"Kopf zermalmt"

Opfer nach Autounfall im Rollstuhl: Schuldspruch

Österreich
30.05.2014 13:22
Zu eineinhalb Jahren teilbedingter Haft - sechs Monate davon unbedingt - ist am Freitag im Wiener Straflandesgericht eine 48-jährige Frau verurteilt worden, die im November 2013 bei einem schweren Verkehrsunfall im Bezirk Favoriten eine junge Fußgängerin lebensgefährlich verletzt hatte. Das 26-jährige Opfer ist seither querschnittgelähmt und ein Pflegefall. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.

"Sie liegt seit diesem Tag im Spital. Sie war auf dem Weg zu einer Geburtstagsfeier, auf die sie sich sehr gefreut hat. Und dann wurde ihr Kopf zermalmt", sagte der Vater der jungen Frau, ein Rechtsanwalt, der im Strafverfahren nun die rechtlichen Interessen seiner Tochter vertrat.

Laut Anklage hatte die 48-jährige Unfalllenkerin am 14. November 2013 in der Schule, die zwei ihrer drei mittlerweile erwachsenen Kinder besucht hatten, einer Lehrerin ihren Pkw entwendet, indem sie in das Gebäude eindrang und der Pädagogin ihre Handtasche mit den Fahrzeugschlüsseln stahl. Mit dem BMW, mit dem sie danach davonbrauste, unternahm die 48-Jährige zwei Tage später eine "Spazierfahrt", wie es Staatsanwältin Valerie Walcher formulierte.

Zahlreiche Knochenbrüche, Hirnverletzung, Rissquetschwunden
Der Ausdruck "Amokfahrt" hätte es wohl besser getroffen. Die 48-Jährige, die seit 1984 einen Führerschein besitzt und zu diesem Zeitpunkt weder alkoholisiert war noch unter dem Eindruck sonstiger bewusstseinsverändernder Substanzen stand, touchierte am Abend des 16. November auf der Laxenburger Straße zunächst einen geparkten Pkw. Der BMW wurde dabei erheblich beschädigt.

Die Lenkerin setzte ihre Fahrt jedoch ungerührt fort und überfuhr hintereinander bei Rotlicht drei Kreuzungen. Im Kreuzungsbereich Laxenburger Straße/Gudrunstraße kam es zum folgenschweren Unfall: Die 48-Jährige verriss ohne ersichtlichen Grund den Pkw, geriet auf den Gehsteig und stieß einen Verkehrszeichen-Steher um, der auf die 26-Jährige stürzte.

Die Folgen waren für das Opfer fatal: Die junge Frau erlitt einen offenen Schädelbruch mit Hirnaustritt, eine Hirnprellung, eine Zwischenhirnblutung, Brüche der Augenhöhle und des Schläfenbeins, einen Bruch des linken Jochbogens, eine Nasenbeinfraktur, einen Bruch des siebenten Halswirbels, Brüche der ersten und zweiten rechten Rippe, einen Bruch des rechten Schulterblatts, Brüche des vierten bis sechsten und des zehnten Brustwirbels sowie Rissquetschwunden am Kopf.

Angeklagte: "Möchte mich bei der Familie entschuldigen"
"Ich möchte mich bei der Familie entschuldigen, wenn das akzeptiert wird", sagte die Angeklagte am Freitag vor Gericht. Laut Gutachten der Gerichtspsychiaterin Gabriele Wörgötter war die 48-Jährige ungeachtet ihrer psychischen Erkrankung - die Angeklagte leidet an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung und einer diagnostizierten Depression, ist daher frühpensioniert und besachwaltert - zum Tatzeitpunkt zurechnungs- und damit schuldfähig. Ihre Persönlichkeitsstörung hatte die Frau nie fachspezifisch oder medikamentös behandeln lassen. Der Führerschein wurde ihr nach dem tragischen Unfall von Amts wegen abgenommen.

Der Vater des Opfers machte als Privatbeteiligter Schadenersatz und Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 500.000 Euro geltend. 100.000 Euro sprach ihm Richter Christian Gneist zu, mit den darüber hinausgehenden Ansprüchen wurde das Unfallopfer auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

48-Jährige nach Urteilsspruch enthaftet
Die 48-Jährige wurde noch am Freitagnachmittag enthaftet, da sie seit dem Unfall in U-Haft gesessen war und ihr diese Zeit auf den unbedingt ausgesprochenen Strafteil angerechnet wurde. Dass die Frau den Schaden in finanzieller Hinsicht wiedergutmachen kann, dürfte bei realistischer Betrachtung auszuschließen sein.

Formal muss sie zwar die 100.000 Euro binnen zwei Wochen bezahlen, der 48-Jährigen stehen monatlich jedoch nur 837 Euro zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts zur Verfügung. Sie werde "20 bis 30 Euro zur Schadensgutmachung leisten, wenn das akzeptiert wird", gab die 48-Jährige zu Protokoll. Verteidiger Sebastian Lesigang verzichtete nach Rücksprache mit seiner Mandantin auf Rechtsmittel.

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