Offiziell vermeidet man den Begriff "gefälscht" allerdings, denn eines wird schnell klar in der kleinen Runde im Porsche-Museum in Stuttgart-Zuffenhausen: Das Thema "Fälschung" ist kein angenehmes für Porsche. Mit stolzgeschwellter Brust schreibt man sich auf die Fahnen: Man hat mit dem "Egger-Lohner Elektrowagen C.2 Phaeton" aus dem Jahr 1898 ein historisches Stück Porsche-Geschichte aufgetan und Punkt. Da will man nicht dran kratzen.
Hauptthema als "Randnotiz" abgetan
So wird ein zentrales Thema auch zunächst explizit zur "Randnotiz" erklärt: Das "P1"-Signet vorne rechts ist erst in jüngster Zeit eingeschlagen worden. Das haben nun Untersuchungen unter dem Rasterelektronenmikroskop ergeben, die den von krone.at vorgelegten Foto-Beweis (aus einem Gutachten des technischen Museums Wien vom August 2009) bestätigt haben. Museumsdirektor Achim Stejskal spricht dabei allerdings nicht von Fälschung, sondern von "Komplettierung", und stellt die Diskussion darüber als völlig irrelevant dar.
Er kapriziert sich auf eine "P1"-Prägung an der linken hinteren Radnabe, deren Echtheit die Untersuchungen, die Porsche in Auftrag gegeben hat, "mit hoher Wahrscheinlichkeit" bestätigen. Allein: Diese Radnabe mit dem P1-Zeichen wurde im Technischen Museum 2009 nicht fotografiert, weil das Fahrzeug mit der linken Seite an einer Wand stand und die Nabe nicht zugänglich war. Der simple optische Beweis ist also nicht möglich, und unter dem Rasterelektronenmikroskop bleibt immer ein Restzweifel. "Eine 100-prozentige Bestätigung wird Ihnen kein Wissenschaftler geben", relativiert auch Stejkal. Und völlig ungeklärt (und auch nicht näher kommentiert) bleibt, wie es zu der gefälschten Prägung vorne rechts kommt.
Historisch ist das Fahrzeug sicher wertvoll, das betonen die versammelten Porsche-Leute samt Professor Dr. Kurt Möser, der das historische Gutachten über den Egger-Lohner nun für Porsche angefertigt hat. Er bestätigt die Echtheit des Fahrzeugs (die krone.at nie bezweifelt hat) und die Beteiligung Ferdinand Porsches an der Konstruktion (auch die haben wir nicht in Zweifel gezogen). Konkret hat Porsche den Elektromotor konstruiert. Das ist unstrittig, obwohl sein Arbeitgeber seinerzeit das Patent angemeldet hat (im Nachhinein wurde es Porsche zugesprochen). Dieser Motor wurde in eine Lohner-Kutsche eingebaut, die zuvor auch schon von einem Benzinmotor angetrieben worden war.
Nie ein Rennen gewonnen
Dieser Wagen diente vortan als Versuchsfahrzeug, worauf unter anderem der fortgeschrittene Verschleiß an Antriebsritzeln und Bremsen schließen lässt, stellt Dr. Möser klar. Der Wagen wurde nie auf der Berliner Automobilausstellung gezeigt – und hat auch nie an einem Rennen teilgenommen, wie man auf Nachfrage eingesteht. Das war schlicht ein Irrtum. Dieses Rennen gewann die Nachfolgekonstruktion "Mylord", von der ein Exemplar im Wiener technischen Museum steht.
Porsche nennt das Fahrzeug, das die Besucher des Porsche-Museums in Zuffenhausen als erstes Exponat begrüßt, nun nicht mehr "P1". Es ist auch nicht so, dass Ferdinand Porsche "wesentliche Teile" des Fahrzeugs mit seinem Kürzel markiert hat – eine Radnabe war schon damals ein Massenbauteil und keine Porsche-Spezialität. Und am Rest des Fahrzeuges (wesentliche Teile eingeschlossen) finden sich zwar Zahlenmarkierungen, aber kein "P".
Weitere Ungereimtheit am Fahrzeug
Neben dem "P1" auf der Radnabe ist noch ein Detail verfälscht: Rechts an der Fahrzeugfront ist ein viereckiges Logo mit der Aufschrift "Jacob Lohner & Comp., System Lohner Porsche" angebracht, das da nicht hingehört. Auf den Fotos des TMW-Gutachtens von 2009 sieht man an der Stelle den Abdruck eines dreieckigen Zeichens, von dem nun eines auf der linken Seite zu sehen ist (Aufschrift: System Egger-Lohner). Das viereckige ist einige Jahre jünger, kann also nicht belegen, dass sich das "System Porsche" auf diesen Egger-Lohner Elektrowagen bezieht. Und dahinter sieht man noch immer den Dreiecksabdruck.
Zumindest vor den Augen der Öffentlichkeit zeichnet Porsche also das Bild des unantastbaren Sensationsfundes. Dass die Nachforschungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit weitergehen und dem vorne rechts nachträglich angebrachte "P1" eine größere Bedeutung beigemessen wird, als man zugibt, scheint aber klar. Irgendjemand hat das Heiligtum in der Zeit seit 2009 manipuliert. Manche Krimis sind eben Fortsetzungsromane.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.