Debatte gefordert

Muss der Euro weg, damit die EU gerettet wird?

Ausland
18.01.2014 17:00
"Der Euro muss weg, damit die EU gerettet wird": Mit diesem dramatischen Plädoyer hat jetzt der renommierte Politologe Francois Heisbourg aufhorchen lassen. Die gemeinsame Währung sei "ein mutiges Experiment" - das gescheitert ist, mahnt der Franzose am Samstag in einem Kommentar in der deutschen Tageszeitung "Die Welt" eine ernsthafte Debatte zum Euro-Aus ein. "Eine geordnete Euro-Auflösung wäre schmerzhaft, doch weniger traumatisch als die Massenarbeitslosigkeit in vielen EU-Ländern."

Heisbourg, ehemaliger hochrangiger Mitarbeiter im französischen Außenministerium und heute an der Spitze der französischen Stiftung für Strategische Studien (FRS), lädt in seinem Gastbeitrag dazu ein, "über eine Auflösung des Euro nachzudenken". Die beschlossenen Maßnahmen zur Rettung des Euro würden am Ende zur Zerstörung der EU führen, warnt er.

Frage des Tages in der Infobox: Rettet ein Euro-Aus die Europäische Union?

"Projekt Europa nur noch auf Euro-Rettung reduziert"
Das europäische Projekt sei mittlerweile nur noch auf eine einzige Dimension reduziert: "den Euro zu retten", kritisiert Heisbourg. Die Wähler seien jedenfalls sauer - entweder als Folge der endlosen Sparprogramme und hoher Arbeitslosigkeit, oder "weil die Bürger in den Geberländern fürchten, dass ihnen auf undurchsichtige Weise die Verbindlichkeiten der Schuldenstaaten übertragen werden", bringt der Politologe die Problematik auf den Punkt.

Für die aktuelle Situation seien die Maßnahmen, die zur Rettung des Euro beschlossen wurden, verantwortlich. Diese würden, so der Politologe, "wirtschaftliche Stagnation, eine wachsende Ablehnung des europäischen Integrationsprozesses und das drohende Risiko eines Austritts Großbritanniens aus der EU" produzieren - was schwere strategische und politische Konsequenzen zur Folge hätte.

"Als es den Euro noch nicht gab, machten es die nationalen Abwertungen oder Anpassungen mit den entsprechenden Folgen für die Zinsen viel weniger schmerzhaft, mit der Tatsache umzugehen, dass die einzelnen EU-Länder verschiedene wirtschaftliche Charakteristika haben, ohne damit eine existenzielle Gefahr für den europäischen Integrationsprozess heraufzubeschwören", gibt Heisbourg zu bedenken.

Briten, Polen und Schweden zeigen, wie es ohne Euro geht
Dies habe zwar keine ideale Situation dargestellt, aber sei wirtschaftlich und politisch viel weniger schädlich als die jetzige Situation gewesen – "sowohl für die EU als Ganzes als auch für jedes Land alleine genommen", argumentiert der Franzose. So würde das Beispiel großer Wirtschaftsnationen, die nicht Mitglied der Euro-Zone sind, wie Großbritannien, Polen oder Schweden, zeigen, dass eine solche Situation durchaus vereinbar ist mit einem gut strukturierten, gemeinsamen Markt. "Ein geordnetes Aufbrechen des Euro würde darauf zielen, eine Situation wiederherzustellen ähnlich der, die diese drei Länder außerhalb der Euro-Zone genießen."

Die Auflösung des Euro sei zwar keine "großartige Idee", wie Heisbourg betont, doch seien Alternativen "entweder nicht zu haben oder absolut katastrophal". Weil Europa für den wahren Föderalismus (wie ihn etwa in den USA der Dollar ermöglicht, wo nicht-föderale Verbindlichkeiten - zum Beispiel die Verschuldung von Detroit - auch nicht auf die Bundesebene verlagert werden) noch nicht reif sei, sollten wir, so der Politologe, "ernsthaft eine geordnete Auflösung des Euro erwägen" - "in einer ehrlichen und offenen akademischen wie demokratischen Debatte".

Der Politologe liefert auch gleich selbst einen dreistufigen Vorschlag zum Euro-Aus:

Schritt 1: Die Ersetzung des Euro durch die nationalen Währungen auf Initiative von mindestens Frankreich und Deutschland. Denn, ist Heisbourg überzeugt, kein Land - und schon gar nicht Deutschland - werde alleine die politische Verantwortung schultern wollen für einen so unerfreulichen Schritt wie die Anerkennung des Scheiterns unseres Euro-Projektes.

Heisbourg bemüht hier zwei Beispiele. Die kurzfristige Schöpfung des Real in Brasilien, einem Land so groß wie die EU der 28 Mitgliedsstaaten, sei ein Beispiel für eine kontinentale De- und Remonetarisierung. Und die friedliche Spaltung der tschechischen Krone sei ein erfolgreicher Fall eines Abschieds von einer gemeinsamen Währung in Europa gewesen.

Schritt 2: Nach einer Periode der Kapitalkontrolle, während derer mithilfe der Europäischen Zentralbank neue Umrechnungskurse ermittelt würden, könnte das einstige System des europäischen Wechselkursmechanismus wiedereingeführt werden.

Schritt 3: Als Versuch, in gewisser Weise politisch das Gesicht zu wahren, würde der Euro als gemeinsame Verrechnungseinheit beibehalten werden, was der Rolle des alten ECU (European Curreny Unit, dt: Europäische Währungseinheit) entspräche.

Heisbourg: "Euro-Aus bietet Hoffnung auf EU-Comeback"
"Nichts von dem wäre glorreich. Ein Scheitern zuzugeben ist nie eine schöne Erfahrung", schreibt Heisbourg abschließend. Auch wenn eine Auflösung des Euro in jedem Fall "schmerzhaft und gefährlich" wäre, sei sein Vorschlag "weniger riskant als eine Rückkehr zu der waghalsigen Politik der Jahre 2010 bis 2012 und weniger traumatisch als die tief verwurzelte Massenarbeitslosigkeit, die in weiten Teilen der Euro-Zone herrscht. Und er bietet die Hoffnung, die Union zu retten und ihr ein Comeback zu ermöglichen".

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