilder). 

Kritiker zweifeln an Versicherungen der Betreiberfirma
Damit während der Bergungsarbeiten keine Radioaktivität nach außen gelangt, hat Tepco das Reaktorgebäude abgedeckt. Man habe "alle möglichen" Sicherheitsmaßnahmen getroffen, versicherte Tepco-Chef Naomi Hirose. "Abgebrannter Brennstoff birgt potenziell ein sehr großes Risiko", hatte Atomaufsichtsbehörden-Chef Tanaka kürzlich zu der nun begonnenen Bergung erklärt. Er selbst sei darüber mehr besorgt als über das Problem mit den riesigen Mengen verstrahlten Wassers.

Der Betreiber Tepco versicherte jedoch, dass eine erneute Katastrophe samt Kernspaltung sehr unwahrscheinlich sei. Kritiker sind allerdings von den Fähigkeiten des Energiekonzerns nicht überzeugt. Kernkraftgegner warnen, die Hunderte von Tonnen Brennstoff könnten das Tausendfache an Strahlung der Atombombe von Hiroshima freisetzen. Experten halten das jedoch für abwegig, zumal sich die Brennstäbe in dem Becken in den vergangenen drei Jahren längst ausreichend abgekühlt hätten.

Tepco laut Global 2000 "ungeeignet" für Bergung
"Der inkompetenten, mafiös verstrickten Betreiberfirma Tepco eine der schwierigsten Aufgaben der Nukleartechnik zu übertragen, ist hochgradig fahrlässig", warnte hingegen Reinhard Uhrig, Atom-Experte von Global 2000, davor, die Bergung auf die leichte Schulter zu nehmen. Falls nämlich Brennelemente bei der Entladung aus dem Transportbehälter auf den Boden stürzen, käme es im schlimmsten Fall zum Brand der Zirkonium-Hüllen oder einer Kettenreaktion außerhalb des Abklingbeckens und damit einer weiträumigen Verstrahlung um die Reaktor-Ruine von Fukushima.

Regierung plant weitere 30 Milliarden Dollar ein
Im Unglücksreaktor Fukushima kommt es ständig zu neuen Pannen. So trat jetzt offenbar erneut ein Leck an einem Tank mit hochgradig verseuchtem Kühlwasser auf. An einem 500-Tonnen-Tank wurden Strahlenwerte bis 30 Millisievert pro Stunde gemessen. In Regierungskreisen hatte es zuletzt geheißen, Tepco erhalte umgerechnet weitere 30 Milliarden Dollar, um die Aufräumarbeiten zu bewältigen und umgesiedelte Anrainer zu entschädigen. Damit würden die staatlichen Mittel auf insgesamt 80 Milliarden Dollar aufgestockt.

Umlagerung nur erster Schritt zur Stilllegung
Die nun begonnne Umlagerung gilt als erster großer Schritt zur Stilllegung des AKW. Der vollständige Rückbau der Anlage dürfte etwa 30 bis 40 Jahre dauern. So kann nach Ansicht der Regierung frühestens in etwa zehn Jahren damit begonnen werden, auch die Reaktoren 1 bis 3 zu entkernen. Doch wegen der extremen Strahlung weiß niemand, wo sich der geschmolzene Brennstoff überhaupt befindet.

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