Es dürfte wohl eines der interessantesten Projekte der heimischen Filmlandschaft sein: "Wienerland", eine düstere Fantasy-Serie, die derzeit von Jan Woletz und Christof G. Dertschei gedreht wird. Doch nicht nur das Setting, in dem Menschen, Zwerge, Orks und Co. in einem finsteren Ghetto 20 Jahre nach einer Rebellion aufeinandertreffen, ist außergewöhnlich.
Finanziert werden soll das Projekt nämlich per Crowdfunding, also über Spenden aus dem Internet. Der erste Teaser wurde bereits veröffentlicht (siehe Infobox). Seine Ziele hat sich Regisseur Woletz hoch gesteckt: "Es wäre schön, wenn ich das, was vor 30 Jahren mit 'Star Wars' passiert ist, online schaffen könnte."
krone.at: Hallo Herr Woletz! Der erste Teaser von "Wienerland"wurde ja vor kurzem veröffentlicht. Können Sie uns kurz erklären, worum es in der Serie geht bzw. gehen wird?
Jan Woletz: In der ersten Staffel werden wir sieben Hauptfiguren kennenlernen, die verschiedene Storylines erzählen und später zusammengeführt werden. Es geht in erster Linie am Anfang um ein junges Mädchen, unsere Hauptdarstellerin Atalja, die aus der Hauptstadt im Wienerland fliehen muss. Diese Stadt Motherstown haben wir zum Teil auch schon im Teaser vorgestellt. Der Teaser ist eigentlich die erste Szene der ersten Episode, das heißt, wir haben auch schon ein paar Hinweise verstreut. Unser zweiter Hauptcharakter ist Gruben, der auch im Teaser vorgestellt wird. Außerdem haben wir den Straßenjungen Miro, der ebenfalls im Teaser vorkommt. Insgesamt geht es darum, dass wir eine große Fantasywelt gestalten und durch die Augen von Atalja diese Welt kennenlernen.
krone.at: Gibt es dominierende Themen in "Wienerland"?
Woletz: Ein großes Thema bei uns ist Rassismus, weil wir Nicht-Menschen und Menschen getrennt haben, was zu einer Rebellion geführt hat. Das Szenario spielt 20 Jahre nach einem Bürgerkrieg, und in weiterer Folge werden dann auch die mysteriösen Vorkommnisse im Wienerland erklärt.
krone.at: Nicht gerade ein "Heile-Welt-Szenario". Wie kommt man auf so eine düstere Handlungsebene?
Woletz: Wir nennen dieses Genre Spaghetti-Fantasy, angelehnt an den Spaghetti-Western, der ja vor rund 50 Jahren eine neue Ära im Westernfilm eingeleitet hat. Davor gab es eben diese "heile Welt" mit guten Cowboys und bösen Indianern. Im Spaghetti-Western gab es aber diesen "dreckigen" Zugang mit Prostituierten, Antihelden und so weiter. Fantasy war bisher auch relativ sauber, wenn man sich zum Beispiel "Herr der Ringe" oder den "Hobbit" anschaut. Der Kampf zwischen Gut und Böse ist ja als Vorlage auch schon etwas älter. Ich fand es eben spannend, Fantasy für Erwachsene zu machen, zwar mit Augenzwinkern, aber durchaus auch mit einem düsteren Zugang.
krone.at: Könnte man das mit der erfolgreichen US-Serie "Game of Thrones" vergleichen?
Woletz: Also, "Game of Thrones" ist momentan einer meiner absoluten Serienfavoriten. Deswegen haben wir auch diese verschiedenen Handlungsstränge gewählt, die vielleicht am Anfang noch gar nicht soviel Sinn ergeben, aber es wird dann irgendwo enden. Ich mag zwar "Game of Thrones" sehr gerne, aber ich wollte eben weg von der klassischen Fantasy mit Rittern, Burgen, Drachen und so. Für mich war die Frage "Was passiert in Mittelerde 2.000 Jahre später" viel spannender. Ich meine, die hätten sich ja auch irgendwo weiterentwickelt. Diese Mischung hat uns dann dazu veranlasst, unsere eigene Story zu erzählen.
krone.at: Warum heißt die Serie "Wienerland"?
Woletz: Als ich vor vier Jahren mit dem Projekt begonnen habe, hatte ich eigentlich die Idee, ein postapokalyptisches Szenario, etwa in Wien nach einem Kometeneinschlag oder so, zu machen. Wir haben immer noch alte Konzeptzeichnungen mit Autobahnschildern aus Wien, unter denen zum Bespiel ein Ork sitzt. Ich bin aber davon weggekommen, weil ohnehin schon viele Billigproduktionen ein postapokalyptisches Szenario haben. Zum Beispiel hat man da dann den einsamen Helden, der alleine durch die zerstörte Fabrik läuft, weil man ja kein Geld hat für Kulissen. Ich wollte zwar schon ein bisschen was von Zerstörung – deswegen auch das Nachkriegsszenario. Aber ich geh' eben weg der Szenerie "marodierende Ork-Gang kommt mit'n Opel Astra". Wir haben auch zwei Jahre gebraucht, um uns zu entscheiden, wo unsere Figuren waffentechnisch unterwegs sind. Jetzt sind wir so circa nach dem Zweiten Weltkrieg. Aber ob es Panzer geben wird, weiß ich noch nicht. Aber es gibt auch jeden Fall eine Kaiserin mit einer Armee – ähnlich wie bei "Star Wars".
krone.at: Aber die Serie wird ja auf Englisch sein, warum also der deutsche Titel?
