Die Fachleute gehen in ihrer Darstellung des Falles zwar ebenfalls davon aus, dass sich die Republik Österreich gegenüber dem Besitzer des Frieses, Erich Lederer, auch nach dem Krieg nicht korrekt verhalten habe - doch verschweige die von den Erben eingebrachte Schilderung "die Ereignisse, die zum Kaufvertrag zwischen Erich Lederer und der Republik Österreich geführt haben". Es habe nämlich ab 1970 eine "völlig neue Gesprächskultur" zwischen dem Fries-Besitzer und der Republik, vor allem in der Person von Bundeskanzler Bruno Kreisky, geherrscht.
Kreisky wollte "Unrecht vermeiden"
Dabei sei es in höchst verbindlicher Weise ausschließlich um eine Einigung zum Preis des Frieses gegangen, während weder von einer Drohung mit Ausfuhrverbot, noch von einer Restaurierung auf Kosten von Erich Lederer ("im Gegensatz zu den Jahren davor") die Rede gewesen sei. Im Gegenteil, wie die Gutachter mit Korrespondenz belegen, habe man ab den 1970er-Jahren klar gesehen, dass die Ausfuhr unabwendbar wäre, sollte man das nötige Geld für den Ankauf nicht über Sondermittel zur Verfügung stellen können. Kreisky hatte sich der Angelegenheit persönlich angenommen um - wie er später auch in einem Artikel für das "Zeit-Magazin" schrieb - damit einer "neuen österreichischen Wirklichkeit" Ausdruck zu verleihen und "ein Unrecht zu vermeiden".
Korrespondenz, Gutachten und Zeitzeugen-Berichte
Untermauert wird die "Gegendarstellung" durch Korrespondenz zwischen Lederer und Kreisky, Lederers Witwe Elisabeth, dem gemeinsamen Freund Lederers und Kreiskys, Karl Kahane, sowie zahlreichen Schreiben innerhalb der österreichischen Behörden, Gutachten des Dorotheums und Zeitzeugen-Berichten - etwa von dem damaligen Kabinettchef Wolf Frühauf, der gemeinsam mit Kulturministerin Hertha Firnberg nach Genf reiste, um mit den Lederers bei einem "wunderbaren Abendessen" den Kaufpreis zu verhandeln.
Aus Dankbarkeit über die Einigung habe Lederer sowohl Firnberg als auch seinem Freund und Vermittler Kahane jeweils eine Klimt-Originalzeichnung geschenkt. Auch die Schenkung von 13 Zeichnungen zum Beethovenfries durch Elisabeth Lederer nach dem Tod ihres Mannes wird hier als Zeichen interpretiert, dass die Zeichnungen "in das Eigentum desjenigen übergehen sollten, der rechtmäßiger Eigentümer des Frieses ist".
Der Kaufpreis von 15 Millionen Schilling liegt deutlich über jenen Summen, über die man zu Beginn der Verhandlungen gesprochen hatte und wird von den Gutachtern als durchaus angemessen betrachtet - vor allem, wenn man den damaligen Erhaltungszustand des Frieses bedenke. Für seine Restaurierung habe die Republik zusätzlich 3,5 Millionen Schilling für den notwendigen Umbau der Restaurierwerkstätten sowie für die Restaurierung selbst weitere sechs Millionen Schilling aufgewendet.
"Sowohl Konformität als auch Gewissen geprüft"
In ihren Vorbemerkungen erklären die Verfasser des Schreibens, dass sie die Zielsetzungen des Kunstrückgabegesetzes "uneingeschränkt bejahen" und dass weder der drohende Verlust des Frieses mit seinen Auswirkungen auf die Secession (laut eigenen Angaben kommen 75 Prozent der Besucher nur, um den Fries zu sehen) noch die drohende Zerstörung des Werks durch das Abmontieren ein Argument gegen eine Rückgabe wäre.
"Wir dürfen Ihnen versichern, dass wir diesen Schritt nicht leichtfertig unternommen haben. Wir haben sowohl die Konformität unseres Vorhabens mit den Zielsetzungen der Secession abgestimmt als auch unser Gewissen geprüft und sind immer wieder zum Ergebnis gelangt, dass die Antragsteller Jacobs im Unrecht sind, ja dass eine Rückstellung des Frieses an Teile der Familie Jacobs echtes Unrecht verharmlosen und wirkliche Ansprüche entwerten würde", heißt es in einem von Secessions-Präsident András Palffy sowie Sylvia Liska, der Präsidentin der Freunde der Secession, unterzeichneten Schreiben.
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