Zuckerlbuntes Pop-Spektakel mit Hang zum Exzessiven oder perverses Verderben von Kindern durch sexuelle Anspielungen und schlüpfrige Texte? Miley Cyrus, 21, ist schon seit längerer Zeit der Reibebaum für moralische Sittenwächter und besorgte Eltern. Ähnlich wie ihr männliches Teeniestar-Pendant Justin Bieber schafft es die einst zuckersüße Hannah Montana durch auffälliges Benehmen und unzweideutige Bühnenbewegungen, besorgtes Raunen hervorzurufen. Die Wahrheit liegt - wie so oft - in der Mitte.
Alles schon mal da gewesen
Miley ist nämlich weder eine sexuell geladene Hexe noch das flauschige Teenie-Sternchen aus ihrer einstigen Erfolgsserie. Vielmehr ist der kurzhaarige Blondschopf in der berufsbedingten Spätpubertät angekommen und eckt im Prinzip nicht mehr an, als es weiland Britney Spears oder Madonna taten. Die großen Perversionen verbrät Cyrus in der bei Weitem nicht ausverkauften Wiener Stadthalle bereits zu Beginn.
Beim Opener "SMS (Bangerz)" rutscht sie selbstironisch von einer riesigen Stoffzunge Richtung Bühnenzentrum, bei "4x4" richtet sie nonchalant den Mittelfinger in die Kameras und beim flotten Hip-Hop-Stück "Love Money Party" räkelt sich das Teenie-Idol im hautengen Geldschein-Bodysuit auf einem goldenen Auto und greift sich dabei mehrmals offensichtlich in den Schritt. Pop-Ikone Michael Jackson lässt grüßen.
Exzess light
So good, so what? Das gab es alles schon drastischer und offensiver. Natürlich kleidet sich Cyrus während ihres knapp zweistündigen Auftritts nur in den allernötigsten Stoffen, streckt ihre Zunge gefühlt öfter heraus, als sie Töne ins Mikrofon säuselt, und suhlt sich, mit dem Hintern twerkend, im Applaus des vornehmlich minderjährigen Stammpublikums. Dennoch bleibt alles im moralischen Rahmen und artet zu keiner Zeit in eine von vielen befürchtete Sodom-und-Gomorrha-Orgie aus.
Was neben all den mehr oder weniger diskutablen Handlungen auf der Bühne völlig untergeht, ist die prachtvolle Stimme der Künstlerin. Auch wenn an diesem Abend nicht alles live aus den Boxen hallt, zeigt sich Miley vor allem bei den stimmlich herausfordernden Nummern von ihrer besten Seite. Die Ballade "My Darlin'" bringt sie dabei ebenso inbrünstig über die Bühne wie den eindringlichen Single-Hit "Adore You" oder das Country-eske Dolly-Parton-Cover "Jolene", das sie im zweiten Showdrittel von der Hallenmitte ins begeisterte Publikum trällert. Absolutes Highlight natürlich "Wrecking Ball" - eines der besten und auch am besten gesungenen Pop-Lieder dieses Jahrtausends.
Zahlreiche Geschenke
Der Kreischalarm erreicht zwar niemals die Sphären der "Beliebers" aus dem Vorjahr, verzückt aber auch die kränkliche und nicht in allerbester Topform agierende Cyrus. Der Unterstützung aus dem Publikum kann sich die Sängerin aber sicher sein. Bei "Maybe You're Right" fliegen ihr nicht nur Blumen, Luftgitarren und BHs, sondern auch eine Gummibrust entgegen, deren Qualität Cyrus durch einen gekonnten Nippelbiss testet.
Während "Adore You" kullern zahlreiche Freudentränen in den ersten Reihen. Dass Miley nach "Do My Thang" ungalant Wasser ins Publikum spuckt und sich so mancher Fan nach zu viel Aufregung vom örtlichen Rot-Kreuz-Team behandeln lassen muss, gehört zu den verzichtbaren Ereignissen gehypter Teenie-Konzerte. Eine schöne Wende an diesem Abend, denn die Beginnzeit wurde zu früh angesetzt. Miley-Fanaten mussten anfangs mehr als eine Stunde auf den Auftritt ihres Topstars zuwarten.
Buntes Bühnenprogramm
Die Entschädigung folgte mit einer kunterbunten, reizüberfluteten Bühnenshow, die unter anderem eine riesengroße Hunde-Statue, ein in weiß-rotem Karomuster galoppierendes Pferd und Tänzer in fellbehafteten Bärenkostümen beinhaltete. Dazwischen immer wieder Miley – mal im glitzernd-gelben Edelstein-Hauch-von-Nichts, mal lasziv auf einem Riesenbett räkelnd, mal auf einer Plattform emporfahrend.
Mittendrin ein riskanter Ausflug in die Hippie-Ära. Das mutige Beatles-Cover "Lucy In The Sky With Diamonds" widmet Cyrus ihrem verstorbenen Hund und gelingt durchaus passabel, das versuchte Heraufbeschwören der Freie-Liebe-Ära durch paralysierende Farbeffekte und nackte Frauenkörper auf der gigantischen Leinwand wirkt hingegen viel zu aufgesetzt und erzwungen.
Futter für das Zielpublikum
Im Großen und Ganzen ist der an unschuldige Disney-Zeiten gemahnende Zirkus mit den partiell eingesetzten Provokationen eiskaltes Kalkül. Das Reiten auf einem Hot Dog oder ein überdimensionaler Kussmund am Hintern sind nichts weiter als gut durchdachte Effekthascherei. Und wer mehrmals süße Kätzchen auf die Videoleinwand projiziert, der hat die Generation Social Media und sein Zielpublikum ohnehin verstanden.
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