Woletz: Das stimmt (lacht). Der Name ist zwar ungünstig für eine englische Produktion, aber wir haben damals gesagt, wenn's gar nicht funktioniert, machen wir daraus einen Porno und haben gleich einen passenden Titel. Es ist ein bisschen so wie Mittelerde. Das Wienerland ist eine Region in meiner Welt, und dort spielt eben die Handlung. Und da wir Wiener sind und das Projekt auch aus Wien kommt, ist der Name geblieben. Die Serie spielt aber nicht in Wien, es handelt sich dabei um eine eigens erschaffene Fantasy-Welt.
krone.at: Und warum wird die Serie überhaupt auf Englisch sein?
Woletz: Na ja, ich möchte auch internationale Darsteller für "Wienerland" gewinnen. Momentan grase ich grad alles ab, was bei "Game of Thrones" schon gestorben ist, und versuche, die Leute dafür zu engagieren, weil die haben meistens grad nix zu tun. Der Hauptgrund für die englische Produktion war aber, dass wir international mehr Reichweite erzielen können. Es gibt ja eine riesige Fanbase in Sachen Fantasy, und vieles davon ist englischsprachig. Außerdem wollen wir eben für die erste Staffel bei der Finanzierung auf Crowdfunding setzen, und das funktioniert in Österreich noch nicht so wirklich. Das ist für die österreichische Mentalität noch zu fremd. Es ist ja schon schwierig, Österreicher davon zu überzeugen, bei unserer Facebook-Seite auf "Gefällt mir" zu drücken.
krone.at: Habt Sie sich aufgrund der Crowdfunding-Idee entschieden, die Serie als Web-Serie zu produzieren?
Woletz: Unter anderem, ja. Aber wir sind immer noch am Überlegen, denn die erste Staffel wird sechs Folgen a 15 Minuten umfassen, also hätte man schon Spielfilmlänge. Ich würde gerne eine Spielfilmversion rausbringen, aber die Schwierigkeit liegt hier noch etwas bei der Story. Außerdem geht es vom Budget her besser. Web-Serien sind zwar noch verschrien, aber ich mache lieber die beste oder eine der besten Web-Serien als einen schlechten Kinofilm. Denn wenn du einen Fantasy-Film fürs Kino billig produzierst, siehst du es halt. Im Internet wird da mehr verziehen.
krone.at: Apropos billig: Wie läuft es bisher mit der Finanzierung, nachdem ihr ja jetzt den ersten Teaser veröffentlicht habt?
Woletz: Das Feedback auf den Teaser war gut, sehr gut sogar. Ich meine, es war klar, dass wir es nicht in kürzester Zeit schaffen, eine Million Klicks zu bekommen. Aber wir wollten eben einfach mal zeigen, wie sich die Welt von "Wienerland" anfühlt. Dafür, dass wir das Ganze ohne Budget produziert haben, ist es okay. Die Leute nehmen das Projekt an, und das ist gut. Wir wollen jetzt mal unsere Fanbase erweitern, indem wir eben auch die Produktionsschritte zeigen. Aber es ist halt schwierig, wenn man ohne Budget produziert. Nur wenn die Story und die Marke "Wienerland" die Leute interessieren, dann kann man so ein Projekt auch leichter finanzieren. Eine Idee wäre eben, dass es für einen finanziellen Beitrag zum Beispiel eine Erwähnung im Abspann gibt oder je nachdem ein Filmposter, Actionfiguren oder so. glichst viele Leute in das Projekt investieren.
krone.at: Wie haben die Fantasy-Fans auf dem Teaser und das Konzept reagiert?
Woletz: Naja, es gab natürlich ein paar kritische Stimmen, was ja, wenn es konstruktiv ist, auch nicht schlecht ist. Es ist ja für uns auch ein Lernprozess. Die Leute, die das Konzept verstanden haben, fanden es cool, und im Internet gibt es eben immer jemanden, der etwas kritisiert, nur um zu kritisieren. Ich konnte halt nichts veröffentlichen, das nicht gedreht werden konnte. Wir hatten drei Drehtage geplant, und einen davon hat es geregnet. Genau an dem Tag hätte ich aber für meine Hauptrolle Pablo Klaus Ofczarek engagiert gehabt, aber da es geschüttet hat, konnten wir die Szene nicht drehen. Daraufhin musste an einem anderen Tag mein Co-Produzent und Visual Effects Artist Christof G. Dertschei in die Maske schlüpfen. Am Ende hatten wir von 98 geplanten Einstellungen nur 46. Wir wollen eben einen Einblick geben, wie die Produktion abläuft. Und ich möchte andere sehen, die es unter diesen Vorraussetzungen besser machen. Aber es gibt eben Dinge, die mich selbst auch stören.
krone.at: Und zwar?
