Studie über DDR
Ikea, Aldi und Co. profitierten von Zwangsarbeit
Am Montag hat Studienleiter Christian Sachse die Studie "Das System der Zwangsarbeit in der SED-Diktatur" in Berlin präsentiert. Lange lag dieses Kapitel im Dunkeln - erst im 25. Jahr nach dem Mauerfall schreitet die Aufarbeitung voran. Und das auch nur, weil der schwedische Möbelkonzern Ikea Ende 2012 - unter öffentlichem Druck - eingeräumt hatte (siehe Story in der Infobox), seit den 80er-Jahren vom Einsatz politischer Häftlinge bei der Produktion gewusst zu haben.
Zwangsarbeit in 600 Betrieben
Ikea hat die Studie im Auftrag der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft denn auch mit 120.000 Euro finanziert. Sie besagt, dass in etwa 600 volkseigenen Betrieben - im Tagebaue, in chemischen Fabriken, in Stahlwerkern oder Textilbuden - Gefangene schufteten. "Eine Gesamtzahl wissen wir noch nicht", so Sachse. Die SED-Maxime sei gewesen: die schwerste Arbeit für die schwersten Verbrecher - und das seien politische Gefangene gewesen.
Und der Westen habe kräftig profitiert. Viele Firmen bezogen Knastprodukte, ohne kritisch nachzufragen - obwohl es genügend Verdachtsmomente gegeben habe. Das sieht auch Rainer Wagner, Vorsitzender der Union Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft, so. Er habe als 15-Jähriger in der DDR im Gefängnis gesessen, berichtet Wagner.
Firmen wollten Produkte, aber keine Verantwortung
Als er später in den Westen kam und dort öffentlich machte, wie in einem DDR-Betrieb junge Gefangene an Stanzen Finger verloren, sei er als Provokateur beschimpft worden. "Das wollte niemand wissen." Heute sagt er: "Die Firmen sollen ihre moralische Verantwortung wahrnehmen." Ein Runder Tisch solle her. "Die Regierung ist hundertprozentig in Verantwortung."
In den Firmen habe man sich um die billigen Arbeitskräfte aus den Gefängnissen gerissen, wird in der rund 500 Seiten umfassenden Untersuchung deutlich. "Gefangene wurden als Arbeitskräfte extra angefordert, sie waren fest eingeplant", sagt Wissenschafter Sachse. Für ihre Versorgung waren nur drei Ost-Mark pro Tag eingeplant.
Vom Sofa zur Kamera bis zu Strumpfhosen
Für Ikea zum Beispiel produzierten DDR-Häftlinge Sofas und Lampen. Aber auch Kameras, Küchengeräte, Werkzeugkästen, Strumpfhosen, Kerzen und Motorräder wurden für westdeutsche Unternehmen wie Aldi, Quelle, Siemens, Krupp, Horten, Linde oder Mannesmann mittels Zwangsarbeit hergestellt. Das hatte bereits Historiker Tobias Wunschik in einer ersten Studie mit dem Titel "Knastware für den Klassenfeind" beleuchtet. 6.000 westdeutsche Firmen sollen von den Machenschaften profitiert haben. Selbst Blutspenden von Häftlingen verhökerte die DDR gegen Devisen.
Die Ost-Beauftragte der deutschen Bundesregierung, Iris Gleicke, kündigte eine weitere Untersuchung an. Fast zeitgleich mit der Veröffentlichung der Studie kam auch die Mitteilung, dass die Renten für SED-Opfer erhöht werden sollen. Das empfinden etliche Opfer zwar als Schritt in die richtige Richtung - doch ausreichend sei es nicht, hieß es am Montag.
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