In Gegenden, wo das Grüßen zwischen Bikern üblich ist (also nicht gerade in der Wiener Innenstadt), heben geschätzt 50 Prozent der Motorradfahrer die Hand. Wenn ich zuerst grüße, erwidern fast 100 Prozent die Freundlichkeit.
Zu den Fakten. Eigentlich ist der Roller eine Konstruktion des taiwanesischen Herstellers Kymco, der ihn auch baut. Doch Kawasaki hat ihm recht konsequent einen neuen Charakter verpasst.
Der 299-cm³-Einzylinder-Viertakter blieb unangetastet. Abgesehen von der Optik liegt der Unterschied vor allem im Fahrwerk, das beim J300 straffer, aber nicht unkomfortabel ausgelegt wurde. Wer wie ich vom Motorrad kommt, braucht ein wenig, um sich an die kleinen Räder (vorn 14, hinten 13 Zoll) zu gewöhnen, aber ich habe recht schnell Vertrauen gefasst und lerne, die Vorzüge der Rollerei zu schätzen. Im Stadtverkehr gibt es nichts Schnelleres, jeder Ampelstart ist mit den 28 PS und der stufenlosen Automatik ein Spaß und so schmal, wie er ist, sind auch Kolonnen kein echtes Hindernis auf dem Weg zur Haltelinie vor einer roten Ampel. Die Einzelscheibenbremsen mit Doppelkolbenbremssatteln, einstellbaren Hebeln und Bosch-ABS bringen den wendigen, vollgetankt (13 Liter) 191 kg wiegenden Roller jederzeit sicher und zielgenau zum Stehen.
Mal schnell in die Stadt rein, um am Brunnenmarkt einzukaufen – perfekt. Während des Einkaufs passt mein Integralhelm (und ein bisserl Zeug) unter die Sitzbank, danach das Ergebnis der Shoppingtour. Ein wenig Stauraum hat Kawasaki allerdings dem Design und einer komfortableren Sitzbank geopfert. Dass der Windschutz bestenfalls mäßig ist und die Beine generell im Wind stehen, gehört zum sportlichen Konzept. Als Zubehör gibt es aber einen größeren Windschild, Lenkerstulpen, zwei verschiedene Wetterschutzdecken oder auch drei verschieden große Topcases. Staufachbeleuchtung und ein kleines Fach mit 12-Volt-Buchse sind serienmäßig.
Auch im Speckgürtel gibt sich der Grüne keine Blöße, sogar auf der Autobahn fühle ich mich mit dem J300 wohl. Mit nachgestellter Federvorspannung ist der Kawasaki (klingt ungewohnt, oder?) ein ideales Gefährt auch für den Ausflug zu zweit. Ich halte es problemlos auch länger im Sattel aus, nicht zuletzt weil ich mehr Platz habe als bei manchem Konkurrenten.
Trotz allem ist der Kawasaki J300 natürlich kein Motorrad und schon gar nicht ernsthaft als "echte Kawasaki" zu bezeichnen. Aber im Rahmen der Möglichkeiten, die Hubraum und (geringe) Größe der Räder bieten, ist hier etwas wirklich Gutes herausgekommen, das 5.650 Euro (inklusive 100 Euro für die kawasakigrüne Lackierung – ein Muss!) allemal wert ist. Wie er im Markt ankommt, wird sich zeigen. Möglicherweise ist er Rollerfahrern zu wenig klassischer Roller, Motorradfahrern zu wenig Motorrad – bleiben noch stau- und parkplatzsuchegeplagte Autofahrer, die von vier auf zwei Räder umsteigen. Die werden sich fühlen wie im Paradies. Nicht nur weil sie ständig gegrüßt werden.
Warum?
Sportlich orientierter Roller mit aggressiver Kawasaki-Optik
Warum nicht?
Man muss Abstriche beim Komfort machen
Oder vielleicht...
... Piaggio X10 350ie, wenn Komfort wichtiger als Sport ist. Oder ein Roller mit größeren Rädern für mehr Fahrstabilität.
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