Woletz: Naja, viele Effekte sind einfach noch nicht so, wie ich sie gerne hätte. Ich hasse digitales Blut, und wir hatten aber keine Zeit mehr, da wirklich noch jemanden "in die Luft zu sprengen" (lacht). Und auch das Hendl hätte eigentlich überlebt.
krone.at: Das Hendl, das im Teaser aus Grubens Wohnung läuft?
Woletz: Ja genau. Eigentlich hätte das Hendl herausspazieren sollen, während rundherum geschossen wird, also laut Drehbuch. Gruben hat nämlich eine Schwäche für Hühner. Das Problem war, dass das Hendl nicht spaziert ist, sondern einfach nur herumgestanden. Die Tiertrainerin hat alles probiert, aber das Hendl wollte nicht herumlaufen, sondern ist nur dort gestanden und hat "Gooock" gemacht. Also haben wir es dann digital am Computer gekillt. Aber natürlich ist dem Huhn nicht wirklich was passiert, es ist wohlbehalten wieder nach Hause gefahren. Wie gesagt, laut Drehbuch hätte es überleben sollen, aber na ja.
krone.at: Österreich ist ja als Filmland durchaus erfolgreich. Zuletzt hat ja "Das finstere Tal" von Gerhard Prohaska zahlreiche Preise gewonnen. Wie ist da der Druck von außen, sich in die Riege der Top-Filmemacher einzureihen?
Woletz: Ich finde es großartig, dass "Das finstere Tal" international so erfolgreich ist. Prohaska macht großartiges Genrekino, aber es wird eben viel zu wenig gefördert. Wir haben daher beschlossen, unser eigenes Ding zu machen, weil wir eben nicht jahrelang auf eine Förderung warten wollten, nur damit uns dann wer sagt: "Na ja, vielleicht sollte man das noch a bissal kritischer beleuchten, wie's in dem Ghetto zugeht und die Prostitution mehr hervorkehren..." Für mich sollen Kino und Film auch irgendwo unterhalten. Ich habe eben Regie in den USA studiert und da weniger Bezug zum österreichischen Film in diesem Sinne.
krone.at: Wie schauen die Ziele mit "Wienerland" aus?
Woletz: Na ja, Film soll für mich auch ein bisschen in eine andere Welt entführen. Das Ziel ist es eigentlich, mit "Wienerland" zum einen eine Geschichte zu unterhalten, aber zum anderen auch eine Marke zu kreieren. Schön wäre, wenn ich das, was vor 30 Jahren mit "Star Wars" passiert ist, online machen könnte. Oder vor 14 Jahren in Neuseeland, vor "Herr der Ringe". Damals gab es dort auch nur eine kleine Filmlandschaft, es gab aber Leute, die daran geglaubt haben, etwas schaffen zu können. Wir haben in Wien und Österreich viele extrem kreative Leute und geniale Darsteller, Ausstatter oder Kostümbildner, aber die haben einfach alle viel zu wenige Möglichkeiten. Ich möchte da auch eine Plattform schaffen, die zeigt, was die Leute bei uns können. Natürlich hätte ich gern Förderungen, aber ich will mich damit nicht aufhalten. So kann ich sagen: Das ist unser Produkt, nehmt es und mögt es oder nicht, aber es ist unser Produkt, und ich habe mich bemüht. Aber ob wir damit Preise gewinnen... Das ist eigentlich egal.
krone.at: Wann können wir mit der ersten Episode von "Wienerland" rechnen?
Woletz: Wir wollen im Herbst/Winter 2014 die erste Staffel drehen. Eine Crowdfunding-Kampagne soll in den nächsten zwei Monaten starten, aber ich brauche zumindest eine grundlegende Fanbase. Dadurch, dass es Low Budget ist, müssen wir eben gut planen. Eigentlich hätte ich gerne die erste Staffel mit Jahresende abgedreht. Spätestens Halloween 2015 wollen wir dann etwas veröffentlichen. Aber die Entstehungsgeschichte soll eben zwischendurch auch gezeigt werden. Momentan wird gerade das Casting abgeschlossen, und ich bin der Meinung, das sollte auch jemand sein, der für die Fanbase interessant ist. Es wird jemand Düsterer sein, mehr darf ich aber noch nicht verraten.
krone.at: Zum Abschluss noch ein ganz anderes Thema: Was sagen Sie zu Conchita Wurst und ihrem Sieg beim Song Contest?
Woletz: Ich finde es großartig. Ich habe aber zugegebenermaßen die ersten eineinhalb Stunden vom Song Contest so verbracht wie immer - schlafend auf der Couch und davor nörgelnd, dass ich mir das anschauen muss. Aber ich muss sagen, ich war dann auch im Song-Contest-Fieber und natürlich froh, dass sie gewonnen hat. Mein Team hat gleich gemeint, wir sollten Conchita Wurst als Kaiserin für "Wienerland" engagieren. Schauen wir mal, was passiert.
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