In der Zeit eines menschlichen Augenaufschlags kann eine Schmeißfliege 50 Mal mit ihren Flügeln schlagen und dabei jeden einzelnen Flügelschlag mit zahlreichen winzigen Steuermuskeln – manche davon sind so dünn wie ein Menschenhaar – kontrollieren. In den membranartigen Flügeln selbst sitzen keine Muskeln, diese sind alle im Brustkorb versteckt.
Danke eines neuartigen CT-Aufnahmeverfahren, das Forscher der Oxford University und des Imperial College in London mit dem PSI entwickelt haben, lassen sich Einzelheiten der Muskulatur der Fliege in einer Grössenordnung von einigen Tausendstelmillimetern erkennen und ihre Bewegung mit einer bisher einmaligen Zeitauflösung verfolgen.
Aufnahmen zu 3D-Filmen zusammengesetzt
"Das Gewebe im Brustkorb der Fliege lässt kein sichtbares Licht durch, kann aber mit Röntgenstrahlen durchleuchtet werden", erklärt Rajmund Mokso, der für den Versuch verantwortliche Forscher an der sogenannten Synchrotron-Lichtquelle am PSI. Indem sie die Insekten in einem speziellen Versuchsaufbau für Hochgeschwindigkeitsaufnahmen herumdrehten, konnten sie mit hoher Geschwindigkeit einzelne zweidimensionale Röntgenbilder anfertigen, auf denen die Flugmuskulatur in allen Phasen des Flügelschlags aus mehreren Blickwinkeln zu sehen waren. Diese Aufnahmen haben sie anschließend zu 3D-Filmen der Flugmuskeln kombiniert.
Kleine Muskeln steuern große Muskeln
Als Reaktion auf das Herumdrehen im Versuchsaufbau versuchten die Fliegen, in die entgegengesetzte Richtung zu fliegen, und ermöglichten den Forschern so die Aufzeichnung der asymmetrischen Muskelbewegungen beim Kurvenflug. "Die Steuermuskeln machen weniger als drei Prozent der Gesamtmasse der Flugmuskulatur einer Fliege aus", erklärt Graham Taylor, der die Studie in Oxford leitete.
"Daher war es eine der Kernfragen, wie die Steuermuskeln die Leistung der viel größeren Kraftmuskeln beeinflussen können. Die Kraftmuskeln arbeiten symmetrisch, jedoch kann die Fliege bei jedem Flügel – durch den Wechsel zwischen verschiedenen Schwingungsarten – Kraft in einen auf die Absorption mechanischer Energie spezialisierten Steuermuskel umleiten, ähnlich wie die Gangschaltung beim Auto, die beim Herunterschalten eine Bremswirkung erzielt."
Das wohl komplexeste Gelenk
Die Wissenschaftler hoffen, ihre Ergebnisse für den Entwurf von neuen mikromechanischen Geräten nutzen zu können. "Die Fliegen haben hier ein Problem gelöst, vor dem Ingenieure in demselben Größenbereich stehen", so Taylor: "Wie werden verhältnismäßig große, komplexe Bewegungen in drei Dimensionen mit mechanischen Komponenten generiert, die eigentlich nur kleine, einfache Bewegungen im Eindimensionalen erzeugen können?" Das geniale Design des Flugmotors der Schmeißfliege löst dieses Problem auf großartige Weise, wie die Ergebnisse dieser Studie zeigen.
Simon Walker aus Oxford, der zusammen mit Daniel Schwyn Ko-Erstautor der Studie ist, fügt hinzu: "Das Flügellager der Fliege ist wohl das komplexeste Gelenk, das in der Natur vorkommt. Es ist das Ergebnis von über 300 Millionen Jahren evolutionärer Vervollkommnung. Das Ergebnis ist ein Mechanismus, der sich enorm von den herkömmlichen Konstruktionen unterscheidet, die von Menschen geschaffen wurden. Er setzt auf Krümmen und Beugen, statt wie ein Uhrwerk zu laufen."
Das Bild zeigt das Innere des Fliegen-Brustkorbs. Sichtbar sind die fünf untersuchten Steuermuskeln (grün bis blau) und die Kraftmuskeln (gelb bis rot).
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